Dunkle Asche
- HarperCollins
- Erschienen: Januar 2025
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Stefan Holtkötter ist zurück - und wie!
„Wir haben einen Fall.“ Mit diesen drängenden Worten steht die neue Kollegin Judith Engster eines morgens vor dem Campingwagen von Kommissarin Gudrun Möller. Dabei geht es in der Cold Case Unit der Kieler Landespolizeibehörde ansonsten eher ruhig zu. Langweilige Arbeit im Polizeiarchiv statt wilder Verfolgungsjagden. Doch diesmal scheint sich eine neue Spur in einem alten Fall aufzutun, bei der Eile geboten ist. Alles hängt mit einem Mordfall im Sommer 1992 an der Ostsee zusammen. Im Badeort Kalifornien wurde in einer Partynacht die junge Sanna Hansen in einem Ferienhaus mit zwölf Messerstichen niedergestochen und ihre Wohnung anschließend angesteckt. Zwar wurde ihr damaliger Freund Manfred des Mordes beschuldigt, allerdings reichten die Beweise nicht aus.
Dreißig Jahre später werden die Ermittlerinnen nun in ein Kieler Hospiz gerufen. Ein ehemaliger Imbissbuden-Besitzer aus Kalifornien beschuldigt mit einem Mal seine eigene Tochter, die wahre Täterin zu sein. Kann man den Worten des alten Mannes trauen? Die Kommissarinnen rollen den Fall neu auf und hoffen, mit neuen Untersuchungsmethoden eine vielversprechende Spur zu finden. Für Gudrun Möller wird die Ermittlungsarbeit auch eine Reise in ihr eigene Vergangenheit - denn sie lebte damals in Kalifornien und kennt die Gruppe der Zeugen, die nun erneut befragt wird, persönlich. Bald wird deutlich, dass fast jeder von ihnen ein Geheimnis hatte. Der einstige Täter beobachtet die Ermittlungen genau und will mit allen Mitteln verhindern, dass die Wahrheit ans Licht kommt.
Ein Autor vieler Namen
Jona Thomsen ist nur eines der zahlreichen Pseudonyme, unter denen Autor Stefan Holtkötter mittlerweile schreibt: mal gefühlvoll, mal spannend, mal humorvoll. Dabei liegen seine literarischen Wurzeln eigentlich im Krimi-Genre. Vor allem mit seiner im Münsterland spielenden sechsteilige Bernhard-Hambrock-Reihe (2006-2013) wusste Holtkötter als Spannungsautor zu überzeugen. Trotz weiterer Romane, u.a. seinem überaus packenden „Schlaf süß im tiefen Grabe“, in dem junge Sozialarbeiterin Sanna Marquart im Mittelpunkt steht, wurde Holtkötter vom Krimipublikum leider zu wenig wahrgenommen. So konnte der in Beerlage bei Billerbeck aufgewachsene Autor bei keinem Verlag so richtig Fuß fassen. Stattdessen wandte er sich anderen Genres zu, bei denen er durchaus zu überzeugen wusste.
Nun erscheint nach neun Jahren Krimipause der neue Roman „Dunkle Asche“ bei HarperCollins. Gott sei Dank, muss man als Krimileser beinahe sagen, denn Stefan Holtkötter beweist, dass er nichts verlernt hat. Sein unglaublich gut geplotteter, atmosphärisch packender Krimi überzeugt mit einem wunderbar bildhaften und dennoch klaren Schreibstil und vor allem zwei starken Ermittlerinnen.
Cold Case Unit
Mord verjährt nicht: Ungeklärte Mord- und Tötungsdelikte der letzten Jahrzehnte, sogenannte Cold Cases, werden nicht nur in der Realität dank modernerer Untersuchungsmethoden wieder verstärkt untersucht, sondern halten seit Jahren auch Einzug in die Krimiliteratur. Genauso wie ihre realen „Vorbilder“ des LKA Schleswig-Holstein ermitteln in Holtkötters aktuellem Roman Gudrun Möller und Judith Engster unter der Leitung ihres Chefs Wolfgang Gerbrink in der „Cold Cases Unit“.
Dass sich aber der Roman und vor allem sein Ermittlerteam deutlich von anderen bekannten Autoren abhebt, hat mit der gelungenen Darstellung der beiden Protagonistinnen zu tun, die wohltuend authentisch erscheint. Junge, aufstrebende Ermittlerinnen, die gegen so gut wie jede Regel verstoßen und mit dem Kopf durch die Wand wollen, sucht man hier vergebens. Möller und Engster sind mit über 50 Jahren gestandene Kommissarinnen, die einfach gute Ermittlungsarbeit betreiben.
Dass Gudrun Möller aktuell auf einem Campingplatz wohnt, hat weniger mit ihrer rebellischen Art (wie etwa bei Kommissarin Lona Mendt aus „Die Toten von Marnow“ von Holger Karsten Schmidt) zu tun. Sie überlässt ihre Wohnung lediglich vorübergehend ihrer frisch geschiedenen Schwester.
Und Engster? Sie arbeitete zuvor bei der Sitte in Rostock. Zwar gibt es selbstredend einen konkreten Grund, warum sie sich nach Kiel versetzen ließ und ihre Familie deswegen nur noch am Wochenende sieht. Aber auch wenn dieser mit einem polizeilichen Einsatz zu tun hat, erscheint die Auflösung am Ende ebenso überraschend wie zur Figur passend. Holtkötter besaß schon immer ein Händchen für eine überzeugende Figurendarstellung, die gleichzeitig dafür sorgt, dass der eigentliche Fall immer im Mittelpunkt der Handlung steht. Aber keine Sorge: Das Duo Möller / Engster ist alles andere als langweilig, was auch daran liegt, dass bei beiden gerade privat aufregende Zeiten anstehen.
Packende Erzählweise
Besonders gelungen ist das Verweben der beiden Parallelhandlungen: Während die Cold Cases Unit ermittelt, erfährt der Leser aus unterschiedlichen Perspektiven nach und nach, was 1992 in jener verhängnisvollen Nacht wirklich geschah. Dies sorgt nicht nur für so manche Überraschung, sondern setzt das Bild rund um den Mord mosaikartig zusammen. Besonders atmosphärisch wissen diese Zwischenepisoden zu gefallen, da Holtkötter den Ton der heranwachsenden Jugendlichen trifft, die mal überheblich, arrogant, mal verunsichert und orientierungslos auftreten. Man ahnt als Leser, dass einer von ihnen der Täter sein muss. Doch Holtkötter sorgt am Ende für einen wahren Paukenschlag. Alleine deswegen lohnt sich die Lektüre.
Fazit
Stefan Holtkötter gelingt mit „Dunkler Asche“ ein überzeugendes Comeback im Krimigenre. Man kann nur hoffen, dass weitere Fälle des starken Ermittlerduos Möller / Engster folgen werden. Wer packende deutschsprachige Kriminalromane liebt, der sollte bei Holtkötter zugreifen.

Jona Thomsen, HarperCollins
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