Die Schanze

  • Ullstein
  • Erschienen: Januar 2025
  • 3
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Thomas Gisbertz
78°1001

Krimi-Couch Rezension vonFeb 2025

Gelungenes Thrillerdebüt mit kleineren Schwächen.

Die junge Ärztin Ellen Roth kehrt in den Ort zurück, aus dem sie nach ihrer Schulzeit floh und dem sie für immer den Rücken zukehren wollte. Gerade erst von ihrem Freund in Hamburg getrennt, hofft sie nun trotz Zweifel auf einen Neustart in ihrer alten Heimat. In dem kleinen Alpenort wird gerade eine Hausarztpraxis frei, die sie übernimmt. Kaum angekommen, findet man einen Leichnam, der an einer Skischanze hängt. Das Opfer ist für Ellen kein Fremder. Sie kannte den Toten aus ihrer Schulzeit. Längst verdrängte Erinnerungen kommen in ihr wieder hoch und die dunklen Schatten der Vergangenheit drohen sie wieder einzuholen. Mit dem Journalisten Merab beginnt sie deswegen, Nachforschungen anzustellen. Als es einen weiteren Toten gibt, wird Ellen klar, dass alles mit ihr zusammenhängt. Jemand will ihr scheinbar „helfen“. Jemand, der weiß, was in der verhängnisvollen Nacht ihrer Abiturfeier geschehen ist.

Thrillerdebüt

Lars Menz, geboren 1972 in Bremen, studierte Geografie, Stadtplanung und Politik und arbeitet als Journalist. Bislang veröffentlichte er bereits einen Roman („Rauschen“, erschienen im Klassenbuch Verlag) und mehrere Kurzgeschichten, für die er unter anderem beim Schreibwettbewerb des Literaturhauses Zürich ausgezeichnet wurde. „Die Schanze“ ist nun das Thrillerdebüt des Autors, der mit seiner Familie in Hannover wohnt. Ein weiterer Thriller ist bereits so gut wie fertig und wird ebenfalls wie der aktuelle Roman bei Ullstein erscheinen.

Rückkehr in die Vergangenheit

Eine junge Frau kehrt in ihre Heimat zurück. Einst war das Dorf ihr Zuhause. Aber der Ort hat für sie längst seine Unschuld verloren. Schmerz und Leid sind ihr geblieben. Ellen schwor sich deswegen, nie wieder hierher zurückzukehren. Und dennoch macht sie nun genau das. Eine unbestimmte Sehnsucht treibt sie an - oder auch zurück. Sie kann nicht ahnen, was sie damit auslöst. Dabei liegt der Ort selbst im Sterben: Geschäfte schließen, die Jugend zieht fort, nichts scheint eine Zukunft zu haben. So wenig wie die zurückgebliebenen Menschen selbst. Ein dunkler Ort, nicht nur weil es ständig schneit und die Sonne kaum durchdringt. Die Dorfgemeinschaft ist ebenso undurchsichtig, Menschen in Grautönen, die ein dunkles Geheimnis zu verbinden scheint. Autor Lars Menz gelingt ein wunderbar düsteres Setting, eine schwere Atmosphäre, die sich über den Ort zu legen scheint. Genau hier - zwischen den Bergen und dem Dorf - lauert das Böse.

Gute Figurenzeichnung

Auch wenn mit Ellen eine starke, aber gleichzeitig tief verletzte Protagonistin deutlich im Mittelpunkt der Handlung steht, gibt es kaum Nebenfiguren. Besonders gelungen ist die Darstellung des pensionierten, fast 70 Jahre alten Polizisten Karl Haußer. Ein wunderbar ambivalenter Charakter. Haußer kümmert sich liebevoll um seine todkranke Frau und seinen Hund. Gleichzeitig erträgt er kaum noch sein Leben. Er kennt den Ort und die Menschen gut, hat viel erlebt, aber auch Fehler gemacht. Mit ihnen muss er leben. Manche im Ort hätten ihn gerne darüber stolpern sehen. Ellen muss sich nun fragen, ob sie ihm vertrauen kann.

Haußer ist einer der wenigen Freunde des Journalisten Merab. Seit dessen Freundin ihn vor zwei Jahren verließ, will dieser eigentlich nur noch fort. Doch er erkennt, dass der Ort, ja sein ganzes Leben eine Endstation zu sein scheint. Vielleicht bieten die Mordfälle, über die er berichtet, den letzten Ausweg aus dieser Sackgasse. Er wittert hier die große Story, die ihm den Weg zu großen Zeitungen ebnet. Doch plötzlich gibt es etwas, was ihn zögern lässt. Auch Merab bewegt sich wie viele Figuren des Romans zwischen Vergangenheit und Neuanfang.

Was gänzlich fehlt, ist ein Ermittlerteam. Es tritt außer dem ehemaligen Kommissar Haußer kein einziger Polizeibeamter auf. Dies mag ungewöhnlich erscheinen, aber der Roman ist so clever aufgebaut, dass man dies in keiner Weise vermisst. Mehr noch: Auch wenn man als Leser natürlich wissen will, wer der Mörder ist, geht es Menz in besonderer Weise um den Umgang der Figuren mit der aktuellen Situation, aber vor allem mit der Vergangenheit. Denn jeder weiß, was damals geschah.

Starker Erzählstil

Lars Menz‘ ausdrucksstarke, bildhafte Sprache, mit der es der Autor wunderbar versteht, die Gedanken, Hoffnungen und Ängste der Figuren in Worte zu fassen, hebt den Roman deutlich aus der Masse deutschsprachiger Thriller heraus. Insgesamt ist der Erzählstil ein großer Gewinn. Menz nimmt sich Zeit für seine Figuren, lässt sie ihr Handeln immer wieder reflektieren und mit ihrem Schicksal hadern. Und doch scheint auch immer wieder etwas wie Hoffnung durch.

Eine kleine Schwäche hat der Roman allerdings: das Legen von Finten. Lars Menz lässt jede Figur irgendwann verdächtig erscheinen. Hier wirkt die Darstellung doch noch etwas „ungelenk“. Die Hinweise, die er hier dem Leser gibt, sind doch zu offensichtlich. Man merkt schnell, dass der Leser hier getäuscht werden soll. So zeichnet sich zum Ende hin auch aus diesem Grund leider deutlicher ab, wer der Täter ist. Dies trübt den insgesamt positiven Leseeindruck aber nur wenig, da Menz zum Schluss doch für die ein oder andere Überraschung sorgt.

Fazit

Ein insgesamt erfreuliches Thrillerdebüt. Autor Lars Menz überzeugt mit einer dichten, düsteren Atmosphäre und einem ausdrucksstarken Erzählstil. Des Weiteren ist die Figurendarstellung eine Stärke des Romans. Lars Menz sollte man im Auge behalten.

Die Schanze

Lars Menz, Ullstein

Die Schanze

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