Dolmen

  • Lafon
  • Erschienen: Januar 2005
  • 12
  • Neuilly-sur-Seine: Lafon, 2005, Titel: 'Dolmen', Seiten: 434
  • Bergisch Gladbach: Lübbe Audio, 2006, Seiten: 6, Übersetzt: Dana Geissler
  • München: Knaur, 2007, Seiten: 510
Dolmen
Dolmen
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Jörg Kijanski
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonNov 2006

Weinende Steine und Strandräuber - TV-Erfolg aus Frankreich

Marie Kermeur, Kommissarin in Brest, kehrt auf ihre Geburtsinsel Lands'en in der Bretagne zurück, um ihren Verlobten Christian Brehat zu heiraten. Am Vorabend der Hochzeit fällt Maries Mutter versehentlich die Brautschleife aus dem Fenster. Als Marie sie aufheben will findet sie in dem Musselin den blutigen Körper einer toten Möwe. Trotz dieses Vorzeichens lassen es sich Maries Brüder Loic und Gildas nicht nehmen, in ausgelassener Herrenrunde Christians Junggesellenabschied zu feiern. Dabei gerät Gildas, stark alkoholisiert, in Streit mit dem Schriftsteller Patrick Ryan. Am nächsten Morgen findet Marie bei einem Jogginglauf ihren Bruder Gildas tot am Ufer vor. Offenbar stürzte er betrunken von dem Steilfelsen. In seiner Hand findet Marie einen Zettel in bretonischer Handschrift:

 

"Für Marie, so wird es der Hohe Herr beschließen,
Licht wird flammen und Blut wird fließen
Aus dem Herzen von Stein."

 

Vor der Steilküste befinden sich mehrere Menhire im Wasser und wenig später beginnt tatsächlich einer der großen Steinbrocken zu bluten. Einer Insellegende nach bluten die Menhire immer dann, wenn auf der Insel ein Unrecht geschieht. Marie, die aufgrund ihrer Hochzeit, die nun natürlich erst einmal verschoben werden muss, eigentlich ein freies Sabbatjahr nehmen wollte, will den Tod ihres Bruders untersuchen. Dabei stößt sie überraschend auf eine große Mauer des Schweigens und der Ablehnung. Selbst ihre Mutter Jeanne sowie ihr Bruder Loic drängen Marie, nicht weiter zu ermitteln, sondern die Insel schnellstens zu verlassen, da sie allen nur Unglück bringen würde.

Einen Tag später erhält Marie unerwartet Hilfe in Person des Commandant Lucas Fersen vom Pariser "Departement des Crimes rituels", der Abteilung für Ritualverbrechen. Zu Maries Entsetzen soll Fersen die Ermittlungen alleine führen, denn als Fremder auf der Insel hat er kaum eine Chance an die Einheimischen heran zu kommen. Zudem sind sich die beiden vom ersten Augenblick an unsympathisch, merken aber bald, dass sie nur gemeinsam den Fall lösen können. Nachdem Laboruntersuchungen feststellen, dass Gildas bereits vor seinem Sturz ermordet wurde ist ein erster Verdächtiger schnell gefunden: Bürgermeister Ives Perec, der in der Mordnacht zur Todeszeit eine Verabredung mit Gildas auf dem Steilfelsen hatte (auf dem Rückweg vom Junggesellenabschied). Auch gibt es für dieses Treffen Zeugen, nur haben diese allerbeste Gründe zu Schweigen. Wenig später wird Perec tot in einem Bassin für Krebse gefunden. Ein neuer Verdächtiger rückt somit in das Visier der Ermittler, der sechszehnjährige Sohn von Loic, der ein Verhältnis mit Perecs Frau hatte. Ein weiterer Menhir fängt an zu bluten und das Morden auf Lands' en geht gnadenlos weiter...

"Dolmen... vergessen sollst du nie" lief in Frankreich 2003 als Mehrteiler im Fernsehen und wurde zeitweise von 12 Millionen Franzosen gesehen. Der Überraschungserfolg ist nun in Deutschland erschienen und man darf gespannt sein, ob sich ein ähnlich großer Erfolg hierzulande einstellen wird. Um es vorweg zu nehmen, die Autorinnen Nicole Jamet und Marie-Anne Le Pezennec hätten es mit ihrem ausgefallenen Roman-Mix aus Thriller, Love- und Mysterystory verdient! Aber, liebe Krimifreunde, keine Angst. Die "Love-Story" hält sich in (weitestgehend) erträglichem Rahmen, wenngleich man merkt, dass hier AutorInnen am Werk waren, und die Mystery-Effekte rund um die blutenden Steinsbrocken sind ebenfalls überschaubar.

Der Roman an sich geht von der ersten bis zur letzten Seite absolut Vollgas und wer meint, an der ein oder anderen Stelle mal einfach zwei Seiten auslassen zu können, begeht einen großen Fehler, da fast auf jeder Seite neue Enthüllungen, Beziehungsgeflechte und vieles mehr auf den Leser einstürzen, so dass man anfangs größte Mühe hat, alles auseinander zu halten. Dies ist dann auch schon der entscheidende Kritikpunkt: Hier wurde gnadenlos konstruiert. Die Story ist viel zu überladen mit immer neuen Wendungen und auch das häufige, überraschende Auftauchen einzelner Personen an Orten, wo sie in "letzter Sekunde" in die Handlung entscheidend eingreifen ist arg gewöhnungsbedürftig. Wem dies egal ist, der darf sich auf "Dolmen" freuen, denn die Story ist sehr abwechslungsreich, wenngleich die Verdächtigen, die nacheinander die Bühne betreten, etwas zu auffällig verdächtig sind, als dass sie wirklich in Frage kämen.

Der Plot glänzt durch die Beschreibung der Insel und insbesondere deren Einwohnern, die Ausländern gegenüber feindlich gesonnen sind und in ihrem eigenen Kosmos leben. Dabei geraten sich zunehmend die Familienclans des Schlossbesitzers Arthus de Kersaint, dem früher einmal fast die gesamte Insel gehörte, und von Yvonne Le Bihan, Inhaberin der größten Manufaktur der Insel, aneinander. Aber auch hier ist vieles nicht so wie es vordergründig scheint und eine nach der anderen Familie muss innerhalb weniger Tage der Vergangenheit mit Menschenleben Tribut zollen. Selbst in Maries Familie kommt es zu weiteren Todesfällen.

Viele Seiten und Morde später wird die Geschichte, welche eine nicht unwichtige Legende über die Strandräuber von Lands'en und deren "Nachfolger" im Jahr 1968 enthält, durchaus befriedigend aufgeklärt. Aber selbst auf den letzten Seiten wird noch mal alles gegeben bzw. "gebogen". Diesen Schwachpunkt ausgeblendet (er führt bei der Bewertung zu dem deutlichen Punktabzug) und davon abgesehen, dass Marie und Lucas bei ihrer Ermittlungsarbeit nicht vollends überzeugen können (dafür sterben zu viele Menschen bzw. tappen sie zu lange im Dunkeln) ist "Dolmen" eine klare Empfehlung für einen Roman, der eine nicht alltägliche Krimikost bietet.

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