Die Pendragon-Legende

  • Corvina
  • Erschienen: Januar 1966
  • 6
  • Budapest: Franklin Társulat, 1927, Titel: 'A Pendragon legenda', Originalsprache
  • München: dtv, 2004, Seiten: 311, Übersetzt: Susanna Großmann-Vendrey
  • Budapest: Corvina, 1966, Seiten: 283, Übersetzt: Henriette Schade-Engl
  • Hamburg: Hörbuch Hamburg, 2005, Seiten: 5, Übersetzt: Heikko Deutschmann, Bemerkung: gekürzt
  • München: dtv, 2008, Seiten: 311, Übersetzt: Susanna Großmann-Vendrey
Die Pendragon-Legende
Die Pendragon-Legende
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Michael Drewniok
90°1001

Krimi-Couch Rezension vonNov 2005

Gangster- & Geistergetümmel im tiefsten Wales

János Báthoy, ein primär in der Welt alter Bücher lebender Historiker, hat seine Zelte in London aufgeschlagen. Der Zufall bringt ihn in Kontakt mit Owen Pendragon, Earl of Gwynedd, einem walisischen Hochadligen, der als Mäzen der Künste und nobler Menschen berühmt aber als Nachfahre des Alchimisten und Hexenmeisters Asaph Pendragon auch berüchtigt ist. Die beiden Männer freunden sich an, der Earl lädt Báthoy auf sein Schloss Llanvygan ein, was dieser freudig annimmt.

Damit gerät er unwissentlich in ein Komplott, das bereits seit Monaten das Haus Pendragon bedroht. Drei Mordanschläge wurden auf den Earl verübt. Verantwortlich ist wohl eine Gruppe, die sich um das Erbe eines unerhört reichen Mannes sorgt. Der hatte sein Vermögen mit Hilfe des Earls gemacht. Es sollte ihm gehören, wenn sich herausstellte, dass es bei seinem Tod nicht mit rechten Dingen zugegangen sei. Diese Möglichkeit besteht durchaus und obwohl der Earl vorgibt nicht an dem Geld interessiert zu sein, wird er scharf beobachtet und ausspioniert. Auch Báthoy wird anonym gewarnt sich nach Llanvygan zu begeben. Er reist trotzdem, begleitet von Osborne Pendragon, dem Neffen des Earls, sowie vom undurchsichtigen Abenteurer Maloney, den man noch in London kennen gelernt hat.

Das Reiseziel stellt sich als einsamer, unheimlicher Ort dar. Des Nachts schleichen merkwürdig gewandete Gestalten durch die Gänge. Ein Ritter in voller Rüstung galoppiert um das Schloss. Geheimgänge werden offenbar. Maloney übt sich als nächtlicher Fassadenkletterer. An einem See wird ein riesenhafter, altmodisch gekleideter Greis gesichtet. Geht etwa der alte Asaph um? Er heißt, er sei im Besitz okkulter Geheimnisse der Rosenkreuzer gewesen. Ein Elixier dieses mysteriösen Ordens soll ihm das ewige Leben verliehen haben. Sein Grab ist jedenfalls leer, wie unsere drei Freunde feststellen. Sie geraten gleich doppelt in Bedrängnis, als sich sehr diesseitige Gangster auf Schloß Llanvygan zu tummeln beginnen. Bis zum ersten Mord dauert es nicht mehr lange ...

Das Buch, das Dan Brown vermutlich zu schreiben versucht ...

Viel Bockmist wird derzeit in den Buchläden der westlichen Welt verstreut; der Fahrer auf dem Traktor heißt Dan Brown. Er kann nicht plotten, kann nicht schreiben, ist aber immens erfolgreich und hat einer Unzahl noch erbärmlicherer Kopisten nach sich gezogen, die das Grundkonzept - ein historisches Rätsel wird mit viel Thriller und einem Hauch Phantastik verquirlt - treulich aufgreifen.

Nun ist diese Konstellation beileibe nicht neu, sondern in der Unterhaltungsliteratur schon seit Urzeiten in Verwendung. Der Erfolg der gegenwärtigen Schreibautomaten hat zumindest den einen Vorteil, dass sich dies am praktischen Beispiel überprüfen lässt: Auf der Suche nach ihrem Stück vom Kuchen suchen Buchverlage verzweifelt nach Titeln, die sich irgendwie in den Hype einschleusen lassen. Es kann nicht ausbleiben, dass unter dem ganzen Schutt, der dabei aufgewühlt wird, hier und da ein Goldkorn zu Tage tritt. "Die Pendragon-Legende” ist kein Korn, sondern ein richtiger Nugget. Bereits 1934 entstanden zeigt hier ein echter Schriftsteller, wie man aus den genannten Einzelelementen eine stimmungsvolle, durchgängig spannende, immer überraschende Geschichte spinnt. Der Grundton ist überaus heiter bzw. ironisch, was keinen Deut daran ändert, dass der Leser sehr Ernst genommen wird.

