Wenn Worte töten

  • Suhrkamp
  • Erschienen: April 2023
  • 6
Wenn Worte töten
Wenn Worte töten
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Thomas Gisbertz
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2023

Typisch Horowitz - Eine unterhaltsame Krimilektüre der besonderen Art

Drei Monate vor Erscheinen seines neuen Romans „Ein perfider Plan“ wird Autor Anthony Horowitz zu einem Gespräch ins Verlagshaus gebeten. Ebenfalls anwesend ist Daniel Hawthorne, Ex-Polizist und Privatdetektiv, über dessen Ermittlungsarbeit im Fall Diana Cowper der Autor seinen Roman geschrieben hat. Um das Werk in Öffentlichkeit bekannt zu machen, sollen Hawthrone und sein „Assistent“ Horowitz die Einladung zu einem Literaturfestival auf der beschaulichen Kanalinsel Alderney annehmen. Beide können natürlich nicht ahnen, dass sie dort erneut in eine Mordermittlung verwickelt zu werden. Charles le Mesurier, Inhaber eines großen Online-Kasinos und Sponsor des Festivals, wird auf seinem Anwesen ermordet. Das Opfer setzte sich mit allen Mitteln für den Bau einer Stromtrasse ein, die über Alderney geführt werden soll. Die Inselbewohner sind deswegen heillos zerstritten. Hat nun einer seiner Gegner le Mesurier getötet? Aber auch die illustre Runde der übrigen Festivalteilnehmer - ein Kinderbuchautor, eine französische Lyrikerin, ein Fernsehkoch, eines blindes Medium und ein Historiker - birgt so manches Geheimnis. Während die örtliche Polizei überfordert scheint, wird in Daniel Hawthrone der Ermittlerinstinkt geweckt. Zusammen mit Anthony Horowitz begibt er sich erneut auf Mörderjagd. Denn eines steht fest: Der Täter ist noch immer auf der Insel.

Ein neuer Fall für Hawthorne und Horowitz

Eigentlich muss man Autor Anthony Horowitz gar nicht mehr vorstellen. Dies liegt nicht nur an seiner internationalen Bekanntheit als Schriftsteller, sondern ist auch dem Umstand geschuldet, dass er in seiner Reihe selber als Hauptfigur auftritt und dem Ex-Cop Hawthorne bei der Ermittlung unterstützt - eine ebenso ungewöhnliche wie amüsante Idee. Durch die zahlreichen Fakten und Hinweise aus seiner tatsächlichen Biografie fällt es dem Leser schwer, zwischen Realität und Fiktion zu unterscheiden. Dass dieses Handlungskonzept so hervorragend aufgeht, liegt auch daran, dass Horowitz über sich selber stets mit einem Augenzwinkern erzählt.

Der erfolgreiche Autor ist hierzulande ist er vor allem durch seine Jugendbuchreihe um Alex Rider bekannt - eine Agentenserie um einen zu Beginn vierzehnjährigen Jungen. Aber auch mit seinen James-Bond-Romanen und besonders den „neuen“ Fälle des Sherlock Holmes hat sich der Engländer einen Namen gemacht. Neben zahlreichen Büchern hat Anthony Horowitz auch Theaterstücke und Drehbücher zu verschiedenen Filmen und Fernsehserien (unter anderem Inspector Barnaby) verfasst. 2014 wurde der Autor wegen seiner Verdienste zum Officer des „Order of the British Empire“ ernannt.

Nun erscheint mit „Wenn Worte töten“ der dritte Band der Hawthorne-Horowitz-Reihe. Auch wenn dieser nicht ganz an den wunderbaren ersten Teil „Ein perfider Plan“ heranreicht, ist er dennoch mehr als lesenswert. In Großbritannien ist bereits der 4. Band „The Twist of a Knife“ (2022) erschienen.

Ungewöhnliches Konstrukt

Der aktuelle Band ist wie schon die vorherigen Teile der Reihe weit mehr als nur ein reiner Detektivroman. Horowitz gewährt dem Leser auch stets einen Blick in die Welt eines Autors. Dazu gehört nicht nur, dass er in ständiger Selbstreflexion seinen Schreibprozess wertet und sich - in der Überzeugung eines erfolgreichen Schriftstellers - klar davon distanziert, dass Hawthorne sein Co-Autor sein könnte. Horowitz kommt die Aufgabe zu, über die Ermittlungsarbeit seines „Kollegen“ zu schreiben. Gleichzeitig weiß der Autor, was er an dem eigenwilligen Ex-Cop mit seiner großen Beobachtungs- und Kombinationsgabe hat. Nicht ohne Grund erinnern beide an Sherlock Holmes und Dr. Watson, was dem Roman nicht nur eine weitere Erzählebene verleiht, sondern auch für die nötige Unterhaltung sorgt. Eigentlich ist Hawthorne ein klassischer Einzelgänger, während Horowitz‘ einzige Aufgabe besteht darin, über die Heldentaten des jetzigen Privatdetektivs zu berichten.

Mörderjagd auf einer Insel

Besonders gelungen ist in diesem Locked-Room-Krimi die Darstellung der anderen Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die ebenfalls am Literaturfestival teilnehmen. Hier tobt sich Autor Anthony Horowitz regelrecht aus und man spürt seine große Freude, über seine „Kollegen“ zu berichten, die alle mehr oder weniger ihre Macken und Geheimnisse besitzen. Neben dem übergewichtigen TV-Koch Marc Bellamy („Kalorienzählen ist Quatsch“), dessen Cuisine alles andere als Haute ist und der nun seine Kochbücher an den Mann bringen will, und dem blinden Medium Elizabeth Lovell, die stets von ihrem Mann assistiert wird und die scheinbar die einzigartige Gabe besitzt, in die spirituelle Welt der Geister zu sehen und Stimmen aus dem Jenseits zu hören, treten noch der Inselhistoriker George Elkin auf, der sich mit der deutschen Besatzung der Kanalinseln beschäftigt (eine eindeutige Anspielung auf die Arbeit des Barnaby-Darstellers und studierten Historikers John Nettles), die Jugendbuchautorin Anne Cleary, die nicht nur Kinder zum Schreiben und Lesen ermutigen möchte, sondern auch von ihrer Arbeit mit Strafgefangenen berichtet, und zuletzt Maїssa Lamar, eine junge Lyrikerin und Performance-Dichterin aus Frankreich, die ihre Gedichte im ost-normannischen Dialekt „Cauchois“ verfasst.

Fazit

Wer einen unterhaltsamen britischen Kriminalroman sucht, dessen Autor sich selber und seinen Figuren nicht ganz so ernst nimmt, der kommt um Anthony Horowitz‘ Reihe und seinem ungewöhnlichen Ermittlerpaar nicht vorbei. Der Roman bietet in bester englischer Tradition einen spannenden Whodunit, der klassische Elemente mit einer Portion britischen Humor verbindet.

Wenn Worte töten

Anthony Horowitz, Suhrkamp

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