Skin City

  • Suhrkamp
  • Erschienen: Februar 2025
  • 1
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Sabine Bongenberg
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonApr 2025

Berlin im Hochsommer - man riecht es, schmeckt es, fühlt es.

Romina Winter ist es gelungen, die Fesseln ihrer Herkunft abzuschütteln. Mit ihrer Familie und vielen anderen Roma kam sie vor 17 Jahren aus Bukarest. Sie bezogen allesamt die Harzer Straße in Berlin Neukölln und seitdem versuchen sie hier klar zu kommen. Natürlich war das nie einfach, aber dennoch hat sie es aller Vorurteile zum Trotz geschafft, bei der Berliner Polizei einen Job zu bekommen und aufzusteigen.

Rein dienstlich beschäftigt sie sich mit einer Einbruchserie, die die Berliner Eigenheimbesitzer in Atem hält und privat mit einem Verbrechen an ihrer Schwester Sanda, die von einem unbekannten Täter zusammengeschlagen wurde. Romina kann nicht verstehen, warum jemand das vollkommen harmlose Mädchen grundlos verprügeln konnte. Ihre Suche nach dem Täter führt sie aber in ein vollkommen anderes kriminelles Milieu und zudem in eines, das offensichtlich sehr, sehr nachtragend ist.

Eine bunte Mischung der Großstadt

Johannes Groschupf lässt seinen neusten Krimi wieder im sommerlichen Berlin spielen. Der Leser/die Leserin meint fast, den heißen Asphalt unter den Füßen zu spüren und die Grills in den Schrebergärten zu riechen, so deutlich und nah gelingt es dem Autor, die unter der Hitze stöhnende Großstadt zu zeichnen.

Hier spielen sich verschiedene Verbrechen ab: Da ist die Einbruchsserie um den jungen Rumänen Koba und seine Kumpane, die nach einem strikt organisierten Zeitplan in Häuser einsteigen und alles, was nicht niet- und nagelfest ist, mitnehmen. Da ist der Betrüger Jaques Lippold, der in erster Linie auf dem Berliner Kunstmarkt sein Unwesen treibt und hier den ahnungslosen Möchtegern-Kunstsammlern geschickt das Geld aus der Tasche zieht. Nebenher ist er aber auch einem schweren Raub nicht abgeneigt und wenn sich mit etwas anderem ein schneller Euro machen lässt, ist er auch gerne dabei. Hauptsache: schnell und unehrlich!  

Zuletzt ist da noch das Verbrechen, das Rominas Familie erschütterte und sicher auch die Klein-Kriminalität, in die ihr Leben immer wieder verwickelt ist. Alle Stränge werden von Groschupf geschickt und spannend zusammengeführt und in weiten Teilen bietet sich nicht nur eine fesselnde, sondern sogar gelegentlich eine amüsante Lektüre.

Manchmal fragt man sich allerdings, wem eigentlich die Sympathie des Lesers gelten soll. Da sind die jungen Einbrecher, die im Heimatland alles verloren haben und im Prinzip auch nur nach einer besseren Zukunft suchen. In ihrem Jargon räumen sie ein paar "Muschis" ab und keiner hat den Eindruck, dass nur einer der schlecht gelaunten Deutschen auch nur einen silbernen Löffel des Diebesgutes vermisst. Da sind die verschmitzten Roma - zu denen auch sicherlich immer noch Romina gehört - die mit ihren flinken Fingern und manchmal auch mit nicht legalen Mitteln ihr Einkommen aufbessern und natürlich die Berliner Malocher und Typen. Sie zusammen bilden eine bunte Mischung und sorgen für lebendige Unterhaltung und ich habe mich bei der Lektüre dieses Buches keine Sekunde gelangweilt, wenn hier auch sicher lange Zeit wenig von Kapitalverbrechen gesprochen wird.

Die Berliner Schickeria und die Kunst

Neben der Einbruchserie spielt insbesondere der Betrüger Jaques Lippold eine wichtige Rolle. Beschränkt er sich zunächst darauf, die Berliner Kunstszene mit seinem Möchtegern-Gelaber zu beeindrucken, sorgt er weiterhin für besondere Momente, als er mit der Erschaffung eines mehr als absonderlichen Künstlers die Szene zu beeindrucken und zum Geldausgeben zu verführen weiß. Lippold ist sicher kein Sympathieträger des Romans, aber dieser Handlungsstrang war einfach grandios.

Groschupf gelingt es, alle Personengruppen des Buches zu verflechten. Ob das mit der letzten Geschichte um Romina so 100%ig gelungen ist, das sei allerdings dem Publikum überlassen. Ich konnte mich mit diesem Ende - ehrlich gesagt - nicht wirklich anfreunden, wirkte es doch plötzlich wie übergestülpt. Gottseidank sind aber die Geschmäcker verschieden und so werden viele Leser/*innen das auch sicherlich anders sehen.  Dennoch führte der letzte Twist bei mir doch dann zu einem Punktabzug.

Fazit

Johannes Groschupf erzählt von verwinkelten und schrulligen Typen aus einem Berlin, dessen Pommesdünste und Autoabgase so lebendig beschrieben werden, dass man im kühlen Kölner März geneigt ist, das Fenster aufzureißen. Nicht alles passt ganz genau - aber so ist es halt, das spröde Berlin.

Skin City

Johannes Groschupf, Suhrkamp

Skin City

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