Tanz im Dunkel
- Suhrkamp
- Erschienen: Januar 2025
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Die Kölne Nachkriegsatmosphäre hätte mehr zu bieten gehabt
Im Herbst 1959 ist Deutschland immer noch dabei seine Wunden zu lecken, die ihm der selbst verschuldete Krieg zugefügt hat. Die Städte liegen in Schutt und Asche und das einst bequeme Leben ist hart und bitter geworden. Nur die ehemaligen Nazi-Bonzen können zufrieden sein. Sie sind wieder still und leise in bürgerlichen Berufen verschwunden und beziehen gute Renten oder Gehälter. Immerhin - Demonstrationen sind wieder möglich und auch wenn der 17jährige Kölner Adi nicht von allem so richtig überzeugt ist, so nimmt er doch seinem Freund Karl zuliebe an einer teil. Hier wird er aber auch Zeuge, wie Karl von einem Auto überrollt wird, das ihnen offensichtlich schon längere Zeit gefolgt ist. Adi ist geschockt: Wer könnte seinem Freund nach dem Leben getrachtet haben? In was ist Karl da hineingeraten? Mit seinen Freunden Gisela und Hagen beginnt er, nach den Gründen für Karls Ermordung zu suchen und dabei geraten alle drei in eine Welt, von der sie glaubten, sie sei im Bombenhagel der Alliierten endgültig und Gottseidank untergegangen.
Das verlotterte Köln der Nachkriegszeit - es ist nicht viel davon zu finden
Max Annas lässt seinen neuen Roman in seiner Geburtsstadt Köln spielen. Die Helden des Buches sind drei Jugendliche - zwei aus wohlhabenden Familienhäusern, einer aus dem Arbeitermilieu und eigentlich eint sie insbesondere Eines: Die Begeisterung für US-amerikanischer Musik und das gemeinsame Abspielen von Schallplatten. In diesen Hunger nach Musik, Spaß und Unterhaltung platzt der Tod von Karl und wirft die Jugendlichen in ein neues Feld. Zwangsweise müssen sie sich jetzt mit der Neuordnung der deutschen Gesellschaft befassen und stellen dabei Gruseliges fest: Die alten Verbrecher des Dritten Reiches sind nicht zur Rechenschaft gezogen worden, sie verbüßen nicht hohe Haftstrafen oder mussten generell für ihrer Taten geradestehen. Nein, sie sitzen auf bequemen Posten in den neuen Verwaltungen und versuchen alles, um ihre anrüchige Vergangenheit unter der warmen "Es war ja Krieg"-Decke zu verbergen.
Annas schildert seinen Roman aus der Sicht verschiedener Hauptpersonen. Über alle wird in der dritten Person berichtet, manchmal muss der Leser kurz überlegen, mit wem er es gerade zu tun hat, aber gerade das schafft interessante Sprünge. Neben den Jugendlichen wird auch aus dem Blickwinkel eines unbekannten Mörders oder Attentäters berichtet, der auch noch eine besondere Spannung in die Handlung einbringt. Er ist die rächende Hand aus der Vergangenheit - und auch wenn sicherlich nicht alle seine Maßnahmen den Beifall der Leser finden, konnte ich mir gelegentlich eine gewisse Genugtuung nicht verkneifen.
Spröde Annäherung an Köln
Dennoch hätte ich mir beim "Tanz im Dunkel" ein etwas lebendigeres Herangehen an die alten Zeiten gewünscht. Gerade in Köln stiegen seinerzeit die heute berühmt-berüchtigten Gangster namens "Schäfers Nas" oder "Dummse Tünn" auf und hier hätte ich mir gerade im Licht des Lebenshungers der Kölner eine andere Atmosphäre der Stadt erhofft. Generell lässt Annas seinen Roman zwar in seiner Geburtsstadt spielen, aber von ihren Besonderheiten habe ich nicht allzu viel wiedererkannt. Einige - für die Handlung sicherlich notwendige - Handlungsstränge erschlossen sich mir auch nicht so recht. So konnte ich nicht nachvollziehen, warum Adi, der ja den Tod seines Freundes beobachtet hat, sich nicht bei der Polizei meldet und vielmehr mit seinen Freunden meint, den Fall alleine aufklären zu können. Immer wieder waren auch wichtige Entwicklungen dem Zufall geschuldet und auch das empfand ich abschnittsweise als unpassend.
Annas hat immerhin versucht, noch witzige Elemente in seinen Roman einzubauen. Im Showdown werden Jäger zu Gejagten und die Beschreibung wer alles hinter wem her knattert, dürfte viele Leser*innen zum Schmunzeln bringen. Dennoch stellt sich auch hier die Frage, warum der Heiligabend in Köln, von dem beschrieben wird, dass hier im Prinzip kein Mensch auf der Straße anzutreffen sei, dann doch zum Schauplatz einer epischen Verfolgungsjagd wird und somit das Bild von Ruhe, Frieden und Einsamkeit ad absurdum führt.
Dennoch muss sich der Leser/die Leserin die Frage stellen, was denn eigentlich die Kernaussage des Romans ist: Ist es die neue Gesellschaft, die sich von der des Dritten Reiches zu der der 60er Jahre wandelt - von neuen Experimenten des Zusammenlebens bis zum neuen Bild der "Halbstarken", die sich zunehmend gegen die alte Gesellschaft auflehnen? Ist es die Aussage, dass die Verbrecher des Dritten Reiches ungeschoren davonkamen und es "bürgerlichen Engagements" bedurfte, um dennoch einige ihrer gerechten Strafe zuzuführen? Mich hinterließ der "Tanz im Dunkeln" zwiespältig und unzufrieden.
Fazit
Max Annas erzählt eine spröde Geschichte über Verbrechen nach dem zweiten Weltkrieg. Auch wenn er sicherlich in vielen Aspekten recht hat, so hätte ich mir dennoch eine farbigere und lebendigere Umsetzung gewünscht.

Max Annas, Suhrkamp
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