Die Süße des Lebens

  • Deuticke
  • Erschienen: Januar 2006
  • 23
  • Wien: Deuticke, 2006, Seiten: 296, Originalsprache
  • Hamburg: Hörbuch Hamburg, 2007, Seiten: 6, Übersetzt: Hacker, Norman
  • München: dtv, 2008, Originalsprache
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Sylvia Rucker
35°1001

Krimi-Couch Rezension vonOkt 2006

Der eigentliche Krimi geht leider unter

In einer Kleinstadt verbringt die 7-jährige Katharina kurz nach Weihnachten einen gemütlichen Spieleabend mit ihrem Großvater, der plötzlich endet, als ein nächtlicher Besucher auftaucht, mit dem der Großvater nach draußen geht. Als Katharina sich schließlich auf die Suche nach ihm begibt, macht sie eine grausige Entdeckung: der Großvater liegt mit zermalmten Kopf tot im Schnee.

Der Schock ist für das Mädchen zu groß, fortan verweigert es die Sprache und braucht dringend therapeutische Hilfe. Obwohl der ortsansässige Psychiater Raffael Horn bereits eine für eine Kleinstadt nahezu beängstigende Zahl von Patienten betreut, übernimmt er auch die Therapie von Katharina und gerät damit in die Auflösung des Todesfalles.

Langsam versucht er die Starre des Mädchens zu lösen und von ihm wichtige Hinweise, wenn nicht sogar den Täter genannt zu bekommen. Damit wäre der Polizei sehr geholfen, insbesondere dem ermittelnden Kommissar Kovacs, der Horn von einem früheren Fall um den verhinderten Selbstmord eines pensionierten Briefträgers kennt.

Kovacs, der nach einer gescheiterten Ehe und einer jetzigen auf Distanz gehaltenen Beziehung selbst psychisch leicht angeknackst ist, muss im Zuge der Ermittlungen erkennen, dass es sich nicht um einen anfänglich noch vermuteten Unfall mit Todesfolge handelt, sondern um einen rätselhaften und grausamen Mord. Und zeitgleich geht auch noch jemand im Ort um, der mehrere Tiere bestialisch tötet. Gibt es da möglicherweise einen Zusammenhang?

Der Mörder scheint jedenfalls ein Psychopath zu sein. Doch kommt Kovacs mit allen Spuren, die er aus diesen Erkenntnissen verfolgt, auch tatsächlich zur Lösung des Mordfalles?

Eines muss man vorneweg sagen: Der Autor ist höchst kreativ! Allein in den ersten drei Kapiteln mit fünfundfünfzig Seiten bereits siebenundfünfzig (!) namentlich genannte Figuren mehr oder weniger ins Spiel zu bringen, ist schon beachtlich.

Schwierig ist es allerdings, diese dann auch alle nach zu halten. Dem künftigen Leser sei verraten, dass er es sich durchaus leichter machen kann und sich gut 90% dieser Personen gar nicht erst merken muss, da sie für die Krimigeschichte belanglos sind. Also bitte keine Panik, wenn man sich beim besten Willen nicht mehr erinnern kann, wer zum Kuckuck z.B. Lea Wirth war, denn schließlich hat das Buch noch mehr Seiten und da können und werden noch einige weitere Namen untergebracht werden!! (Und nur der Vollständigkeit halber seien noch alle jene auftauchenden Figuren erwähnt, für die wohl leider kein Name mehr übrig war).

Der sprachliche Ausdruck des Buches ist sehr ansprechend, es ist gut formuliert, anschaulich und lebendig. Man hat einfach Spaß am Lesen. Inhaltlich wird es dann schon problematischer. Nicht nur, dass das Werk gleich mit mehreren Handlungssträngen aufgebaut ist, diese sind darüber hinaus auch noch sehr weitschweifig angelegt.

Behandelt wird überwiegend Privatleben und beruflicher Alltag des Psychiaters Horn mit reichlich ausführlichen und fachlichen Schilderungen seiner zahlreichen Patienten, ihrer Diagnose und Medikation; weiter das Leben und Wirken von Kommissar Kovacs mit den von ihm im Mordfall geleiteten Ermittlungen; dann Gedanken eines psychisch angegriffenen "Er" und eine psychologisch recht abgründige Geschichte eines "Ich". Ganz zum Schluss kommt dann kurz noch ein weiteres "Ich" zu Wort.

Es erfordert einiges an Konzentration, sich durch die einzelnen Verläufe jeweils durchzufinden und mögliche Verbindungen miteinander herzustellen. Jeder Strang für sich gesehen ist nicht zuletzt aufgrund des guten Schreibstils durchaus interessant.

Doch der eigentliche Krimi geht durch das ständige Wechseln zu den übrigen Ereignissen und Schilderungen ziemlich unter, so dass eine Spannungskurve, auf die man bei einem Krimi ja nun eigentlich hoffen darf, tatsächlich kaum entsteht.

Fast überraschend wird schließlich auf den letzten Seiten die Lösung präsentiert, die sich bis dahin nicht wirklich abgezeichnet hat und die sich auch nicht als Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen ergibt. Es scheint so, als hätte man plötzlich schnell noch zu irgendeinem Ende kommen wollen.

Als Roman mit sehr viel psychologischem Tiefgang im Vordergrund über seelische Nöte und Abgründe einzelner Menschen ist dieses Buch absolut lesenswert, als Krimi oder gar, wie angekündigt, als Thriller kann es nicht überzeugen.

Die Süße des Lebens

Paulus Hochgatterer, Deuticke

Die Süße des Lebens

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