Gibt es für ein solches klassisches Garn einen stimmigeren Hintergrund als das `alte' England mit seinen von Geistern heimgesuchten Burgen und Schlössern? Kunstvoll wie sein Zeitgenosse John Dickson Carr treibt es Szerb auf die Spitze, verstärkt die altertümlichen Besonderheiten des Schauplatzes, verwandelt Schloß Llanvygan und Umgebung in eine von der realen Gegenwart (des Jahres 1933) isolierte Enklave, in der viel ältere Zeiten lebendig sind. Dies kommt der Story durchaus entgegen aber vor allem verleiht es ihr jene nostalgische Patina, die bereits zu Szerbs Zeiten bei der Leserschaft gut ankam.

Völlig unaufdringlich und deshalb um so wirksamer konstruiert der Verfasser das historische Fundament, auf dem seine Geschichte bombenfest steht. Dieses Mal sind es nicht die üblichen Verdächtigen - totgeschwiegene Evangelisten, Templer, Nazis usw. -, die im Hintergrund ihr Unwesen treiben. Die Rosenkreuzer gab es tatsächlich, sie hielten sich wie alle "geheimen” Orden - schon wegen der stets misstrauischen Staatsgewalt - sorgsam im Verborgenen und trieben okkulte "Studien”.

Die Geschichte erfährt ein den Leser zufriedenstellendes Ende, doch die Rätsel bleiben ungelöst, denn die "Pendragon-Legende” mündet - zumindest soviel sei verraten - in einem Finale, der real sein kann aber nicht sein muss. Die Sehnsucht nach und die Furcht vor dem Wunder stellte eine immer wieder literarisch aufgegriffene Konstante im Leben des Antal Szerb dar, wie sein Landsmann György Poszler in einem nicht gerade leicht verständlichen aber dennoch sehr informativen Nachwort deutlich macht. Nur selten gelingt es so gut wie in diesem Fall das "Reale” mit dem "Irrealen” zu verknüpfen. Der Leser bleibt leicht ratlos und trotzdem sehr zufrieden zurück. Die sorgsam aufgebaute Spannung verpufft nicht durch ein allzu profanes Ende. Darüber hinaus hat Szerb dafür Sorge getragen, dass wir auch am Schicksal der auftretenden Figuren interessiert sind.

Ein Bücherwurm versucht das Abenteuer

Der unbedarfte Bücherwurm als Held wider Willen, begabt mit einschlägigem Fachwissen und erfüllt vom heimlichen Wunsch nach einem zünftigen Abenteuer: Diese Figur verkörpert János Báthoy nahezu perfekt. Doch da ist vieles, das ihn vor dem drohenden Klischee rettet: Von der ansonsten vor allem in Hollywood kultivierten Frauenfurcht des Helden gibt es beispielsweise keine Spur. Báthoy nutzt die Chancen, die sich ihm eröffnen. Die aufkeimende Liebe zur hübschen Earlsnichte ist da kein Hindernis. Der aufgestörte Büchernarr zeigt sich in der Krise zwar in der Regel hilflos aber nie ohne Ideen. Vor allem ist da sein Fachwissen, das sich nicht als Hindernis, sondern als nützliches Instrument im Ringen um das Rätsel von Schloß Llanvygan erweist. Schließlich ist da Báthoys Herkunft, die ihn die Hürden einer hierarchisch gegliederten Gesellschaft quasi "überspringen” lässt und ihm die Absurditäten derselben im Auftrag der Leserschaft um so deutlicher vor Augen führt.

Auch sonst ist der Leser vor Überraschungen nie sicher. Szerbs Personal scheint sich aus der Klamottenkiste klassischer Kriminalromane zu bedienen. Doch stets gibt es Brüche, die aus Klischeegestalten echte Figuren werden lassen. Dabei löst die Gestaltung der weiblichen Darsteller besonderes Erstaunen aus: Sie sind mindestens ebenso selbstständig wie ihre männlichen "Kollegen”, denken und handeln ohne deren "Schutz” und im positiven Sinn "modern”. Von allen auftretenden Figuren zeigt sich eine Frau, Lene Kretzsch, als praktische Gefährtin der Geister- und Gangsterjäger, der immer noch ein ungewöhnlicher Ausweg aus allen Krisen einfällt, wenn die anderen schon verzagen. Diese "Gleichberechtigung” im eigentlichen Sinn des Wortes vor allem ist es, welche "Die Pendragon-Legende” uneingeschränkt lesenswert bleiben ließ.

Die Pendragon-Legende

Antal Szerb, Corvina

Die Pendragon-Legende

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