Down Cemetery Road
- Diogenes
- Erschienen: Oktober 2025
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Spannender Genre-Mix mit Humor und feiner Gesellschaftskritik.
Die Geschichte beginnt im wahrsten Sinne des Wortes mit einem großen Knall: Während Sarah Tucker mit ihrem Mann Mike eine kleine Dinnerparty gibt, erschüttert eine laute Explosion in der Nachbarschaft den beschaulichen Vorort im Süden Oxfords. Zwei Erwachsene sterben, ein kleines Mädchen verschwindet spurlos. Sarah kennt keines der Opfer. Doch die gelangweilte Hausfrau, gefangen in einem Eheleben, das sie sich vollkommen anders vorgestellt hat, kann die Geschehnisse nicht loslassen und beginnt auf eigene Faust zu ermitteln. Besonders das Schicksal des kleinen Mädchens berührt sie sehr. Daher engagiert sie den Privatermittler Joseph Silvermann, um ihr zu helfen. Was als Suche nach einem vermissten Kind beginnt, entwickelt sich schnell zu einem komplexen Netz aus Verschwörungen, Regierungsgeheimnissen und Gewalt. Als Silvermann plötzlich tot aufgefunden wird, muss Sarah erfahren, dass auch ihr Leben in großer Gefahr ist.
,,Slow-Horses''-Autor
,,Down Cemetery Road" ist Mick Herrons Debütroman und der erste Band seiner Oxford-Krimi-Reihe um die Privatdetektivin Zoë Boehm, die im ersten Fall aber erst sehr spät eine zentrale Rolle einnimmt. Im Zentrum der Handlung steht eigentlich Sarah Tucker. Der Untertitel ,,Zoë Boehm ermittelt in Oxford" ist beim ersten Band eher als Hinweis darauf zu verstehen, dass die Detektivin auch in weiteren Romanen auftritt, bei denen sie dann zur wahren Titelheldin aufsteigt.
Der Roman, der 2003 im Original erschien, ist eine fesselnde Mischung aus Krimi, Geheimdienstthriller und Gesellschaftsroman, der durch seinen scharfen Blick für das Abgründige im Alltag und seinen trockenen Humor besticht. In Großbritannien erschienen bis 2009 insgesamt vier Bände der Reihe. Der Schweizer Diogenes Verlag veröffentlicht Herrons Debütroman nun erstmalig ins Deutsche. Hierzulande kennt man den englischen Autor Mike Herron bereits seit vielen Jahren wegen seiner erfolgreichen Slow-Horses-Reihe um den Geheimagenten Jackson Lamb, die ebenfalls im Diogenes Verlag erschienen ist.
Aktuell ist bei Apple TV+ die siebenteilige Serie zu ,,Down Cemetery Road'' zu sehen, bei der Emma Thompson die Rolle der Zoë Boehm spielt.
Schwarzer Humor und Brutalität
,,Down Cemetery Road" ist ein durchweg spannender und intelligenter Thriller. Dabei wechselt Mike Herron gerade zu Beginn unentwegt zwischen Spannung, Gesellschaftssatire und Hipster-Story. Dabei zeichnet sich der Roman vor allem durch viel subtilem Humor, feinem Wortwitz, brillanten Dialogen und einem immer wieder überraschenden Plot aus, der auch nicht an tiefsinnigen Passagen und jeder Menge Gesellschaftskritik spart. Außergewöhnlich ist sicherlich auch die Figurendarstellung, die stets sehr genau und gleichzeitig extrem ambivalent ausfällt. Aber auch das macht den besonderen Reiz des Romans aus. Obwohl die Geschichte von Beginn packend erzählt wird, fragt man sich als Leser zuweilen, ob es sich nicht eher um eine Persiflage auf Agenten- und Geheimdienstromane handelt. Dies mag vor allem am Humor und den mitunter etwas eigenwilligen Figuren liegen. Spätestens aber, wenn Herron mit recht drastischen Szenen, Brutalität und erschreckenden Hintergrundgeschichten regelrecht zu schocken weiß, merkt man, wie ernst es dem Autor ist. Daher bleibt dem Leser - etwa in Bezug auf die Rolle Großbritanniens im Irak-Krieg - das Lachen im Halse stecken.
Scharfsinnige Analyse
Mike Herron ist ein exzellenter Beobachter menschlicher Schwächen und alltäglicher Absurditäten, die man im Kleinen erkennt (Etwa die Diskussion zwischen Sarah und ihrem Mann Mike, wohin die Zahnseide im Haus gehört - Was später sogar noch wichtig wird!). Dies gilt ebenso für das bürgerliche Leben Sarahs und ihrer Freunde wie auch für die Welt der Geheimdienstmitarbeiter und Agenten. Denn auch hier zeigt Herron in einer sehr genauen Figurenzeichnung, dass diese auch nur Menschen und keine Superhelden sind. Man mag als Leser ab und an etwas geneigt sein, bei dem nicht immer vorhandenen Spannungsbogen oberflächlicher zu lesen. Das sollt man aber vermeiden: Zum einen sind alle Kapitel auf ihre Weise besonders und lesenswert, zum anderen ist Herron ein gewiefter Autor, der den Leser immer wieder überrascht, ja regelrecht überrumpelt und damit ins Staunen versetzt.
Fazit
Obwohl der Roman in seiner Komplexität vielleicht noch nicht ganz an die späteren ,,Slow Horses"-Romane heranreicht, zeigt er dennoch bereits das große Talent Herrons für atmosphärische Dichte und undurchsichtige Geheimdienstintrigen. Ein in vielerlei Hinsicht ungewöhnlicher, aber gerade deswegen sehr lesenswerter Roman.

Mick Herron, Diogenes

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