Der Inselcop von L. A. - Der erste Fall für Detective Stilwell

Das erste Sommerwochenende steht auf der kleinen Pazifikinsel St. Catalina Island, etwa 35 Kilometer vor der Küste Los Angeles, an - einem Hotspot vor allem für wohlhabende Besucher. Am heutigen Memorial Day strömen zahlreiche Ausflügler vom Festland auf die Insel, deren örtliche Polizeiwache seit gut einem Jahr Detective Stilwell vom Los Angeles County Sheriff’s Department leitet. Auf Catalina Island geht es eher gemächlich zu: statt mit Morden schlägt sich der Detective mit Ordnungswidrigkeiten, Trunkenheit am Steuer, Golf-Cart-Diebstahl oder Taschendieben herum. Während Stillwell einem Fall von Wilderei im Naturschutzreservat der Insel nachgeht, erhält er die Nachricht, dass man am Grund des Hafens in Avalon eine Leiche gefunden hat: in einem Plastiksack verpackt und mit einer Ankerkette beschwert. Niemand scheint die tote Frau mit der lilafarbenden Haarsträhne zu kennen oder zu vermissen. Gleichzeitig muss Stillwell auch noch das Rätsel um eine gestohlene Skulptur aus dem elitären Black Marlin Club aufklären. Mit der Gemütlichkeit scheint es erst einmal vorbei. Während seiner Ermittlungen in den drei Fällen bekommt es Stillwell nicht nur mit eiskalten Killern, sondern auch mit arroganten Kollegen und korrupten Politikern zu tun. Doch auch einen Inselcop sollte man nicht unterschätzen.

Meister des US-Krimis

Der US-amerikanische Krimiautor Michael Connelly ist mit über 89 Millionen verkauften Büchern in 45 Sprachen einer der erfolgreichsten Spannungsschriftsteller weltweit. Es gibt kaum einen literarischen Preis, den Connolly nicht gewonnen hat. 1956 geboren, wuchs er in Florida auf, wo er als Journalist arbeitete, bis ihn die Los Angeles Times als Polizei- und Gerichtsreporter in die Stadt holte, in der sein literarisches Idol Raymond Chandler seine Romane um den Privatdetektiv Philip Marlowe spielen ließ, was Connelly ihm später gleichtun sollte. 1992 erschien mit „The Black Echo“ der erste Band seiner erfolgreichen Krimireihe mit dem Polizeibeamten Hieronymus „Harry“ Bosch, dem bis heute zwanzig weitere Romane sowie einige Kurzgeschichten und lose Erzählungen folgten.

Im Kampa Verlag, bei dem nun auch Connellys neue Reihe um den Inselcop Stillwell veröffentlicht wird, erscheinen neben den Fällen des legendären Ermittlers Harry Bosch und der Nachtschicht-Detective Renée Ballard auch Connellys Romane mit Jack McEvoy und Michael „Mickey“ Haller.

Getriebene und Suchende

Eines haben alle Helden der Krimireihen Connellys gemeinsam: Sie sind Gerechtigkeitssuchende, die ungeachtet der Risiken, die sie eingehen müssen, ihrem inneren Antrieb, ihrer Berufung als Ermittler treu bleiben. Dieses moralische Dilemma zwischen Gerechtigkeit und Gesetzestreue zeigt sich auch in Connellys neuem Roman und gilt ebenso für Detective Stillwell, dessen Vorname man als Leser nicht erfährt und der aus sonst noch einige biografische Lücken aufweist. Er versieht seinen Dienst auf einer scheinbar beschaulichen Pazifikinsel. Doch der Cop ist nicht ohne Grund auf Catalina Island: Nach internen Querelen mit seinem Kollegen Ahearn, dem er unsaubere Ermittlungsarbeit vorwarf, wird er von seinem Chef aus dem Verkehr gezogen und auf die Pazifikinsel versetzt. Nun übernimmt ausgerechnet der arrogante und selbstsüchtige Ahearn die Ermittlungen im Mordfall der toten Unbekannten. Doch geht Stillwell gegen den Willen seines Chefs seinen eigenen Spuren nach.

Der Ort als Hauptfigur

Der Roman versprüht seine ganz eigene Atmosphäre, auch weil es der Autor versteht, in wenigen Worten, aber mit viel Liebe für das Detail das Leben auf der Insel und seiner Bewohner authentisch darzustellen. Die Handlung vor der Inselkulisse erinnert auch deshalb an Serien wie Magnum oder Death in Paradise, die Darstellung und Coolness des Protagonisten an den 80er-Jahre Quotenhit Miami Vice. Michael Connelly besitzt ein feines Gespür für starke, unverwechselbare Charaktere. Mit Stilwell entwickelt er eine kluge, entschlossene Figur, die sich vor allem von ihrem Gerechtigkeitssinn und ihrer Moral leiten lässt. Der Cop brennt für seinen Beruf - sehr zum Leidwesen seiner Partnerin Tash, die er immer wieder aufgrund seiner Ermittlungen versetzt und ihr damit vor den Kopf stößt.

Die Arbeit Stillwells beschränkt sich aber keineswegs auf Catalina Island. Auch wenn die Handlung überwiegend auf der Pazifikinsel spielt, führt ihn die Suche nach den Tätern auch immer wieder aufs Festland.

Großartige Erzählweise

Drei Fälle, drei Handlungsstränge, drei Motive: Während man bei anderen Autoren die Übersicht verlieren würde, fühlt sich bei Connelly die gesamte Handlung vollkommen nahbar und stets klar an. Man bekommt ein Gespür für die Arbeit Stillwells, der seine Ermittlungen stets alleine, wenn auch ab und an mit kleineren Hilfen, nachgeht. Besonders in der realistischen Darstellung der Ermittlungsarbeit zeigt sich Connellys Erfahrung als Polizeireporter während seiner Zeit bei der Los Angeles Times. Mit großer Leichtigkeit hält Connelly dabei die Handlungsfäden in seiner Hand und führt sie am Ende, wie man es von ihm gewohnt ist, wunderbar zusammen. Nicht nur hier zeigt der US-amerikanische Autor seine ganze literarische Klasse. Denn auch die Dialoge wirken oftmals so real, als würde man neben den Figuren sitzen.

Fazit

Trotz des ungewöhnlichen Settings ist „Der Inselcop von L.A.“ ein klassischer Kriminalroman mit viel Flair, einem coolen, aber getriebenen Ermittler und einem fesselnden Plot, der trotz verschiedener Handlungsstränge und so mancher Wendung ein hohes Tempo aufweist. Michael Connelly erzählt mit einer großen Leichtigkeit. Ein starker Reihenauftakt, dem hoffentlich bald weitere Fälle um Detective Stillwell folgen werden.