Das falsche Rot der Rose

  • Europa
  • Erschienen: Januar 2004
  • 4
  • Hamburg; Leipzig; Wien: Europa, 2004, Seiten: 381, Originalsprache
  • München; Zürich: Piper, 2006, Seiten: 378, Originalsprache
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Peter Kümmel
90°1001

Krimi-Couch Rezension vonNov 2004

Ein provokantes, aber tiefgründiges Werk

In einer nahen Zukunft: Auf dem G-10-Gipfel in Toronto haben sich Staats- und Regierungschefs - 30 der wichtigsten Männer und Frauen der Welt - zum Gruppenfoto aufgestellt, als plötzlich einer der kanadischen Wachsoldaten mit einer Maschinenpistole in die Gruppe feuert. Der zweite Wachmann reagiert spät, und so sterben über zwanzig Politiker bei diesem schlimmsten Terroranschlag seit dem 11. September 2001, bevor der Attentäter selber getötet wird.

Für die CIA und ihre Anti-Terror-Organisation CTC steht fest, dass sie es hier mit dem ersten islamistischen Selbstmordattentäter der westlichen Welt zu tun hat. Wie man feststellt, hatte der Wachmann im Urlaub Kontakt mit dem saudischen Scheich Aziz. Das Regime von Saudi-Arabien steht bereits seit langem auf der Abschussliste der USA und so kommt der Anschlag gerade recht, um einen geplanten Angriff auf Saudi-Arabien zu rechtfertigen. Der ehemalige Agent und jetzige College-Dozent Hamlet Müller wird reaktiviert, um bei der Beweisfindung mitzuwirken.

Sind die USA mit ihren Versuchen zur Bewusstseinsmanipulation voran gekommen?

Aber noch eine zweite Anti-Terror-Organisation befasst sich mit dem Attentat: Die Ermittlerin Senait Darod führt Untersuchungen für die den Vereinten Nationen unterstehende UNANTEF aus und kommt zu völlig anderen Ergebnissen. Nach ihrer Meinung wurde der Anschlag von der CIA selber initiiert, um einen Kriegsgrund vorweisen zu können. Sie hat Informationen, dass die USA ihre Versuche zur Bewusstseinsmanipulation aus den 60er Jahren mit Hilfe der Nanotechnologie vervollkommnet hat.

Auch wenn die Autoren die Hauptschauplätze ihres Polit- und Wissenschaftsthrillers in die Vereinigten Staaten verlegt haben, unterscheidet sich "Das falsche Rot der Rose" doch grundlegend von spannenden Thrillern nach amerikanischer Machart. Johler und Stahl betreiben hier keine Schwarz-Weiß-Malerei mit stereotypen Charakteren, sondern stellen differenziert verschiedenste Standpunkte dar. Sehr subtil gehen sie auf die Schuldfrage ein und zeigen auf, dass die Thematik weitaus tiefgründiger ist als sie auf den ersten Blick erscheinen mag.

Keine amerikanische Machart - aber ein Pageturner

Trotz vieler Fakten und Theorien wird der Roman zu keiner Zeit langweilig. Ständige Schauplatz- und Perspektivwechsel sowie ein hohes Erzähltempo sorgen dafür, dass das Buch immer mehr zum Pageturner wird. Überraschende Wendungen sind wohl dosiert eingesetzt und kommen genau zum richtigen Zeitpunkt. Und mit einer nicht erwarteten Pointe haben sie auch die Klippe eines guten Abschlusses gemeistert.

Die Charaktere sind hervorragend herausgearbeitet und vielschichtig angelegt. Wissenschaftlichliche Themen werden grundlegend gut erklärt, doch sollte man sich immer vor Augen halten, dass die im Roman beschriebenen Anwendungen reine Fiktion sind und die Nanotechnologie die beschriebenen Möglichkeiten (noch?) nicht bietet. Doch auch, wenn es Fiktion ist, es könnte in ähnlicher Form durchaus realistisch sein.

Johler & Stahl beweisen hier, dass sich deutsche Hochspannungesliteratur nicht vor der Amerikanischen verstecken muss. Im Gegenteil: Sie zeigen, dass spannende Thriller nicht banal sein und auch nicht zwingend eine Liebesgeschichte beinhalten müssen, obwohl als Protagonisten ein Mann und eine Frau fungieren. Verschiedenste Themen hat das Autorenpaar sinnvoll verknüpft und ein durch den Bezug zur aktuellen Weltpolitik zwar provokantes, aber vor allem tiefgründiges Werk verfasst, mit dem sie sicherlich bei manchen anecken werden, aber vor allem zum Nachdenken anregen. Kleine Fehler und Unglaubwürdigkeiten werden wie immer gerne verziehen, wenn der Rest stimmt. Und das tut er hier allemal.

Das falsche Rot der Rose

Jens Johler, Europa

Das falsche Rot der Rose

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