Die Männer vom Revier Tief-Ost

  • Chemnitzer Verlag
  • Erschienen: Januar 2004
  • 1
  • Chemnitz: Chemnitzer Verlag, 2004, Seiten: 367, Originalsprache
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Johannes Fischer
1001

Krimi-Couch Rezension vonNov 2004

Auf die Höhen der Action-Komödie hochgegaukelt

Wenn Polizeiobermeister Schröder (kurz POM Schröder) auch nur die Spur einer Ahnung gehabt hätte, welch abenteuerliche und zugleich gefährliche Geschichte sich aus dem Besuch auf dem Nacktflohmarkt entwickelt, er hätte vermutlich kurz vor der Rente seine vorzeitige Entlassung beantragt. Aber POM Schröder konnte es gar nicht ahnen. Zum einen, weil er ist wie er ist. Nämlich ein - scheinbar - phantasieloser und überbequemer Beamte aus dem Revier Tiefost, dem der eigene Kleingarten sehr viel näher ist als das Schicksal der Menschen. Zum anderen, weil er als Beamter in eben diesem Revier seinen Dienst absitzt - in der tiefsten Provinz des deutschen Ostens, die in der DDR-Zeit auch "Tal der Ahnungslosen" genannt wurde, weil es nahe der polnischen Grenze keinen Empfang des deutschen West-Fernsehens gab.

Der Fantasy-Krimi von Mario Ulbrich spielt aber in der Gegenwart. Und der Leser muss nicht einmal zwei Seiten in dem Buch lesen, um zu wissen, welche Art von Krimalgeschichte ihn erwartet: Ein Thriller "zum Totlachen", wie der Chemnitzer Verlag das 2004 erschienene Erstlingswerk Ulbrichs ankündigt. Vorsicht also, denn das Werk hält, was es verspricht. Wenn Matthew Reilly - eines der literarischen Vorbilder Ulbrichs - der König des Action-Thriller ist, dann ist Ulbrich sein missratener Sohn, ein Kronprinz, der sich die Narrenkappe angezogen und in die Höhen Action-Komödie emporgegaukelt hat.

Keine Seite ohne Witz, das ist garantiert. Eingefleischte Leser, die mal Urlaub von verzwickten Kriminalfällen und psychopathischen Mördern brauchen, werden von den naiven, aber durchaus erfolgreichen Polizisten vom Revier Tief-Ost auf Lachkrampf getrimmt. Der Prolo-Bulle Drombusch, die stets haarscharf daneben liegenden Kripo-Beamtin Margitta Mehlhorn, der schräge Verschwörungstheoretiker Ralf Spinowski, der undurchschaubare Kaffeekassenknacker Schlieder und der Pate der sibirischen Mafia Boris Wladimirow sorgen für alles, was der Leser für ein paar gute Unterhaltungsstunden braucht: Action, Spannung, Fantasy und viele Lachkrämpfe:

 

Der böse Mann roch wie eine Gyrosküche, kurz bevor sie von Mitarbeitern des Hygieneamtes gestürmt wurde. Wenn der Mann grinste, sah man, dass er seinen Zahnarzt vor vielen Jahren beseitigt haben musste.

 

Ulbrich, der als Reporter bei der Freien Presse in Chemnitz arbeitet und bereits einige Kurzgeschichten in verschiedenen Satireblättern veröffentlichte, scheut sich in seinem Roman-Erstling nicht, die vielen unausgesprochenen Vorurteile und Klischees der deutschen Gesellschaft auszusprechen, die in der Sprachwelt der politischen Korrektheit nie öffentlich ausgesprochen, wohl aber gedacht werden. Polizisten sind doof, Moslems und Juden suspekt, Osteuropäer dumpf und gewalttätig. Sie alle befinden sich auf der Jagd nach einem Geheimnis, welches sie in jenes Polizeirevier führt, in dem alles geregelt aus dem Ruder läuft. Nichts ist dem Autor heilig. Die Karikaturen von dem Schwarzenberger Künstler Ralf Alex Fichtner (Künstlerkürzel: RAF) geben dem Hohn, den Ulbrich über die deutsche Gegenwart ausgießt, die letzte Würze.

Bei aller Komik ist der Roman gut durchstrukturiert. Manche Gags zünden gleich, andere bereitet Ulbrich sorgsam vor, um sie zehn, zwanzig oder gar fünfzig Seiten später hochgehen zu lassen. Mehrere größere Actionszenen steigern den Unterhaltungswert, allerdings muss der Leser sich auch ein wenig auf die wilden Verschwörungen und aberwitzigen Gestalten, die in einem tiefen Bunker auf ihn warten, einlassen. Realistisch scheint in diesem Buch kaum etwas zu sein. Dennoch wird der Leser das Gefühl nicht los, dass es so ähnlich im tiefen Osten Deutschlands - und womöglich auch weiter westwärts - genau so zugeht.

Die Männer vom Revier Tief-Ost

Mario Ulbrich, Chemnitzer Verlag

Die Männer vom Revier Tief-Ost

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