Die Höhle

  • Warner
  • Erschienen: Januar 1997
  • 11
  • New York: Warner, 1997, Titel: 'The cave', Seiten: 278, Originalsprache
  • Frankfurt am Main: Fischer, 1998, Seiten: 298, Übersetzt: Friederike Zeininger
  • Frankfurt am Main: Fischer, 2001, Seiten: 304, Übersetzt: Friederike Zeininger
Die Höhle
Die Höhle
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Jörg Kijanski
95°1001

Krimi-Couch Rezension vonJul 2005

Das meint Krimi-Couch.de:

Helen Myrer, klinische Psychologin, erlebt in letzter Zeit ziemlich viele Tiefschläge. Kein Wunder also, dass sie sich eine Auszeit nimmt und zwei Wochen in einem kleinen, völlig abseits gelegenem Haus am Lake Glory in New Hampshire neue Energie tanken möchte. Nach ihrer Ankunft gilt es zunächst die Lebensmittel auszuladen und als sie diese in der Speisekammer einräumen will, nimmt sie am Rande des Raumes den Schatten eines Mannes wahr, der mit einer Strumpfmaske sein Gesicht verdeckt und in der Hand ein großes Messer hält. Es gelingt ihr zwar der Rückzug zum Mietauto, doch sie muss feststellen, dass sie die Autoschlüssel auf der Spüle liegen gelassen hat. Die bestehenden Fluchtmöglichkeiten abwägend entscheidet sie sich, ins Haus zurückzukehren, doch nicht nur der Mann ist weg, sondern auch die Schlüssel. Da das Telefon tot ist, versucht sie über eine Treppe den Anlegesteg der Boote zu erreichen, merkt jedoch in letzter Sekunde, dass die unteren Bretter fehlen. Diese liegen wild im Schilf verstreut. Zurück in der Wohnung versucht sie Kontakt zu dem Fremden aufzunehmen, kann jedoch nur ein Geräusch sowie einen merkwürdigen Geruch aus der Küche wahrnehmen. Wie sich herausstellt befindet sich eine noch lebende Ratte in dem brennenden Ofen.

Helen entscheidet sich zu einer Flucht über die Wiese, welche hangaufwärts zu einem Waldstück führt. Mit letzter Kraft erreicht sie oben angekommen einen Feldweg, der nur wenige Meter von der Hauptstraße entfernt liegt, als ihr ein Pickup entgegenkommt. Sie erkennt den maskierten Mann am Steuer und ergreift notgedrungen die Flucht zurück zum Haus. Dort versucht sich Helen zu verbarrikadieren, doch gelingt es dem Eindringling sie mit einem Todschläger niederzuschlagen.

Später wacht Helen nackt in dem Bett des Hauses auf und stellt fest, dass ihre restlichen Kleidungsstücke in unbrauchbare Fetzen zerschnitten wurden. Von dem Fremden fehlt erneut jede Spur. Nach Einbruch der Dunkelheit startet sie daher, nur notdürftig mit dem Betttuch bekleidet, einen erneuten Fluchtversuch. Sie erreicht den Wald und versucht diesmal nicht die Straße, sondern die Hütte eines Nachbarn zu erreichen. Das Betttuch verfängt sich in den Ästen und so muss sie nackt und verletzt weiterlaufen. Am Ende ihrer Kräfte erreicht sie die beleuchtete Hütte. Aber damit läuft sie dem gefährlichen Psychopathen direkt in die Arme...

"Die Höhle" kommt wie eine gewaltige, atemberaubende Mischung aus dem Roman-Klassiker "Jagdzeit" von David Osborne und dem Film "Der Tod und das Mädchen" (Sigourney Weaver, Ben Kingsley) daher.

Helen Myrer wird Opfer eines perfiden, aber ebenso intelligenten Psychopathen, den sie mit Hilfe ihrer beruflichen Erfahrung als klinische Psychologin zu begreifen versucht. Während die Mißhandlungen immer extremer werden, versucht Helen die Gründe seines Verhaltens zu erkennen und ihm auf psychologischer Ebene ("Ich kann ihnen helfen.") zu begegnen. Doch damit muss sie sich einem Mann, der nach ihrer Einschätzung unter einem "ungelösten Ödipuskonflikt leidet, der zu einer narzißtischen Persönlichkeitsstörung mit dissozialen Zügen geführt hat", gänzlich ausliefern.

Der Spannungsbogen wird von Anfang an sehr hoch gehalten und es kommt keineswegs zu einem reinen verbalen (psychologisch bestimmten) Schlagabtausch oder einem Kammerspiel. Helen bemerkt die Person in dem Speiseraum auf Seite 19, aber erst auf Seite 85 erfährt sie (in der Hütte angekommen) die Identität des Mannes. Dazwischen findet ein spannendes Katz-und-Maus-Spiel - wie oben ansatzweise dargestellt - statt, welches auch im weiteren Verlauf des Buches immer wieder zu finden ist. Nach gut zwei Dritteln des Romans gelingt Helen erneut die Flucht, diesmal aus dem Haus des Täters in die titelgebende Höhle.

Wenn immer der Leser glaubt, dass eine Steigerung der Qualen nicht mehr möglich oder Helen die Flucht nun endlich geglückt ist, gelingt der Autorin die nächste beklemmende Wendung. Dieses Buch ist kein Krimi, es ist ein "Schocker", in dem der Leser einen detaillierten Einblick in das Leben eines zu tiefst gestörten Menschen, eines unheilbaren Psychopathen, erlebt. Die Ursachen seines Handelns werden dabei durch Helens Gedankengänge bzw. Gespräche mit dem "Täter" eindringlich dargestellt. Diese gehen weit über die üblichen Erklärungsversuche (Mißhandlung in der Kindheit, Tierquälerei etc.) hinaus; Querverweise zu Jeffrey Dahmer und Co. werden aufgezeigt. Derart fesselnd und tiefgründig wurden die Auslöser und die Gedankengänge eines Serienmörders bislang selten vermittelt.

"Aber ich muß dir auch sagen, dass ich glaube, dass ich unter Kontrolle hatte, was ich tun will, und das ist, Frauen zu VERNICHTEN, die genauso sind wie meine Mutter. Am Anfang mußten sie so reden wie sie, ruhig, damit es sich anfühlte, als wäre sie es. Jetzt müssen sie nur helle Haare haben. Ich werde immer schlimmer. 1960 habe ich zwei erledigt. 1980 habe ich achtzehn erledigt. Letztes Jahr vierunddreißig. Wie viele insgesamt weiß ich nicht."

Was sich auf den ersten 85 Seiten der oben dargestellten Inhaltsangabe abspielt ist an Spannung und überraschenden Momenten schon beeindruckend. Die folgenden rund 120 Seiten im Haus des Täters bilden den psychologischen, dialoglastigeren, aber keineswegs minder spannenden Mittelteil, der durch immer neue Grausamkeiten dem Leser die Nackenhaare sträubt. Wer aber glaubt, nach Helens Flucht in die Höhle sei das Schlimmste überstanden, der darf sich auf die verbleibenden 90 Seiten freuen. Hier erreicht der Horror geradezu schwindelerregende Höhen.

Wer sich für das Thema "Serienmörder" interessiert und dabei gute Nerven hat, kommt an diesem Buch nicht vorbei. Hier gilt ausnahmsweise der vielzitierte und leider oft mißbrauchte Werbeslogan: "Nervenzerreibende Spannung von der ersten bis zur letzten Seite."

Für einen Debütroman "Wahnsinn" - in jeder Hinsicht.

Die Höhle

Anne McLean Matthews, Warner

Die Höhle

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