Dickicht

  • Fischer
  • Erschienen: Januar 2007
  • 83
  • London: Bantam, 2006, Originalsprache
  • Frankfurt am Main: Fischer, 2007, Seiten: 478, Übersetzt: Christine Strüh
  • Frankfurt am Main: Fischer, 2009, Seiten: 478
Dickicht
Dickicht
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Thomas Kürten
32°1001

Krimi-Couch Rezension vonSep 2007

Kampf gegen die Killerliane

Wenn Scott Smith so redet wie er schreibt, dann kann er quasseln wie ein Wasserfall. Zumindest ist das der wesentliche Eindruck, der nach den ersten Kapiteln des Romans Dickicht hängen bleibt. Ohne Umschweife erzählt er von den vier naiven, jungen Amerikanern Amy und Jeff, sowie Stacey und Eric, die im Urlaub in Cancun den deutschen Touristen Matthias kennen lernen. Stacey hat außerdem eine kurze Knutscherei mit einem von drei Griechen, weswegen ihnen im Urlaubsort auch die drei Südeuropäer ständig folgen. Eine Woche lang sind die acht jungen Leute unzertrennbar - und dann geschieht das Unfassbare.

Zwei Tage vor seinem Rückflugtermin macht sich Matthias Sorgen um seinen Bruder Henrich, der einer Urlaubsbekanntschaft ins Landesinnere gefolgt war. Die junge Frau wollte an einer archäologischen Expedition teilnehmen und hatte eine handgemalte Karte hinterlassen, die Henrich vor Abreise für Matthias abgemalt hatte. Matthias fragt die Amerikaner, ob sie ihn begleiten wollen und Jeff sagt kurzerhand für alle zu. Kurz vor Abfahrt treffen sie auch noch einen der Griechen, der sie ebenfalls spontan begleiten will und für seine beiden Freunde noch einmal die Karte abmalt. Zu sechst also brechen sie auf ins Hinterland, in den Dschungel, ins Dickicht.

Filmrechte schon gesichert

Tatsächlich finden sie das Ziel der Karte: einen von einer wunderschönen Ranke überwucherten Hügel mitten auf einer Lichtung im Urwald. Doch bevor sie auf den Hügel gehen, erscheinen aufgeregte Maya, die sie heftigst zu vertreiben versuchen. Als Amy sich von der Gruppe davonstiehlt und die wundersame Ranke berührt, schwingt die Stimmung um. Nun werden die jungen Leute von den Eingeborenen auf den Hügel getrieben. Der Hügel wird umstellt und die Touristen werden mit Waffengewalt am Verlassen des Hügels gehindert. Auf dem Plateau an der Spitze des Hügels finden die Sechs zwei verlassene Zelte und einen tiefen Ausgrabungsschacht - das Lager der Archäologen. Aber weder von den Forschern noch von Henrich ist eine Spur zu sehen. Die Ranke hingegen erwacht zum Leben.

Scott Smith ist Drehbuchautor und die Absicht, diese Vorlage möglichst schnell zu verfilmen, trieft quasi aus jeder Zeile des Romans. Das amerikanische Original mit dem Titel The Ruins war jenseits des großen Teichs 2006 ein Bestseller und die Filmrechte hat sich niemand geringeres als Ben Stiller mit seiner Produktionsfirma gesichert. 2008 werden wir also mit der Verfilmung beglückt. Aber muss das wirklich sein? Oder ist vielmehr zu befürchten, dass aus der dürftigen Andeutung einer Handlung nicht mehr als ein trashiges B-Movie entspringen wird?

Flache und austauschbare Charaktere

Die Ranke ist die eigentliche Protagonistin dieses Romans. Die Killerliane sticht alle aus, ist an Schönheit, Anmut, Eleganz und Hinterlist nicht zu überbieten. Ihr Seminar in Psychologischer Kriegsführung dürfte sie vor kurzem erst aufgefrischt haben, denn eines ist klar: niemand, der ihren Hügel betreten hat, konnte je wieder entkommen. Jeff und Amy bleiben genauso blass wie Stacey und Eric. Jeder Charakter ist stellvertretend für eine Grundeinstellung zum Leben Und während die Frauen - Romantikerin und süßes Naivchen - sogar beinahe gegeneinander austauschbar wären, bekommt Pragmatiker Jeff wenigstens den Anstrich eines vermeintlichen Helden, während der verwöhnte und verhätschelte Eric der in den Wahn abdriftende Psychopath ist. Matthias und der Grieche... sind halt auch irgendwie anwesend, finden aber sonst nicht statt.

Fünfzig Seiten Vorgeplänkel im Urlaubsparadies, dann rund 400 Seiten Psycho-Horror-Thriller auf dem Hügel. Jede Menge trübe Gedanken bislang gänzlich unbekümmert lebender Menschen werden da dem Leser präsentiert, Menschen, die sich plötzlich mit dem Tod konfrontiert sehen, die aus einer verwöhnten und verweichlichten Spaßgesellschaft aufgebrochen sind und plötzlich dem Tod Aug in Aug gegenüber stehen. Irgendwann werden diese quer- und schiefgedachten Hirnströme einfach nur noch langweilig. Irgendwann scheint sich der Autor sogar über seine Leser lustig machen zu wollen, als er nämlich die jungen Amerikaner bei der Nachtwache darüber spekulieren lässt, wie man ihre Geschichte verfilmen kann. Vor lauter unausgesprochenen Schuldfragen hat diese Szene dann sogar halbwegs unterhaltsamen Charakter.

Aus der Idee hätte mancher Autor so viel mehr machen können. Dickicht bleibt jedoch ein simpel strukturiertes, trashiges Thrillerchen. Wir können uns auf einen Film mit sicherlich hübschen Schauspielern freuen, viel Schweiß, viel nackter Haut und natürlich einer gehörigen Portion Special Effects, Horror und Thrill. In Buchform wirkt diese Mischung aus The Beach, einer winzigen Prise Herr der Fliegen und einer Überdosis Der kleine Horrorladen (wir erinnern uns an die fleischfressende Pflanze Audrey II) einfach nur überdreht und hilflos.

Dickicht

Scott Smith, Fischer

Dickicht

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