Venus im Saphirnerz

  • Goldmann
  • Erschienen: Januar 1951
  • 0
Venus im Saphirnerz
Venus im Saphirnerz
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Michael Drewniok
65°1001

Krimi-Couch Rezension vonNov 2023

Leichter Auftrag mit tödlichem Haken

Der ehemalige Regierungsagent John Marshall hat sich mit Gattin Suzy in Los Angeles, US-Staat Kalifornien, niedergelassen, wo er eine kleine Privatdetektei betreibt. Marshall meidet Scheidungsfälle und bearbeitet lieber Versicherungsdelikte, was ihn aber nicht davor bewahrt, immer wieder in Gewaltverbrechen verwickelt zu werden.

Auch dieser Auftrag beginnt trügerisch harmlos: Die Schauspielerin Leila le Long hat sich von ihrem Geliebten, dem Geschäftsmann Keith McElroy, getrennt - nicht im Guten, denn er nahm ihr den wertvollen Nerzmantel ab, den er ihr geschenkt hatte, als die Liebe noch glühte. Ihn will Leila gern zurück, weshalb sie Marshall engagiert.

Leicht verdiente 300 Dollar, so scheint es. Marshall folgt McElroy, um herauszufinden, wo dieser den Pelz lagert. Die Spur führt in ein abseits gelegenes Appartement, wo der Detektiv jedoch nicht den Mantel findet, sondern Clifford Bush vom lokalen Sittendezernat - mit durchschnittener Kehle.

Die von ihm gerufene Polizei nimmt Marshall ordentlich in die Zange. Dieser beschließt sich reinzuwaschen, indem er den tatsächlichen Täter stellt. Unterstützt von Gattin Suzy und in Begleitung der riesigen Dogge Khan beginnt Marshall zu recherchieren - und stößt auf ein Netz aus Prostitution und Korruption, deren Nutznießer den lästigen Schnüffler erst bemerken und dann loswerden wollen …

Wenig Lohn, kein Dank, viel Ärger

James M. Fox gehört zu jenen Krimi-Autoren, die mehr oder weniger in Vergessenheit geraten sind. Dabei war er nicht nur ein produktiver Autor, sondern auch mit Raymond Chandler, dem Schöpfer des klassischen Privatdetektivs Philip Marlowe, befreundet. Ihn hatte er 1946 in Hollywood kennengelernt.

Diese Bekanntschaft und der sich daraus entwickelnde Erfahrungsaustausch spiegelt sich in Fox‘ Werk wider. Er hatte 1943 eine Serie um John Marshall, Agent des US-Kriegsministeriums, begonnen, der in seinem Kampf gegen kriegsfeindliche Agenten von seiner Gattin unterstützt wurde. Nach Kriegsende versuchte sich Marshall als Privatdetektiv in Los Angeles, wobei die Nähe zur Filmstadt Hollywood für jene Prise Verruchtheit sorgte, die dem Kino unterstellt wurde.

Wie Philip Marlowe gehört Marshall zu den ‚ehrlichen‘ Privatermittlern, was ihn von hohen Honoraren, Ansehen und Dank automatisch ausschließt. Schnüffler wie Marshall unterliegen einem strengen Ehrenkodex, an den er sich zu halten versucht. Nicht nur dreiste Kunden oder verärgerte Ganoven, sondern auch Polizisten und Anwälte sitzen ihm stets im Nacken. Mit Leutnant David Hogan und Sergeant Ramon Garcia verbindet Marshall eine ‚feindselige Freundschaft‘, die sich durch die gesamte Serie zieht.

Routine, Hinterhalte und ein großer Hund

Einen Großteil seiner Arbeit verbringt Marshall mit der Verfolgung und Beobachtung verdächtiger Gestalten. Autor Fox lässt seine Leser daran teilnehmen und ermöglicht interessante Blicke auf das zeitgenössische Los Angeles dort, wo nicht die Filmscheinwerfer leuchten. Auch der aktuelle Fall birgt wenig Glamour. Marshall soll einen wertvollen Pelz wiederbeschaffen, den ein ehebrecherischer Gatte der Geliebten erst geschenkt und nach einem Streit wieder abgenommen hat. Die Auftraggeberin ist eine „Femme Fatale“, also schön, aber kalt und berechnend; ihr Liebhaber ein Strolch, der mit Kriminellen halbpart macht.

