Und Friede den Toten

  • Goldmann
  • Erschienen: Januar 2006
  • 1
  • London: Bantam, 2005, Titel: 'Sight Unseen', Seiten: 329, Originalsprache
  • München: Goldmann, 2006, Seiten: 416, Übersetzt: Peter Pfaffinger
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Wolfgang Weninger
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonMär 2006

Subtil und verzwickt

Wenn man mit einem Konzept erfolgreich ist, braucht man dieses auch nicht zu ändern. Und so hat der britische Autor Robert Goddard auch im Jahr 2005 seinen alljährlichen Krimi bei Goldmann veröffentlicht.

Auch in Sight Unseen, das Peter Pfaffinger aus dem Englischen übersetzt hat und das nun als Und Friede den Toten auf dem Buchmarkt ist, beginnt in bewährter Manier zwanzig Jahre vor der eigentlichen Handlung Ende Juli in Avebury.

Eine junge Frau spaziert mit drei Kindern, einem Jungen und zwei Mädchen über die megalithische Anlage, bekannt als"The Cove". Vor dem gegenüberliegenden Pub sitzt ein junger Mann und sieht, wie eines der beiden Mädchen in einen weißen Van gezerrt wird. Das zweite Mädchen stellt sich dem davonrasenden Wagen in den Weg und wird überfahren.

Mit diesem kurzen Ausflug in die Vergangenheit ist das Kapitel eigentlich abgeschlossen. Zwanzig Jahre später treffen sich David Umber, der junge Mann von damals, der heute in Prag als Fremdenführer mehr schlecht als recht sein Leben fristet, und der damals ermittelnde Polizeibeamte Chief Inspector Sharp im "Goldenen Tiger" in der Prager Innenstadt.

Bis hierhin hat Goddard es immer wieder geschafft, seine Kapitel mit so trivialen Sätzen, wie "Diese Zukunft beginnt in Avebury. Aber dort endet sie nicht.", zu beenden. Die Handlungsfäden werden kurz angerissen, aber der Leser wird völlig im Unklaren gelassen, worum es eigentlich geht. Erst langsam wird Seite für Seite in kleinen Häppchen ein Puzzleteil nach dem Anderen plausibel.

Inspector George Sharp ist mittlerweile pensioniert und hat ein wenig gespart. Bevor er sich jedoch entgültig zur Ruhe setzt, will er seine innere Ruhe finden und klären, was damals wirklich passiert ist. Wo ist das entführte Mädchen hingekommen und was ist mit ihm passiert. Warum hat ihn "Junius" in einem Brief aufgefordert, den ad acta gelegten Fall neu aufzurollen?

Junius, der dem Inspector Nachlässigkeit bei den damaligen Ermittlungen vorwirft, ist vermutlich 1773 gestorben. Es war das Pseudonym eines Unbekannten, der im Public Advertiser, einer Londoner Zeitschrift, politische und gesellschaftliche Missstände anprangerte. Seine Identität wurde nie gelüftet. Und jetzt schreibt er diesen Brief.

So bringt Goddard ein unklares Phänomen ins Spiel, das bei seinem Background als Geschichteprofessor an der Universität Cambridge nicht weiter verwunderlich ist. Seine Vorliebe für ein wenig Fantasy kann er damit in diesen vergangenen Kriminalfall einfließen lassen. Dazu benötigt er die Figur des David Umber, denn der damals junge Mann hat die Briefe des Junius studiert und stand kurz davor, dessen Inkognito zu lüften. Der letzte Stein im Puzzle sollte ihm in Avebury von einem Unbekannten gegeben werden. Und zwar genau zu dem Zeitpunkt und an dem Ort, an dem das kleine Mädchen entführt wurde. Sharp braucht also Umber, um den Schreiber der Zeilen und dessen Gründe zu entlarven.

Um jedoch den Fall noch ein wenig zu komplizieren, hat der Autor das Kindermädchen von damals in ein unglückliches Verhältnis mit David Umber gejagt, das mit dem Tod der jungen Frau geendet hat. Umber ist also nicht nur verdächtig mit der Entführung etwas zu tun gehabt zu haben, sondern auch mit dem Verschwinden und dem Tod seiner Gefährtin.

Subtil baut Goddard von hinten herum den Kriminalfall auf, verknüpft ihn verzwickt, indem er die Legenden der handelnden Personen von damals und heute bruchstückhaft erforscht und es dabei dem Leser nicht leicht macht, sich zwischen Sympathie und Antipathie gegenüber den einzelnen Personen zu entscheiden. Gelegentlich verzettelt sich der Autor dabei mit historischen Erläuterungen, die zu gewissen Längen führen, aber er schafft es immerhin, nach 400 Seiten eine Lösung zu finden, die wenigstens plausibel ist.

Handwerklich gibt es an Und Friede den Toten nichts auszusetzen. Der Schreibstil ist flüssig und stellt den Leser vor keine intellektuellen Anforderungen. Ein Schuss Action und einige Leichen dürfen bis zur Auflösung nicht fehlen und halten den Leser bei der Stange. Goddard wird sich auch mit diesem Buch nicht in die Elite der britischen Crime Scene einreihen, aber er hat einen absolut sauberen, waschechten Krimi abgeliefert, der durch seine Vielfältigkeit Spass macht und an manchen Stellen auch noch so richtig schön altmodisch ist.

Und Friede den Toten

Robert Goddard, Goldmann

Und Friede den Toten

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