Feuertod

  • Piper
  • Erschienen: Januar 2007
  • 6
  • München: Piper, 2007, Seiten: 315, Originalsprache
  • München; Zürich: Piper, 2009, Seiten: 315, Originalsprache
Wertung wird geladen
Thomas Kürten
88°1001

Krimi-Couch Rezension vonSep 2007

Deutsche Spitzenklasse

Viel Ruhm und Ehr hat sie bereits erhalten, die Astrid Paprotta: Deutscher Krimipreis, Glauser. Nach vier Romanen um ihre Kommissarin Ina Henkel und die zahlreichen Abgründe in deren Seele, hat ihr fünfter Roman Feuertod zwei neue Protagonisten, die Kommissare Niklas und Potofski. Im Vergleich zu Henkel bleiben die beiden absolut blass, aber dennoch darf Feuertod getrost zu den absoluten Krimi-Highlights des Sommers 2007 gezählt werden. Seine Stärken liegen nicht in der Charakterisierung der Ermittler, sondern ganz eindeutig anderswo.

Die "ruppige" Rechtsanwältin und Stadtabgeordnete Ellen Rupp verbrennt in den Flammen eines Brandanschlags auf ihre Wohnung. Schnell wird vermutet, die Brandstiftung hänge mit ihrem politischen Engagement für einen wirtschaftsliberalen Ordnungsstaat zusammen. Doch nur wenig später stirbt bei einem nach identischem Muster ausgeführten Anschlag ein Versicherungsvertreter, der mit Ellen Rupp nichts zu tun hatte. Das politische Motiv kann also recht bald ad acta gelegt werden.

Nur ein Zufall?

Der Frisör Claude Czerny hat den ersten Brand beobachtet und wohnt im gleichen Haus wie Moritz Blume, der sich ausgerechnet als Privatdetektiv für Ellen Rupp seine Brötchen verdiente. Ein Zufall. Ellen Rupp hatte von ihren Freunden Rossmann und Michaelis den Auftrag, einen Hauskauf in der Stoltzestraße, Ecke Battonstraße abzuwickeln. In dieser Gegend kommt es in letzter Zeit verstärkt zu Ausschreitungen. Aber das kann in dieser Gegend schon mal vorkommen. Ach ja, Czerny und Blume wohnen in der Battonstraße. Und Blume ermittelt in einem Fall, den auch Ellen Rupp sehr interessant zu finden schien, für den Unternehmensberater Westheim, den Gatten von Rupps Sozia Anna Westheim. Westheim wird nämlich von einem ehemaligen Versicherungsvertreter namens Langenau verleumdet, weil er für dessen Entlassung verantwortlich ist. Ein Versicherungsvertreter? Ja, solche Verstrickungen passieren. Sie passieren jeden Tag vor unseren Augen und das alles ist ganz offenkundig zunächst ein Zufall, auch wenn man das nicht glauben will.

Paprotta hat mit Feuertod einen ganz außergewöhnlichen Kriminalroman verfasst, einen Roman, der in der Tat unter die Haut geht. Und sie schafft es, die klassischen Hauptfiguren eines Kriminalromans - nämlich die Ermittler - an den Rand des Interesses zu schreiben. Über Niklas und Potofski erfährt der Leser so gut wie nichts tiefgründiges, sie sind reduziert auf ihre Funktion, die Ermittlungsarbeit an sich. Wesentlich intensiver sind die Begegnungen mit den anderen Protagonisten des Roman: Anna Westheim, die als junge Frau von ihrem späteren Mann aus den Trümmern eines Mietshauses nach einer Gasexplosion geborgen wurde und dabei ihre ganze Familie verlor. Claude Czerny, der begabte, aber mittellose und nicht gerade als intellektueller Überflieger zu bezeichnende Frisör, der so gerne einen Laden in einer besseren Gegend hätte. Oder aber der ebenso mittellose und nach dem Tod Ellen Rupps auch arbeitslose Moritz Blume, der sich mit seinem warmherzigen Dobermann auf die Suche nach den Gründen macht, weswegen seine heimlich geliebte Auftraggeberin sterben musste.

Ein gelungener Schwenk

Doch nicht nur auf dieser Schiene beweist die Autorin unkonventionelles Können. Während sich "Feuertod" nämlich über gut zwei Drittel als klassischer Whodunit entwickelt und ordentlich Spannung aufgebaut wird, sprengt sie die Fesseln des Genres, verrät dem Leser den Täter und schwenkt so ganz unerwartet über auf eine Beobachtung von Indizienauslegung, Glaubwürdigkeit und Gewissenlosigkeit. Astrid Paprotta geht in ihrer Erzählung hohes Risiko, testet Neuland aus und kann erhobenen Hauptes vor ihre Leser treten: So stark der Bruch in der Erzählung für den Moment ist, so stark ist der Konter der Autorin mit einem Finale, das für Gänsehaut sorgen kann.

Nur mit der Taufe einiger Personen hätte sich Astrid Paprotta etwas mehr Zeit nehmen können. Angefangen bei Ellen Rupp, der "ruppigen" Anwältin, über den Priester Zorn (fortan "Gottes Zorn" genannt), den Frisör Czerny (sprich: Scher-nie), einen Mann mit dem Namen des Schutzpatrons der Feuerwehrleute und eine Frau, deren Name auch ganz viel mit Feuer zu tun hat. Krönung sind dabei der Apotheker Michaelis und der Neurologe und "Drogist" Rossmann. Dem sehr guten Gesamteindruck tut dieses Manko jedoch keinen Abbruch.

Feuertod

Astrid Paprotta, Piper

Feuertod

Ähnliche Bücher:

Deine Meinung zu »Feuertod«

Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!

Letzte Kommentare:
Loading
Loading
Letzte Kommentare:
Loading
Loading

Dr. Drewnioks
mörderische Schattenseiten

Krimi-Couch Redakteur Dr. Michael Drewniok öffnet sein privates Bücherarchiv, das mittlerweile 11.000 Bände umfasst. Kommen Sie mit auf eine spannende und amüsante kleine Zeitreise, die mit viel nostalgischem Charme, skurrilen und amüsanten Anekdoten aufwartet. Willkommen bei „Dr. Drewnioks mörderische Schattenseiten“.

mehr erfahren