Marshall verlässt sich auf ein Netz mehr oder weniger auskunftsfreudiger Kollegen, sitzt geduldig in seinem Wagen oder klingelt an Türen - meist vergeblich, weil er oft belogen wird. Dies ist der Alltag eines Privatdetektivs, weshalb Marshall diese und andere Misslichkeiten wegsteckt. Immerhin kann er nach Feierabend in ein echtes Heim zurückkehren, in dem sogar eine = seine Frau ihn erwartet!

Suzy Marshall sorgt für jenes „weibliche Element“, das auch Leserinnen zum Kauf von Fox-Romanen verleiten sollte. Aus zeitgenössischer Sicht signalisierte sie ein gewisses Maß an Unabhängigkeit, weshalb sie sich regelmäßig irgendwann einschaltet und John dorthin begleitet, wo es gefährlich wird. Dies sorgt für aufregende Momente, denn eine Frau in Gefahr war (und ist) ein elementares Motiv (nicht nur) der Spannungsliteratur. Ansonsten bleibt Suzy daheim und zelebriert ihre ‚Pflichten‘ als Haus- und Ehefrau, die den Gatten bekocht, tröstet und berät, wenn er wieder einmal den Wald vor lauten Bäumen nicht sieht. Sie weiß ihren John in sicheren Händen, da er auf seinen Ermittlungsfahrten von Khan, der riesigen Dogge, begleitet wird.

Alles halb so schlimm

Auch Khan signalisiert, dass John Marshall kein einsamer, vom Leben und seinem Job desillusionierter Detektiv wie Marlowe & Co. ist. Der Hund wird zum Überraschungsfaktor, der auch dieses Mal dafür sorgt, dass eine Entführung seines Herrchens durch Gangster spektakulär misslingt. Khan ‚riecht‘ Waffen und verwandelt sich in ein rasendes Monster, das über die entsetzten Gegner herfällt. Seine Existenz verleiht dem sonst recht profilarmen Marshall außerdem einen interessanten Akzent.

Der Fall läuft routiniert und gemächlich ab, gipfelt aber in einem wilden Schusswechsel, dem ein überraschender Finaltwist folgt, der das Geschehen noch einmal in ein anderes Licht setzt. Am Ende winkt Marshall sogar eine Belohnung - auch dies eine Gunst, die Chandler seinem Marlowe in der Regel nicht gewährte.

James M. Fox gehörte nie zu den Klassikern des Krimi-Genres, war aber gut im Geschäft, weil er Publikumserwartungen erfüllte. Zwischen 1943 und 1953 entstanden 13 Romane um John und Suzy Marshall; „Venus im Saphirnerz“ ist der neunte. Bis 1988 folgten in immer größeren Abständen weitere Krimis und Thriller des Autors, der als Johannes Matthijs Willem Knipscheer (1908-1989) im holländischen Den Haag geboren wurde. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete er für die Exilregierung und leitete von London aus ein Geheimdienstnetz; die hier gemachten Erfahrungen flossen in seine Romane ein. Nach dem Krieg siedelte Knipscheer in die USA um, wurde Anwalt - und Autor.

Fazit

Ein verheirateter und auch sonst genreuntypisch lebenszufriedener Privatdetektiv ermittelt hartnäckig sowie unterstützt von Gattin und Hund in einem nur scheinbar einfachen Fall: routinierter „Hardboiled“-Krimi, der nicht so tief wie genreüblich im Milieuelend wurzelt und konzentriert seinem Plot folgt.

Venus im Saphirnerz

James M. Fox, Goldmann

Venus im Saphirnerz

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