Gefährliche Engel

  • Rütten & Loening
  • Erschienen: Januar 2006
  • 2
  • London: Orion, 2003, Seiten: 388, Originalsprache
  • Berlin: Rütten & Loening, 2006, Seiten: 400, Übersetzt: Ursula Walther
  • Daun: TechniSat Digital, Radioropa Hörbuch, 2008, Seiten: 10, Übersetzt: Silvia Höhne
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Sabine Reiß
55°1001

Krimi-Couch Rezension vonJul 2006

Gefallene Engel

Laura Lippman startete ihre Krimikarriere 1997 mit der Serie um die Privatdetektivin Tess Monaghan, die in Baltimore bereits einige Fälle löste. Die vier in Deutschland erschienenen Bände wurden zwar gelobt, konnten aber anscheinend kein breites Publikum für sich gewinnen. Hardcover-Ausgaben haben es generell schwerer und auch die Zeit bis zum Erscheinen der Taschenbuchausgabe war bei den beiden Bänden recht lang, so dass neue Leser kaum damit geködert werden konnten. Eventuell mag es auch am Verlag gelegen haben - Rotbuch ist weniger bekannt -, aber im Endeffekt kann man hier nur spekulieren.

Nun will Rütten & Loening aus der Aufbau-Verlagsgruppe ein Buch außerhalb der Serie an den Leser bringen, ebenfalls als Hardcover. Die amerikanischen Kritiker wie Publishers Weekly, Kirkus Review und Washington Post überschlagen sich mal wieder mit ihrem Lob, doch es bleibt abzuwarten, ob Laura Lippman hierzulande einen verspäteten Blumentopf gewinnen kann. Die Story, welche die Autorin hier präsentiert, unterscheidet sich jedenfalls bereits auf den ersten Blick von ihren anderen Büchern.

Mehr als nur eine Jugendsünde

Die beiden elfjährigen Mädchen Alice Manning und Ronnie Fuller werden von einer in einem Schwimmbad stattfindenden Geburtstagsparty von der erbosten Mutter des Geburtstagskindes nach Hause geschickt. Obwohl sie eigentlich gar nicht alleine unterwegs sein dürften, machen sich die beiden auf den Weg und stromern herum. Dabei entdecken sie einen unbeaufsichtigten Kinderwagen vor einem Haus, in dem ein dreijähriges Mädchen liegt. Mit der Absicht, sich um das ´vernachlässigte' Kleinkind kümmern zu wollen, nehmen sie es mit. Ein paar Tage später wird die kleine Olivia tot in einer Hütte in einem nahe gelegenen Park gefunden. Schnitt.

Sieben Jahre später endet die Jugendhaftstrafe der beiden Mädchen und sie kommen wieder zu ihren Familien zurück. Während Ronnie recht schnell einen Job in einer Bäckerei findet, hängt Alice im luftleeren Raum. Die beiden haben keinen Kontakt zueinander, wie auch während ihrer Haftzeit nicht. So langsam wird deutlich, dass Alice Ronnie die Schuld am Tod des Kindes gibt. Laut ihren Aussagen war sie zu dem Zeitpunkt, als das kleine Mädchen starb, zuhause. Ronnie wird als Mörderin dargestellt und Alice sieht sich als Unschuldslamm. Doch so einfach ist eine Geschichte nie.

Handlung aus vielen Blickwinkeln

Neben dem, was Ronnie und Alice nach ihrer Entlassung erleben, schildert Laura Lippman ebenfalls recht eindringlich das Schicksal der Familie, deren Tochter damals vor sieben Jahren ums Leben gekommen ist, und bei der insbesondere die Mutter noch sehr darunter leidet. Noch schlimmer wird es, als in der Umgebung Kleinkinder verschwinden, die jedoch kurze Zeit später wieder auftauchen. Auch aus den Blickwinkeln der ermittelnden Polizisten nimmt man an der Handlung teil, ebenso aus Sicht der Anwältin, die im Prozess gegen die beiden Elfjährigen als Pflichtverteidigerin fungierte.

Langsam enthüllt die Autorin den Kern ihrer Geschichte, deren Ausgang man anfangs nur schwer erahnen kann. Speziell aus diesem Grund wirkt das Buch fast bis zum Schluss wie eine Zeitlupendarstellung. Zumindest teilweise wirken die unterschiedlichen Ansätze auch wie Flickwerk, das nicht recht zusammengehören will. Einige Dinge sind nebensächlich, so zum Beispiel die anderen Fälle der ermittelnden Beamten, die recht schnell abgehandelt werden und wohl lediglich dazu dienen sollen, eine Beziehung zu ihnen aufzubauen.

Spannung? Fehlanzeige!

Ansonsten tut sich wenig und das geht auf Kosten der Spannung. Nur aus der Tatsache heraus, dass das nicht alles gewesen sein kann, entwickelt sich nicht das Gefühl, man müsste unbedingt weiterlesen, auch wenn man am Ende in der Tat emotional sehr berührt ist und nicht richtig fassen kann, worauf das alles hinausgelaufen ist.

Laura Lippman beschreitet mit dem vorliegenden Buch also nicht nur vordergründig einen ganz anderen Weg als mit ihrer Serie, deren Bände zwar nicht seicht, aber viel flotter lesbar und mit einem Hauch von Humor ausgestattet sind. Die Baltimore-Serie wirkt einfach spritziger und frischer als "Gefährliche Engel". Auch wenn einen die Geschichte hier nicht so schnell loslässt, ist der Krimi zu wenig spannend und zu betont psychologisch, um in der Oberliga mitzuspielen.

Gefährliche Engel

Laura Lippman, Rütten & Loening

Gefährliche Engel

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