Bienzle und die letzte Beichte

  • Fischer
  • Erschienen: Januar 2005
  • 3
  • Frankfurt am Main: Fischer, 2005, Seiten: 205, Originalsprache
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Jörg Kijanski
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2005

Die Adaption für einen kommenden 'Tatort' dürfte nicht schwer fallen

Kommissar Bienzle reist anlässlich des 80. Geburtstages seiner Tante Gerlinde nach Felsenbronn, wo ihn der dortige Polizeichef Langlott während der Feierlichkeiten um seine Hilfe bittet, da der Großbauer Paul Autenrieth tot aufgefunden wurde. Tante Gerlinde ist begeistert, hofft sie doch, dass Bienzle gelingen wird, auch die "ungelösten Morde" der letzten Jahre zu klären. Seit sieben Jahren kommt es nämlich in Felsenbronn, von den Einheimischen mittlerweile "Mörderdorf" genannt, alljährlich zu ungeklärten Todesfällen. So stürzte der Wagen von Ottfried Köhnlein in eine Schlucht, Sven Heckmann brachte sich angeblich qualvoll mit Insektiziden um, Marion Niedermeier wird nachts von einem Bus erfasst usw. Zu viele vermeintliche Unfälle als das man hier nicht an einen Zusammenhang glauben müsste. Gleichwohl wurde in der Vergangenheit seltsamerweise nie konsequent ermittelt. Vielleicht deshalb, da die Opfer allesamt unbeliebt waren und ihrerseits durch diverse "Fehlverhalten" bekannt waren. Fast scheint es, als wolle sich jemand zum einsamen Rächer aufspielen.

Während Bienzles Frau nach Stuttgart zurückfährt bleibt dieser in Felsenbronn zurück und übernimmt die Ermittlungen, da Langlott mit Mordfällen keine Erfahrung hat. Dabei findet er schnell heraus, dass auch Autenrieth ein Mensch war, dem niemand eine Träne nachweint. Am wenigsten seine Angehörigen: Frau Rose, Tochter Ariane und Sohn Alexander. Und auch der von ihm nie akzeptierte uneheliche Sohn Karl Meiler, der seit Jahren in Boston lebt, nun aber gerade in Tübingen weilt, hätte allen Grund seinem Vater nach dem Leben zu trachten. Würden doch nur die Pfarrer Gilchinger und Romero nicht durch das Beichtgeheimnis zur Verschwiegenheit verpflichtet sein...

Zwei Tage nach dem Mord an Autenrieth wird dessen Hund Astor vergiftet und in sein Haus eingebrochen. Aus dem versiegeltem Arbeitszimmer werden zwei Terminkalender aus den Jahren 2002 und 2003 entwendet, von denen die Polizei jedoch zuvor Kopien gemacht hat. Und plötzlich gibt es einen neuen Verdächtigen: Polizeichef Langlott taucht auffallend oft in den Notizen auf, verbunden mit durchaus beachtlichen Zahlen - in Euro. Erschwerend kommt hinzu, dass Langlott einst versuchte mit Tochter Ariane anzubändeln...

Da das Buch nur 206 Seiten kurz ist, soll an dieser Stelle nicht mehr zum Inhalt verraten werden, obwohl es Huby erstaunlich gut gelingt, auf diesen wenigen Seiten recht viel Inhalt unterzubringen. Die Story wird als klassischer Krimi (Mord - Befragen der Personen - Auflösung) präsentiert und die Adaption für einen kommenden "Tatort" dürfte nicht schwer fallen.

"Grad hat ich an dich denkt." ist einer von vielen Sätzen bei denen sich der des schwäbischen Dialektes unkundige Rezensent fragt, was wohl damals der Deutschlehrer zu so einem Satz gesagt hätte, aber durch die immer wieder sprachlich wechselnden Dialoge (mal wird geschwäbelt, mal hochdeutsch gesprochen) verschafft Huby der Story zusätzlichen Lokalkolorit. Allerdings bleibt kritisch anzumerken, dass nicht immer nachvollziehbar ist, warum die handelnden Personen oftmals während eines Gespräches die Sprachart (schwäbisch/deutsch) wechseln. Zur atmosphärischen Dichte trägt auch Hubys Detailliebe bei der Schilderung der Örtlichkeiten bei sowie die Herausarbeitung seiner Charaktere, allen voran natürlich die des Kommissars. Dieser muss sich nicht nur zunehmend der Lösung des Falles annehmen, bei dem die meisten "Zeugen" mauern und ihn mitunter in die Irre führen, sondern ferner sein Privatleben im Auge behalten, da sich eine größere Distanz zwischen ihm und seiner Frau aufbaut. Die neue Staatsanwältin Anuschka Relinger, deren Figurenschilderung recht unglaubwürdig daher kommt, verschärft die Situation, wobei die Frage an den Autor erlaubt sein muss, warum diese in einer Nacht nackt vor Bienzles Zimmertür steht? Vielleicht denkt Huby bereits an die Verfilmung, wo solche Szenen die Einschaltquoten mitunter ja nicht negativ beeinflussen.

Alles in allem ist "Bienzle und die letzte Beichte" ein rundum spannender klassischer Kriminalroman, den man im positiven Sinn als "deutsche Wertarbeit" bezeichnen möchte. Die Lösung ist akzeptabel, doch wie so oft der eigentliche "Schwachpunkt". Wenn einen der schwäbische Dialekt nicht allzu sehr abschreckt findet man einen kurzweiligen Roman, der einen verregneten Nachmittag schnell vergessen lässt.

Bienzle und die letzte Beichte

Felix Huby, Fischer

Bienzle und die letzte Beichte

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