Kölsches Roulette

  • Emons
  • Erschienen: Januar 2002
  • 1
  • Köln: Emons, 2002, Seiten: 190, Originalsprache
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Jörg Kijanski
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonApr 2006

Wendungsreich - hätte aber mehr Kölsches Flair vertragen können

Köln im Mai des Jahres 1965. Unmittelbar vor dem Besuch der englischen Königin beschäftigt die Kölner Kripo eine Mordserie, der bereits acht junge Männer zum Opfer gefallen sind. Doch die Polizei tappt im Dunkeln, so dass sich Franziska Dettmers, die Mutter von Michael (eines der Opfer), an ihren Rechtsanwalt FJ Hackländer wendet, womit auch Leo Saalbach in das Geschehen gezogen wird. Leo, arbeitete früher als Privatermittler für Hackländer, betreibt aber seit einem Jahr eine kleine Kneipe. Da er seinem ehemaligen Chef noch einen Gefallen schuldet nimmt er widerwillig die Ermittlungen auf, wobei ihm durch Frau Dettmers selbst einige Steine in den Weg gelegt werden. So verbietet sie ihm die Kontaktaufnahme zur Polizei und vor allem zu Michaels Verlobter, Judith Meynhardt, der Tochter des Polizeipräsidenten.

Kurz darauf berichtet eine Kölner Tageszeitung von einem weiterem Opfer, Olaf Bötticher, der ein Schulkamerad von Michael Dettmers war. Bei seiner Recherche stößt Leo auf Fotos, die auf einer Abitur-Abschlussfahrt auf einem Schiff gemacht wurden. Irritierenderweise sind auf diesen Fotos nicht nur Michael und Olaf zu sehen, sondern auch ein weiteres Opfer: Der arbeitslose Schreiner Thomas Hering, der kein Abiturient war. Was hatte es mit der Schifffahrt auf sich und wer könnte vielleicht anhand der Fotos seine Opfer auswählen? Der Fotograf der Bilder kann Leo jedenfalls nicht mehr helfen. Er wurde vor 10 Monaten überfahren und einen Tag später fand ein Einbruch in dessen Atelier statt...

Leo Saalbach ist ein wahres Steh-auf-Männchen, ein unverwüstbarer Privat-Eye, der keinem Problem aus dem Weg geht. Während er zügig erste Spuren verfolgt und Hintergründe ermitteln kann, kommt es - fast zwangsläufig - zu einem handfesten Streit mit der Polizei. Dabei schafft es Leo, nicht nur die Ehe seines früheren Spannmannes, Kommissar Lothar Müller, in eine Krise zu stürzen, sondern er bezieht auch selbst mächtig Prügel, nachdem er sich einen derben Scherz mit einem von Müllers Mitarbeitern erlaubt hat. Einen Tag später entzieht ihm Frau Dettmers bereits wieder den Ermittlungsauftrag, da sie aufgrund der "familiären Verbindungen" zum Polizeipräsidenten keine Schwierigkeiten haben möchte. Leo aber hat Blut geleckt und wendet sich kurz entschlossen an Michaels Verlobte Judith, um von ihr beauftragt zu werden. Diese kann ihn zwar nicht bezahlen, aber Leo ist bereit, kostenlos den Fall zu übernehmen, denn ohne einen Auftrag darf er nicht ermitteln. So wühlt er sich in den Fall Dettmers und den der anderen toten jungen Männer immer tiefer hinein, findet heraus, was sich auf der Schifffahrt furchtbares ereignet hat, doch erst ein 12-jähriger Junge scheint den entscheidenden Hinweis geben zu können. Zwischenzeitlich verzweifelt Leo immer wieder an dem Fall und ein Gedankengang Leos, der auf dem Buchrücken vorweggenommen wird, ist symptomatisch:

"Ich wünschte mir einen etwas weniger komplizierten Fall am Hals. Zum Beispiel die Suche nach dem Bernsteinzimmer."

Neben den unerlässlichen Zeugenbefragungen garniert Edgar Noske seinen Plot mit einer leichten Prise Humor und sorgt somit für einen kurzweiligen Plot, dessen gelungene Auflösung zudem noch eine kleine Überraschung parat hält. Leo, dem Alkohol nicht abgeneigt, wird gut charakterisiert, die anderen Figuren verblassen hingegen, was bei gerade einmal 190 Seiten aber auch nicht verwundern kann.

Der vermeintliche Lokalkolorit erstreckt sich hauptsächlich auf zahlreiche Kölner Straßennamen und der historische Rahmen entsteht in erster Linie nur durch den Besuch der englischen Königin. Typisch kölsche Figuren sucht man leider ebenso vergebens wie den Dialekt der Domstädter. Dies trübt den Lesespaß und ebenso wäre deutlich mehr "Zeitgeist" bzw. 60er-Jahre-Flair wünschenswert gewesen, denn über weite Strecken könnte die Story genau so gut in einem beliebigen Jahrzehnt und einer anderen Stadt spielen. Dies sind allerdings die einzigen Kritikpunkte eines Krimis, der einige Wendungen bietet und zum Mitraten einlädt. Daher ist "Kölsches Roulette" nicht nur für Leser aus Köln interessant und für alle Nicht-Kölner sei an dieser Stelle noch verraten, wodurch sich Kölsches vom Russischen Roulette, welches ja bekanntlich für den Verlierer tödlich endet, unterscheidet:

Beim Kölschen Roulette wird der Revolver durch einen Kölsch-Kranz auf einem Drehteller ersetzt. Die leeren Kammern sind nun mit Bier gefüllte Kölschstangen (0,2 l Bier), die Patrone eine mit Doppelkorn gefüllte Kölschstange. Getrunken wird auf ex, wobei leere Kölschstangen sogleich wieder durch volle ersetzt werden. Wer zuerst unterm Tisch liegt hat verloren (und darf bezahlen).

Kölsches Roulette

Edgar Noske, Emons

Kölsches Roulette

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