Ingenium

  • Hoffmann & Campe
  • Erschienen: September 2023
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Ingenium
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Thomas Gisbertz
68°1001

Krimi-Couch Rezension vonNov 2023

Ein Mysterythriller, der leider nicht halten kann, was er verspricht

Der 32-jährige Mike Brink wird von Dr. Thessaly Moses, der leitenden Psychologin eines Frauengefängnisses in Ray Brook um Hilfe gebeten. Jess Price, die wegen eines brutalen Mordes in der New York State Correctional Facility einsitzt und seitdem schweigt, hat ein verwirrendes Bilderrätsel gezeichnet, das die Ärztin nicht zu entschlüsseln vermag. Wenn einer dies kann, dann ist dies Mike Brink. Seit er sich beim Football schwer verletzte und ein Schädel-Hirn-Trauma erlitt, kann der 32-Jährige in Sekundenschnelle die komplexesten Rätsel und Codes lösen. Denn er besitzt fortan eine seltene Inselbegabung. Mike ist nun ebenso vom mysteriösen Rätsel wie von der schweigsamen Jess fasziniert. Diese fühlt sich verfolgt und bittet das Rätselgenie daher um Hilfe. Brink möchte Jess unbedingt helfen und ahnt noch nicht, dass ihn dies auf die Spur eines Jahrhunderte alten Mysteriums führt, das nie von einem Menschen gelöst werden sollte.

Buchautorin und Journalistin

Die US-amerikanische Schriftstellerin und Journalistin Danielle Trussoni ist nicht nur eine internationale Bestsellerautorin, sondern schreibt für zahlreiche Magazine, u.a. als Buchkolumnistin für die New York Times Book Review. Trussoni studierte bis 1996 an der University of Wisconsin-Madison Geschichte und englische Literatur. Ihre Werke wurden in über dreißig Sprachen übersetzt. Ihr Roman „Falling Through the Earth: A Memoirstand“ stand 2006 auf der Liste der zehn besten Bücher der New York Times. Trussoni lebte in Japan, England, Bulgarien, Frankreich, den Vereinigten Staaten und Mexiko. Mit ihrem aktuellen Thriller „Ingenium - Das erste Rätsel“ sorgte sie in Amerika für Aufsehen. Der Folgeband „Ingenium - Das zweite Rätsel“ erscheint im September 2024 ebenfalls bei Hoffmann und Campe.

Mix aus Mystischem und Aberwitzigem

Der Roman ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Mysterythriller, da es um Rätsel, Okkultes und Übernatürliches geht und die Protagonisten deswegen auch nicht wissen können, von wem genau die Bedrohung ausgeht. Früh bekommt Mike bei seinem Versuch, das Rätsel zu lösen, das Gefühl, eine unbekannte Kraft sei am Werk, gegen die man nur schwer etwas ausrichten kann.

Der Roman beginnt äußerst spannend, verspricht die Kombination aus Rätsel, mysteriösen Mordfall und einer unschuldig Verurteilten genügend Nervenkitzel. Aber Trussoni überfrachtet ihren Roman zunehmend inhaltlich. So spielen die Zeichnungen des sephardischen Rabbiners, Philosophs und Begründers der Prophetischen Kabbala Abraham ben Samuel Abulafias eine wichtige Rolle. Abulafia gilt als bedeutendster Mystiker des 13. Jahrhunderts, insbesondere im Zusammenhang mit der ebenfalls im Thriller benannten Buchstabenlehre und Deutung des Gottesnamen. Leider bricht Trussoni dessen Lehre auf das für sie Notwendige herunter, ergänzt beliebig und garniert alles mit ominösen Zukunftstechnologien und verrückten Professoren, die nichts anderes zu tun haben, als ihre digitalen Spuren zu verwischen und Verschwörungstheorien zu befeuern. Nicht zu vergessen die zeitlichen Rückblicke in ein dunkles Prag (Die Autorin wird nicht müde, dies zu betonen) des frühen 20. Jahrhunderts. Dort wird der vom Rabbi Löw im 16. Jahrhundert erschaffene Golem vom Puppenmacher Gaston LaMoriette auf Wunsch der jüdischen Gemeinschaft erneuert und von diesen mit fatalen Folgen, die bis in die Gegenwart reichen, wiederbelebt.

Figurengestaltung ganz nach Gusto

Viel zu wenig macht die Autorin aber aus der interessanten Figur des Mike Brink. Dieser besitzt nach seinem Football-Unfall das Savant-Syndrom, ein seltenes, aber reales medizinisches Phänomen. Mike besitzt außergewöhnliche kognitive Fähigkeiten und räumlich-mechanische Begabungen. So kann er nicht nur schwerste Rätsel knacken, sondern auch Bilder, Texte und Strukturen sekundenschnell erfassen und numerische Berechnungen anstellen. Im Gegenzug leidet er unter einer Störung der Fähigkeit, Gefühlsäußerungen zu erkennen und zu verarbeiten. Leider spielt Letzteres in der Begegnung mit der schweigsamen Jess plötzlich keine Rolle mehr (denn unser Mike verliebt sich so schnell in sie, wie er sonst nur Rätsel löst) und Trussoni reduziert ihn in ihrer Darstellung auf ein Mastermind, hinter dem die Bösen her sind. Eine genaue Charakterdarstellung, wie möglich gewesen wäre, hält die Autorin nicht für nötig.

Ein weiblicher Dan Brown

Amerikanische Autoren lieben scheinbar Verschwörungstheorien, Rätsel und Okkultes. Das wissen wir nicht erst seit Dan Brown (Der anscheinend ein Fan der Autorin ist). Was beide gemeinsam haben: Es geht um „welterschütternde Wahrheiten“, denen man auf die Spur kommt, die über Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende verborgen lagen. Anders als bei Brown gibt es aber bei Trussoni weniger Action und vor allem keinen Bewahrer des Geheimnisses, dafür aber jede Menge Besessene, die es zum Lebensziel erkoren haben, das Rätsel aller Rätsel zu lösen. Fast zumindest, denn es wartet ja noch ein zweites Rätsel im Folgeband auf den Leser.

Fazit

Vielleicht mögen Liebhaber des Phantastischen und des Rätselhaften Freude an diesem Thriller haben. Zumindest bietet die Autorin hier einiges an interessanten Hintergrundinformationen und Legenden. Leider opfert sie aber alles der Idee eines alten, ungelösten Mysteriums. Trussonis Roman bewegt sich an der Grenze zur beliebigen Unterhaltungsliteratur, die zu viel will und zu wenig daraus macht.

Ingenium

Danielle Trussoni, Hoffmann & Campe

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