Heimwärts

  • Heyne
  • Erschienen: Juni 2023
  • 2
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Monika Wenger
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonJul 2023

Die Dorfgemeinschaft als Bewahrerin von Geheimnissen.

Im Zentrum von Kate Mortons Roman steht eine Familientragödie, die sich am Weihnachtstag 1959 in den Adelaide Hills in Australien zugetragen hat. Isabel Turner und drei ihrer vier Kinder werden tot aufgefunden. Das Baby ist nicht auffindbar. Es gibt keine Hinweise auf äussere Gewalteinwirkung. Schlussendlich geht die Polizei davon aus, dass es sich um einen Familiensuizid handelt. Der Fall bleibt ungelöst.

Ein gut gehütetes Familiengeheimnis

Sechzig Jahre später: Jess Turner-Bridges ist in Australien bei ihrer Grossmutter Nora aufgewachsen, lebt jedoch bereits seit ungefähr zwanzig Jahren in London. Dann kommt der Anruf, dass ihre Grossmutter in kritischem Zustand im Spital liegt. Jess reist unverzüglich nach Australien. Während ihrer Reise fragt sie sich, was Nora in ihrem hohen Alter auf den Dachboden gesucht haben könnte. Der Dachboden war seit jeher verbotenes Gebiet. Die wirren Äusserungen Noras veranlassen Jess nun, der Sache auf den Grund zu gehen. Dabei entdeckt sie ein Familiengeheimnis, dass nicht nur ihr eigenes Leben auf den Kopf stellt.

Weder Krimi noch Thriller

Das Buch hat einen ungewöhnlichen Aufbau. Die Entwicklung der Figuren, die Dynamik der Geschichte und die einnehmende Atmosphäre prägen diesen Roman. Er ist im eigentlichen Sinne kein Krimi, sondern erzählt von einer Familientragödie, deren Ursache bis in die Gegenwart nicht geklärt werden konnte. Kate Morton verknüpft geschickt und abwechslungsreich die Tragödie von damals mit der Spurensuche der Gegenwart. Dabei spielt das Buch „Als ob sie schliefen“ des Journalisten Dan Miller eine große Rolle. Als Reporter hat er damals das Geschehen verfolgt und seine Interviews in einem Roman verarbeitet. Dieser Roman scheint der Schlüssel zu Jess‘ Fragen zu sein. Aber erst als Nora stirbt, lösen sich alte Verstrickungen und das Schweigen bröckelt.

Viele kleine und kleinste Details werden systematisch zu einem Gesamtbild verwoben. Kate Morton weiß, wie man mit Andeutungen falsche Fährten legt. Die Motive und Handlungsweisen setzt sie gekonnt in Szene und verhilft den Figuren zu Charakterstärke und Glaubwürdigkeit. „Geschichten suchen sich stets eine Lücke, in der sie wachsen können, und der Mangel an gesicherten Informationen […] bedeutete fruchtbaren Boden für Spekulationen.“

Ab und zu trüben lange, ausführliche Textpassagen das Lesevergnügen. Da verliert sich die Autorin manchmal vom Hundertsten ins Tausendste und wiederholt sich des Öftern.

Trotzdem ist es ein fesselnder Roman mit viel Tragik und Dramatik. Die Idee mit dem eingeflochtenen True-Crime-Buch in der eigentlichen Erzählung, bietet die Möglichkeit unterschiedlicher Betrachtungsweisen ein und desselben Ereignisses. Mit dieser Art der Darstellung will Kate Morton, gemäß ihren eigenen Angaben, die Veränderbarkeit von Geschichten und die zwiespältige Natur von Wahrheit aufzeigen. Das ist ihr gelungen!

Fazit

Zwei Zeitebenen und eine Geschichte in der Geschichte bilden die Grundlage für diese epische und packende Familiensaga. Eine faszinierende und fesselnde Lektüre, die, obwohl stellenweise ausufernd, zu unterhalten vermag.

Heimwärts

Kate Morton, Heyne

Heimwärts

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