Die russische Spende

  • Leiben
  • Erschienen: Januar 2001
  • 5
  • Berlin: Leiben, 2001, Seiten: 317, Originalsprache
  • München; Zürich: Piper, 2003, Seiten: 316, Originalsprache
  • Daun: TechniSat Digital, Radioropa Hörbuch, 2006, Seiten: 8, Übersetzt: Ralph Richter
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75°1001

Krimi-Couch Rezension vonSep 2003

Eine Mixtur aus Krankenhausalltag, detektivischem Gespür intelligent eingestreuten coolen Highlights

Der Roman ist in der "Ich-Form" geschrieben, die Hauptperson, Dr. Felix Hoffmann, ist gleichsam Erzähler.

Spielberg bedient sich der einfachen Erzählsprache, die teilweise mit vielen Fachbegriffen und Bezeichnungen durchsetzt ist und damit Authentizität und Atmosphäre fördert. Wenig bildreich, eher sachlich und mit wenigen Stilmitteln (außer ein paar rhetorischen Wiederholungen) angereichert, jedoch mit viel Witz und coolen Sprüchen garniert.

Die Exposition beginnt mit der Einlieferung eines Patienten (Mischa), der bereits tot ist oder während der Aufnahme in der Klinik verstirbt. Nie hätte ich gedacht, dass so etwas für irgendwen von Bedeutung sein kann, doch bereits hier wird klar, dass die Geschichte nur von einem Insider erzählt werden kann. Und genau das macht diese Story aus. Bis zum ersten Plotpoint - dem Verschwinden des Totenscheines und Mischas Leiche - werden dem Leser so viele interessante Informationen aus dem Klinikalltag deutscher Krankenhäuser in einer bestechenden Authentizität nahe gebracht, dass schon alleine diese Passagen Lust auf das Buch machen. Zwar möglicherweise nahe am Abgrund des Klischees flanierend, handelt es sich um einen Roman, der durchaus real und glaubhaft wirkt - und ich finde, das alleine zählt.

Ist der Leser dann erst einmal in diesem Netz von lustlosen Ärzten, übereifrigen "AIPlern" (Ärzte im Praktikum) und ungeduldigen Schwestern gefangen, und sein unstillbarer Hunger nach mehr Krankenhausatmosphäre geweckt, übersteht er auch die etwas langweilig geratene Überleitung in den Mittelteil.

Die Frage nach dem "Warum wurde der Totenschein, ausgestellt von Dr. Felix Hoffmann, durch einen anderen ersetzt?", ist der Antriebsmotor und Ankerpunkt für den Spannungsaufbau im weiteren Plot. Die anfänglichen erfolglosen Ermittlungsversuche des Arztes bringen eine gewisse Leere in die Story, die aber durch das Auftauchen von Celine - der zweiten Hauptfigur und überaus sympathisch, wie intelligenten Gehilfin des Ermittlers - wieder Tempo und spannungssteigernden Aufwind erfährt.

Als dank der fachlichen Kompetenz Celines im Umgang mit Computern erste wesentliche Indizien für ein raffiniert geschmiedetes Komplott, ausgeheckt durch den Verwaltungsdirektor, Dr. Bredow, dem Chefarzt, Dr. Dohmke, und weiteren bislang noch unbekannten Personen, ans Tageslicht kommen, kehren auch wieder Tempo und Spannung in die Geschichte zurück. Der vermeintliche Selbstmord des Verwaltungsdirektors, Dr. Bredow, ist dann allerdings ein geschickt eingefädelter Überraschungsmoment des Autors, der damit die Story mit neuem Drive und neuen Impulsen würzt, denn gerade glaubte ich (etwa Seite 129) die zwischenzeitig sehr linear verlaufende Geschichte durchschaut zu haben. Doch nichts ist es mit meinen Phantastereien. Eine andere Lösung wartet wohl im Verborgenen.

So ermitteln Dr. Hoffmann und Celine unter Einbeziehung ihrer Bekannten - dem selbstständigen Leiter eines Labors und einer Steuerfachgehilfin - weiter und decken immer mehr Verbindungslinien auf, bis wir uns schließlich mit mehr Informationen versehen, wieder auf unserer anfänglichen Spur einfinden. Die Verschleierungstaktik des Autors half über weitere Seiten hinweg und ließ keine Langeweile aufkommen, denn Dr. Hoffmann muss eindrucksvoll erkennen, dass seine Schnüffeleien keineswegs ungefährlich sind.

Den entscheidenden Hinweis liefert dann Dr. Hoffmanns ehemalige Freundin Margret (die Chef-MTA und Geliebte Bredows), wenngleich sie zunächst auch ein falsches Spiel spielt.

Auf Seite 289 ist es dann soweit, der Plotpoint 2 wird erreicht. Die Geschichte steht vor der endgültigen Auflösung.

Doch hier legt der Autor noch einmal kräftig zu. Ich war zwar von der Auflösung der Story nicht mehr wirklich überrascht, doch eben die nachfolgenden knapp 25 Seiten zeigen die wahre Klasse des Schriftstellers. Nicht etwa das Schnappen von Handschellen, der fahle Schein rotierender Blaulichter in der Nacht und das brummige "Danke" eines Kommissars bereitet nun in kurzer Form der Erzählung ein aufgelöstes Ende - nein, es geht eindrucksvoll mit einem echten Gewissenskonflikt der Hauptperson weiter. Soll er seine Beweise der Polizei übergeben und letztlich und ultimativ eine Serie von Verhaftungen auslösen? Gleichsam aber damit die Existenz des Krankenhauses, seinen eigenen Job und den von weiteren fünfhundert Kolleginnen und Kollegen aufs Spiel setzen?

Er geht einen anderen Weg, einen guten, raffinierten, einen intelligenten, wenn auch gefährlichen Weg, denn am Ende rückt er auf seine Weise alles wieder ins Lot.

Jeder, der einen Beruf ausübt, kennt das Gefühl der langweiligen, immer wiederkehrenden Routine. Auch unsere Ärzte sind davor nicht gefeit. Doch der Gedanke in einer Klinik auf solche Typen zu treffen, wie in diesem Roman geschildert, ist der Förderung eines Heilungsprozesses nicht gerade zuträglich. Dennoch ist es immer interessant, wenn ganz bestimmt Berufsgruppen - wie z.B. Ärzte - aus dem Nähkästchen plaudern. Ich möchte behaupten, dass gerade daraus der Roman zum Großteil seine Spannung und damit auch den Lesewillen des Bücherwurmes gewinnt. Das Plot ist ansonsten nur durchschnittlich und etwas zu linear und einfach gestrickt. Doch letztlich ist es die Mixtur aus Krankenhausalltag, detektivischem Gespür der Hauptpersonen und die teils intelligent eingestreuten coolen Highlights (Sprüche), die in ihrer Gesamtheit die Höhe der Messlatte bestimmen. Und hier sei angemerkt, dass die Messlatte deutlich über Durchschnitt liegt.

Die russische Spende

Christoph Spielberg, Leiben

Die russische Spende

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