Einzelkämpfer

  • Gmeiner
  • Erschienen: Januar 2005
  • 1
  • Meßkirch: Gmeiner, 2005, Seiten: 229, Originalsprache
  • Daun: TechniSat Digital, Radioropa Hörbuch, 2008, Seiten: 1, Übersetzt: Wolfgang Vogler, Bemerkung: MP3
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Eva Bergschneider
60°1001

Krimi-Couch Rezension vonOkt 2005

Ein sympathisch trotteliger Zeitgenosse stolpert in einen Kunstfälscher-Krimi

Nach Sinje Becks eigenwilligem Debüt-Krimi »Deckname Werner«, liegt nun dessen Nachfolger »Einzelkämpfer« vor. Dieser Roman ist ursprünglich online als monatliche Fortsetzungserzählung unter dem Titel »Gestatten, Heiner« entstanden und schließlich als Taschenbuchausgabe vom Gmeiner Verlag heraus gebracht worden. Dieser kleine Verlag spezialisiert sich auf Themen-Krimis mit Lokalkolorit deutscher Nachwuchsautoren.

Arbeitslos - aber nicht hoffnungslos!

Heiner Himmel, 44 Jahre alt , frisch geschieden und arbeitslos, steht als Sandwichman in der Siegener Einkaufspassage, auf dem zweiseitigem Plakat steht geschrieben: "Nimm mich mit! Für 7 € die Stunde oder Tagespauschale."

Eigentlich ist Heiner Blechschlosser, eine Umschulungsmaßnahme vom Arbeitsamt machte ihn vom "arbeitslosen Blechschlosser zum arbeitslosen Werbekaufmann." Hätte Heiner geahnt, dass seine Ehe mit Marie "den Bach runter" gehen würde, wäre er vielleicht mit seinem ehemaligen Arbeitgeber nach Tschechien gegangen.

Das Leben hat Heiner bisher nicht gerade die Sonnenseite gezeigt, aber er glaubt fest daran, dass es aufwärts gehen wird, "ein Unternehmer unternimmt was" ist sein Wahlspruch.

Heiners Jungunternehmen läuft mit mäßigem Erfolg an. Zuerst ersetzt er die Putzfrau in einer Pizzeria, hilft dann doch erst mal wieder seinem Freund in der Tankstelle und landet schließlich als Spüler in einem Cafe. Sein Chef, der "falsche Hase" ist knauserig und ein zwielichtiger Typ, hat aber eine Anstellung für die ganze Woche in Aussicht gestellt. Nach getaner Arbeit bekommt Heiner nur die Hälfte des vereinbarten Lohns, stattdessen das Versprechen auf Restzahlung plus 100 Euro Bonus. Heiner soll lediglich einen silbernen Porsche nach Rotterdam zu einer bestimmten Adresse fahren, eine Weile dort stehen lassen und wieder zurück kommen.

Als Heiner gerade nach reiflicher Überlegung das Angebot ablehnen will, taucht ein bewaffneter Kerl auf, der Heiner unmissverständlich dazu überredet, die Tour zu unternehmen und so gerät er in einen Strudel aus aberwitzigen Ereignissen rund um einen Kunstfälscherring.

Im Zweifelsfall immer auf die innere Stimme hören - auch wenn es mehrere sind

Heiner muss feststellen, dass die Konkurrenten im Kunstfälscher-Business nicht gerade zimperlich in der Wahl ihrer Umgangsformen sind. Ein angeblicher Ermittler, bei dem Heiner versucht unterzutauchen, verhält sich auch nicht gerade wie ein vertrauenswürdiger Gastgeber. So stolpert Heiner von einer misslichen Situation in die nächste und ist ganz allein auf sich gestellt, oder eher auf sich und seine inneren Stimmen.

Eine ist die eines geschniegelten Anwaltes, des "Advokaten", der für Heiner immer wieder mögliche rechtliche Konsequenzen seines Handelns abklopft. Eine weitere gehört Astrid Lindgrens Kinder-Detektiv Kalle Blomquist, der im jugendlichen Überschwang Heiner immer wieder zu halsbrecherischen Aktionen anstachelt.

Weiterhin mischen sich unterschiedlichste Personen, die Heiners Leben geprägt haben, in das Geschehen ein, seine Mutter, seine Ex-Frau, Lehrer, Ausbilder und Kollegen. Alle tragen mit ihren speziellen Ratschlägen dazu bei, dass Heiner immer wieder in letzter Sekunde seinen Hals aus der Schlinge ziehen kann und schließlich doch seinen Teil zur Auflösung des verbrecherischen Komplotts leisten kann.

Ein einsamer, couragierter Antiheld

Sinje Beck erzählt die Geschichte ausschließlich aus Heiners Sicht in der Ich-Form. Heiners Sprache ist eigenwillig, in Siegener Mundart ("..meine ich mal.") und mit originellem, sympathischen Wortwitz, von fatalistisch bis hoffnungsvoll, ausgestattet. Heiner ist ein Typ, der über sich selbst lachen kann und unterhält mit witziger, teilweise skurriler Situationskomik. Aufgelockert wird die Erzählung mit Zitaten aus Liedertexten, vorzugsweise aus dem Bereich Deutsch-Rock der 80-90 er Jahre, sowie einiger Zeilen Spott-Prosa.

Heiners innere Stimmen haben nichts mit Schizophrenie zu tun, sondern verdeutlichen einfach seinen Charakter als einsamer Antiheld. Heiner ist eigentlich kein abenteuerlustiger Mann, vielmehr gilt es immer wieder, den inneren Schweinehund zu überwinden. Er ist aber auf seine Weise couragiert und beweist eine Menge Einfallsreichtum. Seine inneren Stimmen verstummen, als er schließlich doch nicht mehr ganz allein mit dem Schlamassel da steht.

Kein Krimi für Liebhaber knisternder Spannung

Sinje Beck hat ihre Story gut und überwiegend logisch, allerdings ohne größere Überraschungen und Spannungsmomente aufgebaut. Das Erzähltempo wird kaum variiert, ein Spannungsbogen ist kaum auszumachen. Obwohl Heiner immer wieder in brenzlige Situationen gerät, kommt eher wenig Nervenkitzel auf, die Absichten der Charaktere werden immer sehr schnell offen gelegt, kaum ein Ereignis entwickelt sich anders, als erwartet.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Sinje Becks Krimi »Einzelkämpfer« ein Roman für Liebhaber originell erzählter Geschichten rund um sympathisch-humorvolle, etwas tölpelige Zeitgenossen ist. Heiner ist ein Typ, mit dem man sich gut identifizieren kann, einer, der mit seinen manchmal vertrottelten Reaktionen, angenehm menschlich und rundum liebenswürdig wirkt. Der eigenwillige Sprachwitz ist anfangs wirklich amüsant und macht Spaß, zu lesen, die verwendeten Zitate werden immer exakt in den Zusammenhang passend, eingesetzt.

Dieser Erzählstil wird aber mit der Zeit auch etwas langweilig. Die Geschichte wirkt durch die einseitige Perspektive eindimensional, einige überraschende Wendungen hätten dem Roman gut getan und mehr Spannung verleihen können.

Einzelkämpfer

Sinje Beck, Gmeiner

Einzelkämpfer

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