Zähes Krimidebüt um ein diplomatisches Verwirrspiel
In Shanghai findet gerade der Kongress zur Vergabe der Olympischen Sommerspiele statt. Diesmal haben sich auch drei afrikanische Staaten gemeinsam um die „Spiele der Hoffnung“ beworben. Kurz vor der Abstimmung geschieht aber ein Mord. Der deutscher Spiegel-Journalist Thomas Gärtner wird von der chinesischen Polizei verdächtigt, den mosambikanischen IOC-Funktionär Charles Murandi in seinem Hotelzimmer getötet zu haben. Zumindest beweisen Videoaufnahmen, dass Gärtner das Zimmer des Opfers betrat und es mit unbekannten Dokumenten anschließend wieder verließ.
Im Verhör gibt der deutsche Journalist zu Protokoll, sich an den Mordabend nicht mehr erinnern zu können. Unterstützung erhält er von der jungen Konsularbeamtin Lena Hechfellner. Diese hatte sogar kurz vor dem Mord noch Kontakt mit Gärtner - und kennt ihn besser, als sie offenbaren möchte. Gemeinsam mit dem Journalisten traf sie vor einigen Jahren Murandi in Mosambik. Daher ahnt Hechfellner, worum es in den verschwundenen, hochbrisanten Dokumenten geht. Der Mord löst nicht nur diplomatische Verwicklungen aus, sondern auch einen journalistischen Konkurrenzkampf - alles im Schatten des chinesischen Überwachungsstaats. Dabei liegt der Schlüssel zur Lösung des Falls tief in der Vergangenheit, als in der DDR Vertragsarbeiter aus Mosambik um ihre Zukunft betrogen wurden.
Philosoph, Asienexperte und Schriftsteller
Autor Stephan Schmidt ist eigentlich kein Unbekannter. Unter dem Namen Stephan Thome veröffentlichte er bereits fünf Romane, von denen drei auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis sowie der SPIEGEL-Bestsellerliste standen. Schmidt ist ein ausgewiesener Asien-Experte. Bereits als Student zog es ihn für je ein Jahr nach China, Taiwan und Japan. Nach der Promotion im Fach Philosophie folgte ein längerer Aufenthalt als Mitarbeiter an verschiedenen Forschungseinrichtungen in Taipeh. Dort lebt Schmidt aktuell auch mit seiner taiwanischen Frau. Zurzeit arbeitet er an einem Sachbuch zum Konflikt zwischen China und Taiwan.
Mit „Die Spiele“ erscheint beim DuMont Buchverlag nun die Taschenbuchausgabe seines Krimidebüt, das 2024 direkt mit dem CRIME COLOGNE AWARD als bester deutschsprachiger Kriminalroman ausgezeichnet wurde. Eine Wahl, die nach der Lektüre des Romans sicherlich einige mit Erstaunen zur Kenntnis nehmen dürften. Auch wenn Schmidts Krimidebüt gewiss hoch informativ ist, verrennt sich der Autor in einer komplexen, von einer Vielzahl an Themen, Einfällen und persönlichen Erfahrungen geleiteten Handlung, die eher gesellschaftskritisch als spannend erscheint.
Zu viel gewagt
Stephan Schmidt ist ein erfahrener Autor, der unter anderem mit seinem viel gelobten Werk „Grenzgang“ (2010) bewiesen hat, dass er ein guter Beobachter und Schriftsteller ist. Mit seinem aktuellen Kriminalroman „Die Spiele“ bewegt er sich aber auf unbekanntem Terrain. Leider gelingt ihm dabei der Spagat zwischen seiner großen fachlichen Expertise und einem packenden Plot leider zu wenig. Der Roman wirkt insgesamt überladen und bietet von allem etwas zu viel: zu viele Handlungsorte (Shanghai, Mosambik, Deutschland), zu viele Zeitebenen, die den Bogen von 1990 bis in die Gegenwart spannen (und gleichzeitig auch noch die DDR-Vergangenheit thematisieren), zu viele Protagonisten (bis hoch in die deutschen Regierungskreise um Bundeskanzlerin Merkel), zu viel politisches bzw. diplomatisches Wirrwarr. Dies mag mit ein Grund dafür sein, warum sich der Roman doch recht zäh liest. Auch die Protagonisten wissen nicht wirklich zu überzeugen. Einzig der ermittelnde Kommissar Luo ist eine wirklich gelungene Figur. Luo führt ganz im „Sinne des Staates“ seine Ermittlungen, weiß aber auch, geschickt die „Freiräume“ zu nutzen und hat sich vor allem seine menschliche Seite bewahrt.
Diplomatisches Ränkespiel
Stephan Schmidt verlangt von seinen Lesern einiges an historisch-politischem Wissen ab, wenn man die Tiefe des Romans erfassen will. Vielleicht ist dies aber etwas zu viel des Guten. Zwar gelingt es Schmidt, den gesellschaftlich-politischen Hintergrund mit allen seinen Facetten genau und kritisch genug darzustellen, nutzt aber insbesondere die allgegenwärtige Überwachung durch den chinesischen Staat zu wenig, um Spannung aufzubauen. Auch wenn der Roman nicht zuletzt aufgrund der diplomatischen Verstrickungen das Potential zu einem vielversprechenden Polit-Thriller hätte, geht es am Ende doch nur um persönliche, altbekannte Motive wie verschmähte Liebe, beruflichen Konkurrenzkampf und Macht. Dafür werden alle, die auf einen packenden Kriminalroman vor dem Hintergrund des korrupten IOC gehofft haben, enttäuscht. Der Kongress in Shanghai ist wie einiges im Roman leider nur eine Randnotiz.
Fazit:
Leider ist das Krimidebüt Stephan Schmidts insgesamt eine recht zähe Angelegenheit. Inhaltlich erscheint der Roman zu überfrachtet, um wirklich für Spannung zu sorgen. Die meisten Figuren schwanken zwischen klassischem Rollenbild und mitunter Karikatur. „Die Spiele“ ist ein Kriminalroman mit großem Potential, der aber einfach zu viel will.

Stephan Schmidt, DuMont
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