Schön, blond, reich und tot

  • Grafit
  • Erschienen: Januar 2004
  • 1
  • Mailand: Mondadori, 2002, Titel: 'La collega tatuata', Originalsprache
  • Dortmund: Grafit, 2004, Seiten: 283, Übersetzt: Christiane von Bechtolsheim
  • Daun: TechniSat Digital, Radioropa Hörbuch, 2006, Seiten: 7, Übersetzt: Sabine Swoboda
Schön, blond, reich und tot
Schön, blond, reich und tot
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Thomas Kürten
72°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2005

Die wirren Gedanken einer Lehrerin

Dieser Kriminalroman mit Handlungsort Turin ist ebenso ungewöhnlich wie bemerkenswert. Autorin Oggero schildert aus der Sicht einer Lehrerin deren Umgang mit einer speziellen Kollegin, ihre Reaktion auf deren plötzliches und gewaltsames Ableben und die Energie, mit der sie sich auf ganz eigene Recherche begibt.

Bianca de Lanchantin ist schön, blond, reich und eben leidergottes auch schon tot. Ihrer Kollegin, aus deren Perspektive der gesamte Roman geschrieben ist, ging sie mit ihrer arroganten Art und den dekadenten Urlaubsberichten auf die Nerven. Außerdem kam nur sie dafür in Frage, die Hunde einer Nachbarin vergiftet zu haben. Der persönliche Groll gegen die Tote, aber auch der Zufall, dass ihr der Kalender der Toten in die Hände fällt, lassen die namenlose Lehrerin neugierig werden. Sie sucht den Witwer auf, der den trefflichen Nachnamen "Bagnasacco" (soviel wie "nasser Sack") trägt, um den Kalender zurückzugeben, aber auch um zu sehen, in was für einer Villa ihre Kollegin Bianca hauste. Einige der hier hängenden Bilder scheinen nur Kopien zu sein. Ist es vielleicht üblich, dass reiche Leute die Originale im Safe liegen haben und daheim Kopien aufhängen?

Zuletzt verkehrte Bianca mit ihrem Cousin in einem Teppichgeschäft, danach verliert sich ihre Spur. Er war wohl der letzte, der sie lebend gesehen hat. Dann erfährt die namenlose Protagonistin von einer alten Klatschbase, dass der Cousin wahrscheinlich nicht nur Cousin, sondern zugleich Biancas Halbbruder war. Und man sagte beiden eine heimliche Affäre nach. Reichlich viel Zündstoff, um weiter seine Nase in die Angelegenheiten der Polizei zu stecken. Die ist übrigens vertreten durch den attraktiven Gaetano, der sich so ganz nebenbei ein wenig in die namenlose Lehrerin verguckt hat und sie wohl auch deshalb gewähren lässt.

Ungewöhnlich definierte Ermittlerrolle

Wer sich von einem Kriminalroman solide Ermittlungen sowie Spannung und Action erwartet, setzt mit diesem Roman von Oggero eindeutig aufs falsche Pferd. Die Protagonistin begibt sich zu keinem Zeitpunkt in Gefahr. Zufälle spielen ihr Informationen in die Hände, Zufälle helfen ihr auch, sich aktiv weitere Informationen zu verschaffen. Den Rest erledigt die Frau durch eine hervorragende Menschenkenntnis und exzellentes analytisches Denkvermögen. Immer wieder wird der Leser auf die wirren Gedankengänge einer Lehrerin mitgerissen, die sich oft um den konkreten Fall drehen, manchmal aber auch komplett abschweifen und sich in Nebenschauplätzen verlieren. Gut eingebunden ist der Konfliktherd Ehe- und Familienleben, vor dem die Protagonistin ein ums andere mal ins Detektivleben zu flüchten scheint. Die Arbeit der Polizei bleibt vollkommen außen vor. Zwar tauscht sich die Lehrerin hin und wieder mit Gaetano aus, sie bezieht ihre Informationen jedoch vorrangig aus Klatsch und Tratsch.

Was diesen Roman aber auch auszeichnet ist die stark dosierte Verwendung direkter Rede. Schätzungsweise die Hälfte aller Dialoge findet in indirekter Rede statt, unmittelbar verknüpft mit den Gedanken der Hauptfigur. Durch diese Vielzahl innerer Monologe wird das Buch nicht gerade leichter zu lesen, aber es setzt sich stilistisch doch deutlich von 08/15-Romanen ab. Gespickt sind diese Passagen zudem von einigen scharfzüngigen Spitzen, die zusätzlichen Reiz verleihen.

Auf dem unübersichtlichen Buchmarkt dürfte dieser Roman somit einige Alleinstellungsmerkmale aufweisen. Ob es gerade das ist, was der Mainstream sucht, sei dahingestellt. Warum nicht mal einem etwas anders geratenen Krimi eine Chance geben? Schön, blond, reich und tot kann gut unterhalten - wenn man bereit ist, sich auf den Erzählstil einzulassen.

Schön, blond, reich und tot

Margherita Oggero, Grafit

Schön, blond, reich und tot

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