Tod eines Tenors

  • btb
  • Erschienen: Januar 2003
  • 4
  • New York: St. Martin’s Press, 1999, Titel: 'Evanly Choirs', Seiten: 256, Originalsprache
  • München: btb, 2003, Seiten: 254, Übersetzt: Barbara Häusler
Tod eines Tenors
Tod eines Tenors
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Thomas Kürten
74°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2004

Pavarotti lässt grüßen

Wales ist auf der Krimi-Landkarte unterrepräsentiert. Kein Wunder, denn allein die Ortsnamen sind reinste Zungenbrecher und es gehört schon eine gewaltige Portion Masochismus dazu, wenn ein Autor freiwillig eine ganze Fülltüte von walisischen Wörtern über einen Roman verstreut. Rhys Bowen ist eine solch furcht- und schmerzlose Autorin, die nach einer Reise durch Wales einst beschloss, hier eine kleine Krimiserie zu platzieren, deren Titel in den englischen Originalversionen mit dem Namen ihres Protagonisten Evan Evans spielen. Ihr deutscher Verlag hat sich offenbar entschlossen, die Wortspielchen nicht ins Deutsche zu übernehmen, denn der erste auf Deutsch vorliegende Roman, im Original "Evanly Choirs", heißt hierzulande trist "Tod eines Tenors".

Evan Evans ist Dorfpolizist im ruhigen, stillen, abgelegenen Dörfchen Llanfair im walisischen Hochland. Jeder kennt hier jeden und es fällt eigentlich sofort auf, wenn Fremde oder Touristen sich hierhin verirren. Diese Beschaulichkeit ist es, die den weltberühmten Tenor Ifor Llewellyn veranlasst, an die Stätte seiner Kindheit zurück zu kehren, um hier die Ruhe des Sommers zu genießen und sich auf Anraten seines Arztes ein paar Wochen vom Bühnenstress zu erholen.

Sein Jugendfreund Mostyn Phillips leitet den Chor des Dorfes und Ifor beschließt, beim nächsten anstehenden Sangeswettstreit, dem Eisteddfod in Harlech, den Chor zu verstärken. Während der Vorbereitung wirft der Startenor das komplette Programm des Chores um. Auch sonst scheint er eine recht streitbare Persönlichkeit zu sein, denn seine Nachbarn hören öfters den Streit zwischen Ifor und seiner Ehefrau, aber auch anderen Leuten, die sich in der Dunkelheit auf seinem Anwesen herumtreiben. Am Vorabend des Eisteddfod findet Evan Evans den Tenor tot vor dem Kamin im Wohnzimmer. Und bald stellt sich heraus, dass es kein Unfall war.

Ein Dorf voller Evans

Der Roman ist chronologisch eigentlich der dritte aus einer ganzen Reihe von Romanen um Evan Evans. Das ist stellenweise schade, denn viele Figuren, insbesondere Evan haben eine gewisse Vorgeschichte, die man in einigen Passagen besser kennen möchte. Auch bei anderen Serien wurde von deutschen Verlagen so vorgegangen, dass zunächst mit einem starken Roman der Markt getestet wurde und anschließend die Reihe in der richtigen Folge publiziert wurde.

Die Figuren sind die große Stärke an diesem Roman. Alle ein wenig kauzig, verschroben, liebenswert, jeder mit seinen ganz eigenen Macken und viele mit dem gleiche Namen. Im Dorf gibt es Evans-der-Metzger, Evans-der-Briefträger, Evans-das-Gesetz (so wird der Protagonist von den anderen Dorfbewohnern genannt) oder aber auch Harry-der-Pub und Austin-Mostyn. Aber alleine diese Namensauswahl zeigt schon, wie eng die Dorfgemeinschaft miteinander verbunden ist und lässt erahnen, wie schwer sich hier etwas geheim halten lässt. Hinzu kommt der herzhafte Konkurrenzkampf der beiden Dorfpfarrer, die sich sogar um den Preis des besten Barden beim Eisteddfod bewerben. Ganz wunderbar wird auch geschildert, wie der Dorfpolizist an die richtige Frau gebracht werden soll und dabei eigentlich immer wieder über seine eigenen Füße (bzw. Vergangenheit) stolpert.

Llanfair = walisisches St. Mary Mead?

Der Fall selber kommt erst in Gang, nachdem die Autorin gewaltig Atmosphäre aufgebaut hat und dabei zwei Vorkommnisse schildert, die zunächst anscheinend nichts mit dem eigentlichen Verbrechen zu tun haben. Da nur Evans-das-Gesetz davon Kenntnis hat, kann eigentlich auch nur er und keiner seiner hochrangigen Kollegen aus dem nahen Caernarfon diesen Geschehnissen auf den Grund gehen. Schade eigentlich nur, dass sich am Ende der erste Verdacht, den man als Leser hegen kann, bewahrheitet.

Ein Page-Turner in Sachen Action und Spannung ist dieser Roman sicherlich nicht, war aber auch schon aufgrund des Titels nicht unbedingt zu erwarten gewesen. Es ist eine rundum nette, flüssig erzählte und mit der nötigen kleinen Prise Humor erzählte Geschichte über eine zufriedenen Dorfpolizisten, der eigentlich zu höheren Ämtern berufen wäre, in einem Dorf, dass ganz unvermittelt an ein anderes britische Krimi-Dörfchen erinnert: St. Mary Mead. Tod eines Tenors ist ein Appetitanreger, der Goldmann Verlag darf gerne weitere Romane Rhys Bowens in deutscher Übersetzung nachlegen.

Tod eines Tenors

Rhys Bowen, btb

Tod eines Tenors

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