617 Grad Celsius

  • Grafit
  • Erschienen: Januar 2005
  • 7
  • Dortmund: Grafit, 2005, Seiten: 317, Originalsprache
  • Daun: TechniSat Digital, Radioropa Hörbuch, 2008, Seiten: 9, Übersetzt: Horst Eckert
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Peter Kümmel
81°1001

Krimi-Couch Rezension vonFeb 2005

Brisant: Korruption in Politikerkreisen

Man kennt das ja schon von Horst Eckert, dass er seine Leser von verschiedenen Seiten an das Geschehen heranführt. Diesmal nutzt er zum Aufbau seines komplexen Plots gleich drei Zeitebenen.

Obwohl das Düsseldorfer Kommissariat KK11 in Eckerts Krimis die zentrale Rolle spielt, kann man seine Bücher nicht im gebräuchlichen Sinne als Serienkrimis bezeichnen, denn trotz Wiederauftauchens einzelner Charaktere fehlt ein fester Protagonist. Gar nicht so ungeschickt, denn wechselnde Hauptpersonen bieten Gelegenheit, dem Leser immer wieder Neues zu bieten. Andererseits ist durch das Auftauchen bekannter Figuren ein gewisser Wiedererkennungseffekt vorhanden, der den Leser bei der Stange hält.

Verschiedene Zeitebenen führen zum zentralen Geschehen

Teilten sich gelegentlich verschiedene Ermittler die Protagonistenrolle, so fällt diese hier einzig der Kommissarin Anna-Luna Winkler zu. Im in der Gegenwart spielenden Handlungsstrang - der Autor hat hier mit Mai 2005 leicht vorgegriffen - kehrt sie von einem zweijährigen EU-Einsatz aus Bosnien aufgrund der Erkrankung ihres Vaters vorzeitig zurück.

Annas Vater ist Bernd Winkler, mit dem der Roman im September 1976 - noch vor Annas Geburt - startet. Damals war Winkler auch noch Polizeibeamter und mit seinem Freund Michael Lohse auf Streifendienst. Seine Freundin hat ihn sitzenlassen und sich mit dem gemeinsamen Sohn dem Bhagwan angeschlossen, während Kollege Lohse mit seiner Karin glücklich verheiratet ist. Deren Sohn Daniel schließlich spielt die Hauptrolle im dritten Zeitstrang im Januar 2003.

Dies nämlich war der Zeitpunkt, an dem Daniel, aufstrebender Maler und homosexuell, bestialisch ermordet wurde. Der Täter war zwar schnell gefunden, doch sein Mitbewohner gab ihm ein Alibi, das er erst auf Nötigung von Anna widerrief. Dadurch und mit Hilfe einer Falschaussage von Daniels Mutter kam es zur Verurteilung eines Mannes, der - wie sich durch aktuelle Ereignisse herausstellt - vermutlich unschuldig war.

Der Fall führt in höchste Landespolitik

Anna hätte nach ihrer Rückkehr gerne noch ein paar Tage frei genommen, doch die Explosion eines Wohnhauses in der Düsseldorfer Innenstadt fordert ihren sofortigen Einsatz. Acht illegale Arbeiter aus der Ukraine kamen bei der Explosion des offiziell als leerstehend geltenden Hauses ums Leben. Im Keller am Zentrum der Explosion wird schließlich noch die Leiche des Videokünstlers Peter Uhlig entdeckt. Und dieser wiederum liefert eine Verbindung zum Mord an Daniel Lohse.

Bald entdeckt Anna, dass sie der Fall mitten in höchste Landespolitik führt und dass nicht nur ihr Vater, der mittlerweile Landtagsabgeordneter ist, sondern auch ihr Onkel, der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, ganz tief in die Geschehnisse verwickelt sind. Selbstverständlich sind Ähnlichkeiten mit lebenden Personen rein zufällig. Ich denke auch nicht, dass Eckert hier einzelne Politiker aufs Korn nehmen will, sondern allgemein die Bestechlichkeit und Rücksichtslosigkeit von öffentlichen Persönlichkeiten anprangert. Doch angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen kann man dem Roman eine gewisse Brisanz nicht absprechen.

Vollgepackte Story fesselt den Leser

Langweilig wird es einem bei Horst Eckert ganz sicher nicht. Seine Stories sind so vollgepackt, dass man da mit oberflächlich drüberlesen nicht weit kommt. Ist auch gar nicht notwendig, denn spätestens nach Erkennen der ersten Zusammenhänge ist man vom Geschehen voll eingenommen. Eckert hat bereits härtere Krimis geschrieben. dass er es diesmal vergleichsweise ruhiger angehen lässt, tut dem Lesevergnügen keinen Abbruch, zumal das Buch vollgestopft mit Emotionen ist.

Bei seinen Figuren gibt es keine sauberen Helden. Fast jeder hat Dreck am Stecken und persönliche Probleme. Das mag zwar realistisch wirken, doch scheint es ein wenig übertrieben. Wer glaubt, bei der Polizei oder in der Politik gäbe es keine schwarzen Schafe, der verschließt sich der Wirklichkeit, doch ob Korruption und illegales Handeln in diesen Kreisen so verbreitet ist, wie es uns der Autor glauben machen will, sei jetzt mal dahingestellt. Zumindest ist seine Erzählweise, die aktuelles Geschehen mit dem Privatleben seiner Ermittler verknüpft, angenehm zu lesen.

617 Grad Celsius

Horst Eckert, Grafit

617 Grad Celsius

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