Unsterblich wie der Tod

  • Droemer
  • Erschienen: Januar 2006
  • 8
  • München: Droemer, 2006, Seiten: 381, Originalsprache
  • München: Knaur, 2008, Seiten: 384, Originalsprache
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Jörg Kijanski
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonApr 2006

Vor Spannung in den Sessel gedrückt

Luisa Millers Leben scheint aus allen Fugen zu geraten. Vor wenigen Wochen wurde die schwer misshandelte Kinderleiche von Ann-Marie gefunden, auf deren Rücken die Worte "Für Luisa, in Liebe" eingebrannt waren. Kein Wunder, dass in dem miefig-provinziellen Haselstedt unweit von Kiel die Einwohner nicht gut auf Luisa zu sprechen sind. Während sich die Lage langsam zu beruhigen scheint wird erneut eine Kinderleiche gefunden, diesmal die der 14-jährigen Miriam, wobei die Parallelen zu dem ersten Opfer nicht zu übersehen sind. Alles scheint somit von vorne loszugehen, doch es wird diesmal weitaus schlimmer. Am Tatort von Miriams Leiche wird ein Handschuh mit deren Blut gefunden, der Luisas Freund Kurt Hansen gehört. Dieser hat für die Tatzeit jedoch ein Alibi: eine andere Frau...

Und wer ist eigentlich der Psychopath, der Luisa immer wieder mit Telefonaten belästigt, ihr sogar einen Finger der ermordeten Ann-Marie in einem Paket eingepackt in ihren Garten wirft?

Als sich kurz darauf Ann-Maries Mutter umbringt, erreicht Luisas Ansehen im Dorf absolute Tiefstwerte. Da scheint es plötzlich zumindest einen kleinen Lichtblick für Luisa zu geben, den neuen musikalischen Leiter der Hamburger Staatsoper Morten Vandenberg, in den sie sich Hals über Kopf verliebt. Bei ihrem ersten Treffen in Vandenbergs Wohnung gibt es aber sogleich einen empfindlichen Dämpfer, denn in seinem Wohnzimmer hängt ein Porträt von Isabelle de Ferreau aus dem Jahre 1610, die Luisa wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich sieht. Vandenberg räumt dann auch ohne weitere Begründung ein, dass ihr Kennen lernen keineswegs ein Zufall war. Aber wer ist die geheimnisvolle Frau?

Währenddessen stoßen die ermittelnden Kieler Polizisten unter Leitung von Kriminalkommissar Armin Stahl auf ähnliche Mordfälle, die sich acht Jahre zuvor in Leipzig ereignet haben. Dort wurden vier junge Mädchen qualvoll getötet, wobei dem letzten Opfer (Yvonnes Schwester) auf ihrem Rücken die Worte "Für Yvonne, in Liebe" eingebrannt wurden. Yvonne, die sich unmittelbar nach der Übermittlung der Todesnachricht umbrachte, hatte damals ein Verhältnis: Mit Morten Vandenberg...

Zu dem Debütroman von Stefanie Baumm kann ich nur ein Wort sagen: Respekt! Selten fiel es so schwer, ein Buch aus der Hand zu legen und dass es sich um das Erstlingswerk der Autorin handelt steigert den positiven Gesamteindruck umso mehr. Man könnte auch sagen: "Da hat jemand seine Hausaufgaben gemacht." Und wie!

Kurze Kapitel und oft wechselnde Hauptfiguren (im Vordergrund steht mal Luisa, mal Vandenberg, die Polizei, die Nachbarn des Provinzstädtchens, (Ex-)Freund Kurt, Sohn Florian, dessen Vater Dominick, die Presse, Staatsanwalt Mettenberg, Journalistin Witt,...) sorgen für reichlich Tempo. Langeweile kommt bei diesem Page-Turner nie auf und dabei stellt der oben skizzierte Plot gerade einmal das Wesentliche des ersten Buchdrittels dar. In Wirklichkeit passiert natürlich noch einiges mehr und Stefanie Baumm gelingt es hervorragend den Spannungsbogen bis zum Finale konsequent aufrecht zu erhalten, wenngleich man einen Teil der Auflösung vorab erraten kann. Verdächtige gibt es lange Zeit mehr als genug, so dass ordentlich Zeit zum Grübeln bleibt.

Die Verknüpfung einer jahrhundertealten Liebe und deren Auswirkungen auf die Gegenwart sind natürlich Geschmacksache, auf jeden Fall aber originell umgesetzt. Wer ist der rätselhafte Musikvirtuose Morten Vandenberg, der vor 15 Jahren auf einem Friedhof im Elsaß aufgefunden wurde und an Amnesie leidet, wer die geheimnisvolle Isabelle de Ferreau, die sich im Jahre 1610 aus Liebeskummer das Leben nahm?

Hohes Tempo, teilweise Baukastensystem, aber durchweg stimmiger Gesamteindruck

Hier und da wird zwar arg viel konstruiert (man könnte auch sagen, es werden reichlich viele bekannte "Bausteine" verwendet) und gelegentlich muss schon mal tief durchgeatmet werden, aber dennoch können selbst diese — wenigen— negativen Punkte den stimmigen Gesamteindruck nicht nachhaltig stören. Sicher hätten die Figuren, deren Schicksale und Charaktere hier meist nur angerissen werden, deutlich mehr hergegeben. Sicher hätten die Differenzen zwischen Luisa und den Dorfbewohnern detaillierter ausgereizt werden können, doch dann hätte das Buch eben auch locker den doppelten Umfang gehabt und der ein oder andere Leser hätte wohl zu Recht das Wort "Seitenschinderei" benutzt.

Allein Luisa wirkt nur anfangs in vereinzelten Situationen etwas zu tough, hätte den berühmten Tick mehr Platz zur Darstellung ihrer Person vertragen können und die Liebesgeschichte mit Vandenberg droht gefährlich nah an einen Arztroman heran zu kommen, doch selbst hier gibt es für den ("unromantischen", den reinen Krimi-) Leser nur eine kurze Schrecksekunde.

Das Finish selbst ist leider keine Offenbarung, da man diese Art von Showdown nun doch schon allzu oft gelesen hat (ein letzter Griff in den Baukasten). Sei's drum, irgendwie muss die Story ja ein Ende finden und wenn man weit über 300 Seiten vor Spannung in den Sessel gedrückt wird, dann hat sich die Arbeit allemal gelohnt. Das einige Handlungsstränge nicht zu Ende geführt werden ist zum Teil irritierend und soll daher nicht unerwähnt bleiben, lässt allerdings die Schlussfolgerung zu, dass wir Luisa und Vandenberg womöglich nicht zum letzten Mal begegnet sind. Schöne Perspektiven!

Unsterblich wie der Tod

Alex Berg, Droemer

Unsterblich wie der Tod

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