Die mörderischen Cunninghams

  • Erschienen: Oktober 2023
  • 8
Die mörderischen Cunninghams
Die mörderischen Cunninghams
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Thomas Gisbertz
82°1001

Krimi-Couch Rezension vonOkt 2023

Ein ebenso unterhaltsamer wie cleverer Kriminalroman

„Irgendwen haben wir doch alle auf dem Gewissen. Für meine Familie, jedenfalls, ist das zutreffend: Jeder in meiner Familie hat jemanden umgebracht. Die Überflieger unter uns sogar mehr als eine Person“, sagt Ernie Cunningham, passionierter Krimi-Liebhaber und Autor für Anleitungen zum Krimischreiben über seine ganz spezielle Sippschaft. Als wäre das noch nicht genug, ist er für fast sämtliche Familienmitglieder eine Persona non grata, seit er seinen Bruder Michael vor drei Jahren ins Gefängnis brachte. Da verwundert es nicht gerade, dass Ernie nur widerwillig am ersten Familientreffen seit Jahren in einem abgelegenen Skiressort in den australischen Bergen teilnimmt. Kaum sind alle Cunninghams wiedervereint, gibt es auch bereits den ersten Toten. Unter Verdacht gerät ausgerechnet Michael, der gerade erst aus dem Gefängnis entlassen wurde. Da außer vom unbeholfenen Officer Crawford keinerlei polizeiliche Hilfe im vom Schneesturm eingeschlossenen Ressort zu erwarten ist, stürzt sich Ernie dank seines geballten Kriminalwissens in die Ermittlungen, um weitere Todesfälle zu verhindern. Doch wem kann er trauen? Und wer aus seiner Familie könnte der Täter sein?

Erfolgreicher Comedian

Der australische Autor Benjamin Stevenson ist ein preisgekrönter Stand-up-Comedian. Zusammen mit seinem Bruder ist er nicht nur in seiner Heimat äußerst erfolgreich. Abseits der Bühne hat Benjamin Stevenson für Verlage und Literaturagenturen in Australien und den USA gearbeitet. In Deutschland ist der Australier als Schriftsteller noch weitestgehend unbekannt. Dabei ist der Krimi über die „Mörderischen Cunninghams“ bereits sein drittes Buch. Sein erster Roman „Greenlight“ wurde für den Ned Kelly Award als bester Kriminaldebüt nominiert. „Both Side of Midnight“, sein zweiter Roman, stand auf der Liste für den International Thriller Writers Award (bestes Original-Taschenbuch). Nachdem sein aktueller Roman „Irgendwen haben wir doch alle auf dem Gewissen“ erfolgreich in 22 Ländern verkauft wurde, erscheint beim Ullstein Verlag nun die deutsche Übersetzung. Für August 2024 ist die Veröffentlichung des zweiten Bandes um die mörderische Familie Cunningham geplant.

„Ungewöhnlich“ guter Detektivroman

Der aktuelle Kriminalroman von Benjamin Stevenson ist aus vielerlei Hinsicht ebenso ungewöhnlich wie lesenswert. Besonders ist nicht nur die Mischung aus klassischem Whodunit und Locked Room Mystery, sondern vor allem die Erzählweise des Romans. Der Ich-Erzähler Ernest „Ernie“ Cunningham - der über „wirkliche Begebenheiten“ im Zusammenhang mit seiner Familie berichtet - ist ein glühender Verehrer des klassischen Kriminalromans der 1930er-Jahre. Er selber hat bereits Ratgeber zum Schreiben von Detektivromanen herausgebracht. Immer wieder wendet er sich im Laufe der Handlung an den Leser, um deutlich zu machen, dass er sich beim Schreiben als verlässlicher Erzähler selbstredend streng an die „Zehn Gebote des Detektivromans“ hält, die der amerikanische Krimiautor Ronald Knox 1929 zusammen mit den weiteren Mitgliedern des „Detection Club“, darunter Agatha Christie, G. K. Chesterton und Dorothy L. Sayers, herausbrachte. Nicht selten gibt er dem Leser (verdeckte) Hinweise zum weiteren Handlungsverlauf. Aber Ernie geht noch weiter: In seiner Obsession für den klassischen Kriminalroman setzt er natürlich alles daran, den Täter später in der Bibliothek des Ressorts zu überführen - auch wenn dies nur ein muffiger, vom Kaminfeuer überhitzter Raum mit vergilbten Krimi-Ausgaben ist.

Die wunderbaren Cunnighams

Ungewöhnlich ist aber auch Ernies mörderische Familie, die sich im Sky Lodge Montain Retreat trifft, um Michael nach seiner Haftentlassung willkommen zu heißen. Da wäre unter anderem Mutter Audrey, die Ernie für die Spaltung der Familie verantwortlich macht; Marcelo, sein Stiefvater, Sozius einer renommierten Anwaltskanzlei; Sofia, Ernies Halbschwester, eine Chirurgin, die gerade einen Klage am Hals hat, aber als einzige in den letzten Jahren immer wieder Kontakt mit ihrem Bruder hatte; Katherine, die überorganisierte Tante, Excel-Tabellen-Liebhaberin, Organisatorin des Treffens und Ehefrau von Andy, der bei ihr nichts zu melden hat; Lucy, Michaels Ex-Ehefrau, die sich während dessen Knastaufenthalt von ihm scheiden ließ, da dieser eine besondere Beziehung zu Erin aufbaute - die Noch-Ehefrau Ernies. Darüber hinaus spielen aber auch Juliette, Inhaberin des Ressorts und Concierge, sowie der überforderte Officer Crawford, der als einziger polizeilicher Ermittler vor Ort ist, eine wichtige Rolle. Es gilt den Mord an einer Toten auf dem schneebedeckten Golfplatz des Ressorts aufzuklären. Die Mordmethode deutet auf den bekannten Serienkiller „Black Tongue“ hin. Doch Ernie verdächtigt der Reihe nach erst einmal fast alle Familienmitglieder.

Fazit

„Die mörderischen Cunninghams“ ist ein Roman, wie gemacht für die kalte, dunkle Jahreszeit. Der Krimi ist ebenso originell wie unterhaltsam und spannend. Die pointierten Dialoge und die mitunter aberwitzige Story machen den Roman zu einem echten Lesevergnügen. Sie werden von den Cunninghams nicht genug bekommen. Ein irrwitziger, erfrischend anderer Kriminalroman, den man gelesen haben sollte.

Die mörderischen Cunninghams

Benjamin Stevenson,

Die mörderischen Cunninghams

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