Der Mastercode

  • Droemer Knaur
  • Erschienen: Januar 2005
  • 41
  • München: Droemer Knaur, 2005, Seiten: 560, Übersetzt: Michael Benthack
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Wolfgang Weninger
35°1001

Krimi-Couch Rezension vonApr 2005

Schmalspurspannung

Irgendwo in Finnland ist die Schaltzentrale eines gigantischen Computernetzwerkes, genannt "Mother". Ausgehend von einer Vernetzung von Kommunikations-, Bank- und Kreditkartendaten ist mittlerweile fast jeder Mensch auf der Welt mit all seinen privaten und beruflichen Geheimnissen zentral gespeichert. Im Jahre des Herrn, anno domini 2020, brauchen wir weder Münzen, noch Geldscheine, keine Kreditkarten, nur einen Abdruck der menschlichen Iris auf einem Augenscanner und schon wird uns jeder Wunsch buchstäblich an den Augen abgelesen. Vorausgesetzt, wir haben das richtige Kreditrating, gehören wir also entweder zu den Superreichen, die alles und noch viel mehr ergattern oder zu den Superarmen, die nichts haben und auch nichts bekommen werden, wenn nicht einer der oberen Zehntausend finanzielle Bürgschaft leistet.

Wir sind in einer Zeit, in der es in den Unterschichten brodelt. Viele wollen diese Zwangsrekrutierung in ein Globalnetzwerk nicht. Viele haben es satt, einfach nur der letzte Dreck zu sein und nur als Sklaven der Reichen auf den Tod zu warten. Sie begehren auf. Egal ob in den USA, in Europa, in Asien oder sonst wo, überall streben Staatsmänner nach Macht, Geld und immer mehr davon und verkaufen dafür ihr Volk an die Globalmultis, hinter denen wiederum "Mother" steht. Mother, gegründet von Mr. Oswald Plevy, einem windigen, aber erfinderischen Berater, steht zur Zeit unter Aufsicht eines Kuratoriums geleitet vom Finnen Lars Pedersen. Plevy hat sich als reichster Mann der Welt zur Ruhe gesetzt und an Pedersen und seinen Vertrauten klebt eine Gruppe mörderischer Verschwörer unter Führung des britischen Außenministers und des CIA-Chefs.

Pedersen erkennt, dass "Mother" manipuliert werden soll. So manipuliert, dass es praktisch kein Entrinnen aus dem machtgeilen Spiel der Globalmultis mehr gibt. Nur ein einziges Manöver kann der geplagten Menschheit noch helfen. "Mother" muss abgedreht werden, aber wenn Pedersen stirbt, ist die Abschaffung des Status Quo kaum mehr möglich, denn nur drei Menschen besitzen den Schlüssel zur Deaktivierung. Die amerikanische Präsidentin, der britische Regierungschef und eine unbekannte Finnin namens Pia, die in Amerika lebt und ihr Leben als bezahlte Gespielin vermögender Männer fristet und von ihrer Bedeutung nichts weiß. Und Pedersen liegt in den letzten Zügen...

36 Jahre nach Orwell

Der Schreiber, der sich hinter dem Pseudonym Scott McBain versteckt und "Der Mastercode" im Knaur Taschenbuch Verlag auf den Thrillermarkt geworfen hat, tut gut daran, sich für dieses 550 Seite dicke Taschenbuch nicht seiner eigentlichen schriftstellerischen Fähigkeiten zu rühmen. Was einstens bei George Orwell "1984" noch Big Brother hieß, hat sechsunddreißig Jahre später zwar keine Schwester, aber eine Mutter bekommen, deren Grundidee als Ausgangspunkt für eine spannende Story besser nicht sein könnte.

Scott McBain hat daraus einen reichlich faden Durchschnittsschmöker gemacht, bei dem Kapitel für Kapitel die Sorgen und Ängste der lebenden Bevölkerung heruntergebetet werden, zum wiederholten Male die Stufen der acht Kreditratings dem scheinbar für dumm verkauften Leser gepredigt werden, und dazwischen auf Teufel komm raus politische Intrigen zu inszenieren waren, die heute schon keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervor locken könnten.

Die Handlung kommt im gesamten Leseverlauf nie so recht auf Touren, es gibt praktisch keine Sympathieträger und die wenigen Figuren, die sich als solche eignen würden, sind nur für kurze Sequenzen eingebaut, bevor sie das Zeitliche segnen. Hätte "Der Mastercode" gerade mal 200 Seiten, hätte das mit Sicherheit gereicht und der Leser müsste sich nicht mit stereotypen Worthülsen und -wiederholungen herum schlagen, die schlichtweg nerven und nur als Wortgerüst für ideenlose Action dienen.

Beim Lesen kam permanent das Gefühl auf, hier habe eine Gruppe Autoren konkrete Vorgaben bekommen und jeder davon hat ein Kapitel geschrieben und sämtliche Vorgaben nochmals wiederholt, damit zumindest in jedem Kapitel irgendwo dasselbe an Hintergrundinformationen steht und einen Zusammenhang bildet. Die Schmalspurspannung ist ein stetiges Auf und Ab, ohne jemals wirklich zu zünden und auch der Schluss ist unoriginell und vorhersehbar. Letztendlich bleibt durch schreiberische Mängel eine originelle Idee auf der Strecke, um die es wirklich schade ist.

Der Mastercode

Scott McBain, Droemer Knaur

Der Mastercode

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