Totenstill

  • Knaur
  • Erschienen: Januar 2005
  • 14
  • New York: Dell, 2003, Titel: 'Night Terror', Seiten: 389, Originalsprache
  • München: Knaur, 2005, Seiten: 550, Übersetzt: Sigrid Langhaeuser
Totenstill
Totenstill
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Jörg Kijanski
35°1001

Krimi-Couch Rezension vonDez 2005

Peitscht den Leser von Seite zu Seite und kommt doch nicht richtig vom Fleck

Eine Warnung gleich vorab: "Totenstill" ist kein bodenständiger Thriller, sondern bedient sich vielmehr zahlreicher Horrorelemente aus dem Bereich des Übernatürlichen. Wer mit Hellseherei, Parapsychologie und ähnlichen Dingen nichts anfangen kann, sollte die nachfolgende Rezension gar nicht erst lesen und vor allem die Finger von diesem Buch lassen.

Zuerst verschwindet der sieben Jahre alte Timmy Merrill, vier Jahre später der neun Jahre alte Zacharias Bock. Sheriff Virgil Milche ist einer der wenigen Menschen, die zwischen den beiden Fällen einen Zusammenhang vermuten, denn die Jungen waren recht unterschiedlich und zudem trennen ihre Wohnorte 25 Kilometer. Eigentlich müsste Milche die Fälle als ungelöst abhaken, doch da seine Frau Doris an Krebs erkrankt im Sterben liegt, stürzt er sich zur Ablenkung blindlings in die Arbeit. Bei einer Séance seiner Frau, an der Milche nur widerwillig teilnimmt, erhält er über Babs St. Clair eine Nachricht von Timmy Merrill, der ihm mitteilt, wo er dessen Fahrrad finden kann. Tatsächlich wird Milche fündig doch hat tatsächlich Timmy zu ihm gesprochen oder weiß Babs mehr als sie zugibt?

Währenddessen leidet Audrey, die Mutter des vor einem Jahr verschwundenen Zach’ unter sog. "Nachtangst", einem Zustand der zu Albträumen und schrecklichen Visionen führt, an die sich die Betroffenen später oft nicht erinnern können. Audrey glaubt daher des Öfteren Kontakt mit ihrem Sohn zu haben und wähnt diesen in einem Keller eingesperrt. Aber inwieweit sind ihre Visionen Realität oder lediglich auf ihre eigene Vergangenheit zurückzuführen, in der sie von ihrer Tante Tara psychiatrisch behandelt wurde, um vor ihrer Mutter geschützt zu werden?

Und was weiß der geistig verwirrte Cooder Reese, der Sherriff Milche gegenüber andeutet, er habe "schlimme Dinge" gesehen? Plötzlich führen alle Spuren zu der vor vielen Jahren geschlossenen Perkins-Klinik, in der geheime Experimente mit dem Ziel der "Fernwahrnehmung" unternommen wurden.

Ja, so isser halt, der Chandler, der McGrew. Kommt in super einfachen Sätzen und Dialogen daher, peitscht den Leser von Seite zu Seite und kommt doch nicht richtig vom Fleck. Über 200 Seiten liegen hinter uns und trotzdem ist der Plot nicht viel weiter als oben beschrieben und davon wiederum wusste man das meiste bereits nach Durchlesen des Buchrückens. Dann legt er auf einmal den Schalter um und Ruck-Zuck wird alles klar und der lange Showdown kann kommen. Wie schon bei seinem Debüt gilt auch hier die Devise: Je einfacher die Sätze desto besser. Dazu viel Blabla mit hölzernen Dialogen, zahlreichen Wiederholungen und zum Schluss reichlich Action. McGrew ist auf dem Weg zum Super-Star der "Generation Pisa".

"Das ist doch total scheißverrückt."

Dieser Satz könnte das Fazit zu McGrews zweitem Roman sein, gibt aber hier nur einen kleinen Einblick in die Gedankenwelt des Sheriffs Milche bzw. die "Sprachgewalt" des Autors. Selbstredend, dass Charakterzeichnungen der einzelnen Figuren gar nicht erst versucht werden.

Der Plot selber spannt den Bogen über das gesamte Spektrum außersinnlicher Wahrnehmung von Telepathie, Gedankenübertragung, Hellseherei, Hypnosetherapie, Gedankenkontrolle, Parapsychologie bis hin zu der schon angesprochenen "Fernwahrnehmung". Was ein paar Experimente in einer geheimnisvollen Klinik nicht alles bewirken können. Für den Autor ein willkommenes Feld, denn wenn er nicht mehr weiter weiß, versetzt sich eine Person einfach in einen anderen Menschen hinein, sieht mit dessen Augen und schon kann die Story weitergehen. Praktischerweise werden durch diese Technik auch zahlreiche Gegenstände manipuliert.

Meister des Horrorromans wie Stephen King, Dean Koontz oder James Herbert hätten aus der Geschichte sicher viel herausholen können, wenngleich das Kernthema "Menschen mit übernatürlichen Fähigkeiten" wahrlich nicht neu ist. Aber leider schreibt Chandler McGrew in einer ganz anderen Liga als seine vorgenannten Kollegen und wer seinen Debütroman Eiskalt gelesen hat, der wird kaum Hoffnung haben, dass sich dieser Autor - im literarischen Sinne - mal "nach oben" schreibt. Anspruchsvolle Literatur und McGrew sind zwei Begriffe, die normalerweise nicht in einen Satz passen.

Besonders bemerkenswert ist noch, dass der Knaur-Verlag dieses Werk als "Thriller des Monats" in die Buchhandlungen gegeben hat. Würde man die anderen Autoren des Verlages nicht kennen, man müsste sich um die Zukunft des Verlages und deren Lektoren große Sorgen machen. Fazit: Nur wer eine Vorliebe für sehr einfache Formulierungen und übersinnlichen Hokuspokus hat, kann sich vielleicht mit diesem Roman anfreunden. Alle anderen wenden sich mit leichtem Grausen ab und greifen direkt zu Koontz und Co.

Totenstill

Chandler McGrew, Knaur

Totenstill

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