Die stumme Bruderschaft

  • Audiobuch
  • Erschienen: Januar 2005
  • 7
  • Barcelona: Plaza & Janés, 2004, Titel: 'La Hermandad de la Sábana Santa', Seiten: 526, Originalsprache
  • Freiburg im Breisgau: Audiobuch, 2005, Seiten: 6, Übersetzt: Johannes Steck
  • Augsburg: Weltbild, 2006, Seiten: 411
  • München: Blanvalet, 2010, Seiten: 411
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Lars Schafft
72°1001

Krimi-Couch Rezension vonJan 2005

Eine historische Geschichte mit ganz laaangem Atem

Der Dom im italienischen Turin beherbergt eine der bedeutendsten Reliqien der katholischen Kirche - das Grabtuch Jesu Christi. Nicht zum ersten Mal wird ein Anschlag darauf verübt und nicht zum ersten Mal wird dieser vereitelt. Doch fordert der Brand im Turiner Gotteshaus diesmal ein Opfer. Und wieder - gerade das lässt die Ermittler um Marco Valoni grübeln - ist der Tote nicht zu identifizieren. Die Finger verätzt, die Zunge entfernt. So wie der Insasse im Gefängnis, der vor einigen Jahren in einem ähnlichen Zusammenhang gefasst worden ist und von dem die Polizei nichtmals weiß, ob er sie versteht. Für Valoni und Co. ist die Sache trotz fehlender Beweise klar: Eine im Untergrund operierende Gruppierung will ans Grabtuch oder es gar zerstören. Doch wer? Und warum gelingt es nie?

Der Erstling der Spanierin Julia Navarro "Die Stumme Bruderschaft" schlägt in die gleiche Kerbe wie Dan Brown mit seinen Mystery-Kirchen-Thrillern, vor allem wie mit Sakrileg. Doch ist nur das Thema, das die Spanierin und der US-Amerikaner ihren Romanen zu Grunde legen, vergleichbar. Zwar gelang es Senora Navarro Dan Brown vom Bestseller-Thron in Spanien zu verdrängen, doch geht sie das die biblische Geschichte als Motiv für aktuelle Verbrechen komplett anders an. Weitaus weniger reisserisch, weniger auf den Kino-Erfolg schielend und vielleicht sogar etwas fundierter. Zu Lasten der Spannung. Denn "Die Stumme Bruderschaft" überzeugt eher als Historien-Epos denn als atemberaubender Thriller.

Ein Historien-Epos über 2000 Jahre

Nicht dass "Die Stumme Bruderschaft" nicht mitzureissen vermag. Aber der Roman tut dies auf eine komplett andere Art und Weise. Im Vordergrund stehen nicht wie offensichtlich ein Ermittlerteam aus Turin sondern ganz und gar die Geschichte des Grabtuches. Julia Navarro nimmt den Leser dazu mit auf eine Zeitreise und fängt zu Zeiten Jesu an und folglich mit dem erstmaligen "Auftreten" des Grabtuches an.

Im heute türkischen Edessa regiert ein schwer erkrankter König, der in Jesus seine letzte Hoffnung sieht. Diese schwindet ihm jedoch bei Jesus´ Kreuzigung, findet aber neuen Auftrieb, als sein Schreiber Josar, ein bekehrter Christ, das Grabtuch nach Edessa bringt. Und tatsächlich: König Abgarus wird durch das Tuch geheilt, woraufhin Edessa eine der ersten christlichen Bastionen der Geschichte wird. Und die lange Geschichte des Grabtuches ihren Anfang nimmt. Abgarus´ Sohn Maanu ist dem neuen Glauben und vollzieht nach seines Vaters Tod ein blutiges Gemetzel in Edessa, vor allem mit dem Ziel das Grabtuch zu zerstören. Wären ihm da nur nicht die Jünger Josar, Thaddäus sowie Abgarus´ Hofarchitekt zuvor gekommen. In weiser Voraussicht versteckten sie es und schützten das Geheimnis dadurch, dass sie sich selbst die Zunge entfernten, um selbst unter ärgster Folter nichts zu verraten. Sollte daraus etwa ein Geheimbund entstanden sein, der 2000 Jahre überdauert hat und sich immer noch als einzig legitimierter Aufbewahrer des Grabtuches auffasst?

Welche Rolle spielen die Templer?

Von dieser Vorgeschichte ahnen die Ermittler in Turin jedoch noch gar nichts. Auch nichts davon, dass zur Zeit der Kreuzzüge die Tempelritter das Grabtuch in Besitz nehmen und über lange Zeit behalten sollten. Spätestens wenn Autorin Navarro die biblische Geschichte verlässt und ins junge Mittelalter springt um dem Grabtuch auf seiner Reise durch Europa zu folgen wird dem Leser klar, was in Turin wirklich gespielt wird. Und er fragt sich: Ist diese Geschichte nicht ein wenig zu abenteuerlich, zu sehr an den Haaren herbeigezogen? Wo und wie scharf ist die Grenze zwischen historischen Überlieferungen und Fiktion?

Trotz dieser Zweifel können vor allem die historischen Kapitel, die Julia Navarro mehr als gleichberechtigt in den Plot um die Anschläge auf den Turiner Dom einwebt, fesseln. Ihre Schilderung von mittelalterlichen Intrigen, Verfolgungen und Schlachten drängen allerdings das "aktuelle" Geschehen in den Hintergrund. Zwar muss man der Autorin zu Gute halten, dass sie sich um ihre Figuren wie Kommissar Marco Valoni oder insbesondere dessen überqualifizierte Kollegin Sofia Galloni und die junge Journalistin Aná Jiménez bemüht und sie im Gegensatz zu Dan Brown sogar recht plastisch zeichnet. Auch das dass sie beim Finale weitaus weniger übertreibt als der Amerikaner und auf ein Hollywood-Happy-End verzichtet, wird den etwas anspruchsvolleren Leser erfreuen.

Der rote Faden zu lang und zu schlaff gespannt

Unterm Strich ist "Die Stumme Bruderschaft" allerdings nicht der Thriller, als der sich der Roman anfänglich ausgibt. Dafür sind die Rückblenden zu ausführlich - wenn auch nicht langatmig! - und der rote Faden ist mit einem Lauf über 2000 Jahre dann doch etwas zu lang und zu schlaff gespannt. Weniger Thriller, dafür viel historischer Hintergrund mit einer gehörigen Prise Abenteuer. Julia Navarro wird damit durchaus ihre Leser finden, die sie über mehr als 400 Seiten gut und lehrreich ohne zu belehren unterhält. Fans von Dan Brown werden "Die Stumme Bruderschaft" aber weniger abgewinnen können. Was, seien wir ehrlich, kein Kriterium dafür sein kann, ob Julia Navarro ein guter Roman geglückt ist. Das ist ihr nämlich durchaus - wenn auch nicht der Thriller, den viele Leser erwarten, wenn sie das Buch in die Hand nehmen.

Die stumme Bruderschaft

Julia Navarro, Audiobuch

Die stumme Bruderschaft

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