Die Glätterin

  • Erpf
  • Erschienen: Januar 1982
  • 6
  • Bern; München: Erpf, 1982, Seiten: 204, Originalsprache
  • München: dtv, 1985, Seiten: 149, Originalsprache
  • Ermatingen: Erpf, 1994, Seiten: 149, Originalsprache
Die Glätterin
Die Glätterin
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Jörg Kijanski
70°1001

Krimi-Couch Rezension vonOkt 2006

Ruhig und sprachlich sehr wohltuend

Rüti, nahe Thun (Schweiz), im August des Jahres 1949:

Zwischen der jungen Erika und dem etwas zurück gebliebenen Köbi kommt es am Rande des kleinen Bergdorfes Rüti nach einem misslungenen Liebesspiel zu einem kleinen Wortgefecht bei dem Köbi kurzzeitig die Nerven verliert und Erika zu würgen beginnt. Erika kann sich befreien und rennt davon. Am nächsten Morgen wird Wachtmeister Stucki von der Kantonspolizei Thun nach Rüti gerufen, da die Leiche der erdrosselten Erika gefunden wurde. Der Fall scheint schnell gelöst, denn die Glätterin Rütis (Mathilde Bättig) hatte am Vorabend Erika und Köbi zusammen gesehen. Stucki besucht Köbi und stellt in dessen Gesicht eine frische Kratzspur fest, doch bei der weiteren Befragung kommen Stucki erhebliche Zweifel an Köbis Schuld. Daraufhin lässt er Köbi gehen und ermittelt zunächst in Rüti weiter. Dort trifft Stucki allerdings auf eine Mauer des Schweigens, denn so die Lehrerin des Ortes:

 

"Einmal war die Erika vielen ein Dorn im Auge, weil sie herumgelaufen ist wie ein Stadtmeitli. Dann, und das ist das Pikante daran, versuchten verschiedene Dorfgrößen eben dieses Stadtmeitli auf den Heuboden zu locken, wenn sie verstehen, was ich damit meine, und schließlich sind die hier alle so fromm, dass man davon Hühnerhaut bekommt. Oder mit anderen Worten, Erika war zwar verschrien bis in den letzten Krachen, aber das hinderte keinen daran, ihr trotzdem schöne Augen zu machen, und da sie jetzt tot ist, möchte man das Ganze eigentlich als eine Fügung Gottes betrachten."

 

So haben also gleich mehrere Männer des Ortes, unter anderem der Präsident, der Briefträger und nicht zuletzt der Gastwirt zumindest Grund zur Erleichterung. Wenig später wird jedoch auch die Serviertochter des Wirtes ebenfalls ermordet und plötzlich macht sich Betroffenheit bei den Einwohnern Rütis breit. Der Gastwirt selber gerät dabei in Stuckis Visier, da er an jenem Abend ein heimliches Date mit seiner Mitarbeiterin hatte. Erneut stellt sich heraus, dass die Glätterin in der Nähe des Tatortes war. Und Köbi? Tja, der hat für die Tatnacht ebenfalls kein Alibi...

Die titelgebende Glätterin, heute würde man eher von einer Bügelfrau sprechen, ist eine zutiefst religiös veranlagte Frau und so erfährt Wachtmeister Stucki von ihr, dass der Tod der beiden Frauen alles andere als ein Zufall sei. Beide hätten ein unzüchtiges Leben geführt und schon in der Bibel stünde geschrieben:

 

"Der Tod ist der Sünde Sold."

 

Dabei gibt es, wie bereits dargestellt, noch einige andere tatverdächtige Personen, allen voran Köbi, so dass man hier einen klassischen Whodunnit-Plot vorfindet.

Der (Kurz-)Roman "Die Glätterin" (gerade einmal 150 Seiten dünn) des in Deutschland eher unbekannten und leider bereits verstorbenen Schweizer Schriftstellers Alexander Heimann (übrigens zweifacher Gewinner des Deutschen Krimipreises) überzeugt vor allem durch die Schilderungen des Verhaltens der Dorfbewohner. Die Stimmung schlägt mal in die eine, mal in die andere Richtung und so wundert es kaum, dass plötzlich auch Stuckis Vorgesetzter in arge Bedrängnis gerät, als er versehentlich von der Dorfgemeinschaft für den Mörder gehalten wird.

Der Schreibstil Heimanns ist ruhig, aber sprachlich sehr wohltuend (ein gewisser schweizerischer Einschlag ist allerdings unvermeidlich und unterstützt die Atmosphäre), wenngleich an einigen Stellen der Autor dem geringen Buchumfang Tribut zollen muss.

Fast immer liefert Stucki Untersuchungsergebnisse, ohne dass der Leser diese nachvollziehen kann. Erst nachträglich wird kurz angerissen, wie er auf die entsprechenden Hinweise etc. gestoßen ist. Die Figur Stuckis wird ordentlich aufgebaut und mit Leben gefüllt, die anderen Personen fallen ebenfalls dem Platzmangel zum Opfer. Leider ist auch kaum erkennbar, dass die Geschichte 1949 spielt. Der Plot selbst aber ist ordentlich konstruiert, wenngleich er in seiner Auflösung (leider) kein allzu überraschendes Finale bietet.

Dennoch: Für den kleinen Krimihunger zwischendurch eine klare Empfehlung!

Die Glätterin

Alexander Heimann, Erpf

Die Glätterin

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