Nichts ist für die Ewigkeit

  • Knaur
  • Erschienen: Januar 2006
  • 2
  • München: Knaur, 2006, Seiten: 368, Originalsprache
Nichts ist für die Ewigkeit
Nichts ist für die Ewigkeit
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Jörg Kijanski
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonJul 2006

Eine sinnvolle Ausgeglichenheit zwischen Historie und Plot

Nachdem Amandine Le Dret einmal mehr ihre Unzufriedenheit an ihrem 13-jährigen Sohn Olivier auslässt beschließt dieser von zu Hause abzuhauen. Gemeinsam mit seinem Hund Tito kommt er zu einer nahe gelegenen Schlucht, wo er in der sog. Feengrotte übernachten möchte. Tito läuft plötzlich in die Höhle und als Olivier seinen Hund retten möchte findet er diesen in einer tiefer liegenden Nebenhöhle wieder. Doch Olivier findet nicht nur Tito, sondern auch die Skelette zweier Leichen: Ein Mann und eine Frau.

Gerichtsmediziner Marc Mirinowski untersucht die Skelette, die offenbar aus der Zeit zwischen 1940 und 1950 stammen. Während bei der Frau nichts auffälliges festzustellen ist, wurden dem Mann unmittelbar vor seinem Tod fast sämtliche Knochen gebrochen. Da die Leiche zudem auf einem alten Wagenrad gefunden wurde, erinnert dies Dr. Mirinowski an die Foltermethode des Räderns, welche bis Ende des 17. Jahrhunderts in dieser Gegend, also zur Zeit der Hugenottenverfolgung, weit verbreitet war.

 

"Warum sollten die beiden Menschen nicht vor einigen Jahrzehnten auf diese Weise getötet worden sein?"
"Weil das für mich keinen Sinn ergibt."
"Mord ergibt nie einen Sinn."

 

Aufgrund der bereits erfolgten Verjährung der Straftat nimmt die örtliche Polizei keine Ermittlungen auf, aber Mirinowskis berufliches Interesse ist geweckt, nicht zuletzt auch deswegen, weil er sich in die junge Sophie de Perdillon verguckt hat, die sich ebenfalls brennend für die Auflösung des Falles interessiert. Denn vermutlich scheint die Familiengeschichte der de Perdillons in unmittelbarem Zusammenhang mit der Tat zu stehen, denn unweit der Leichen wurde ein Siegelring mit deren Familienwappen entdeckt. Nach Aussagen von Sophies Vater sind aber alle Familienmitglieder in der damaligen Zeit unter aufgeklärten Umständen zu Tode gekommen. Es beginnt eine Reise in die Vergangenheit und die Archive des Ortes...

Die Geschichte wird aus immer wieder wechselnden Perspektiven vorgestellt, wobei sich die Autorin Alexandra von Grote sehr viel Zeit nimmt, um vor allem die Familien de Perdillon und Le Dret vorzustellen. In der bewegten Vergangenheit der beiden so grundverschiedenen Familien gibt es vieles zu entdecken und noch mehr zu verschweigen. Beispielsweise warum sich Amandines Vater damals erschossen hat, als diese gerade einmal 10 Jahre alt war. Oder warum er in einem Abschiedsbrief seinem Vater dafür die Schuld gibt. Doch auch bei einigen anderen Familien in dem Örtchen Rochemanteau sind die schwerreichen Gutsbesitzer de Perdillon seit Jahrzehnten nicht besonders gut angesehen. In den Kriegsjahren haben viele bei den umfangreichen Arbeiten auf dem Weingut geholfen, aber lediglich die de Perdillons haben ihren Wohlstand seither vergrößert bzw. halten können. Die Le Drets hingegen und viele andere leben bis heute nur von der Sozialhilfe oder Gelegenheitsjobs.

So gibt es zahlreiche ältere Dorfbewohner, die womöglich damals eine Rechnung offen hatten und erst ganz allmählich klären sich für Sophie und Marc (und damit für den Leser) die Zusammenhänge. Bis dahin heißt es, die Familienchroniken sorgfältig auseinander zu halten und nicht den Überblick zu verlieren. Wer Schwierigkeiten mit Storys hat, in denen zu viele Personen bzw. Namen vorkommen, sollte vorsorglich die Finger von diesem Roman lassen, alle anderen können gespannt in die einzelnen "Stammbäume" Einsicht nehmen und sich auf einen gut konstruierten und vor allem ebenso geschriebenen Plot freuen. Hierbei spielt das "Zusammenspiel" innerhalb der Dorfgemeinschaft eine wesentliche Rolle und gibt eine überaus anschauliche Beschreibung der ländlichen Lebensart wieder.

Dabei spannt die Autorin den historischen Bogen von der bereits angesprochenen Hugenottenverfolgung bis hin zu den Geschehnissen bis kurz vor und nach Kriegsende. Die Tagebuchaufzeichnungen des damaligen Bürgermeisters aus den letzten Kriegs- bzw. Besatzungsjahren beispielsweise ergeben nicht nur für die Handlung bzw. deren Auflösung einige Hinweise, sondern bilden gleichzeitig eine interessante zeitgeschichtliche Darstellung der Ereignisse. Dabei hätten wohl gerade zu letztem Aspekt zahlreiche Autoren mehr Wert auf Details hinsichtlich der Aktivitäten von Besatzungsmächten (den sog. "Boches"; Schimpfwort für die Deutschen) und Widerstandskämpfern (Resistance) gelegt, allerdings damit auch den Roman womöglich in die Länge gezogen und vom eigentlichen Plot abgelenkt. Insofern gelingt hier Alexandra von Grote eine sinnvolle Ausgeglichenheit zwischen Historie und Fortführung des Plots.

Will man das berühmte Haar in der Suppe suchen, so hätte man vielleicht die Auflösung (zumindest deren Andeutung) nicht gar so weit nach vorne verlegen müssen und auch die Grundidee, dass die Verbrechen der Vergangenheit den oder die Täter einholen, ist eine bereits oft gesehene Konstruktion, die aber in "Nichts bleibt für die Ewigkeit" anspruchsvoll umgesetzt wird. Wer Spaß am Auflösen derartiger Puzzlespiele hat, kann bedenkenlos zugreifen. Allerdings sollte man keine mit Action geladene Story erwarten, sondern eine ruhige, detailverliebte Geschichte, die im Mitteilteil kleinere Längen hat.

Nichts ist für die Ewigkeit

Alexandra von Grote, Knaur

Nichts ist für die Ewigkeit

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