Steinigung

  • Polar
  • Erschienen: März 2023
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Sabine Bongenberg
65°1001

Krimi-Couch Rezension vonApr 2023

Ein langer Weg bis zur Auflösung

Scheinbar mochten alle Einwohner des kleinen, staubigen Ortes Cobb irgendwo im Nirgendwo Australiens die Grundschullehrerin Molly Abbott. Sie kümmerte sich um die Schulkinder, half den Geflüchteten des örtlichen Internierungslagers bei ihren ersten Schritten in der englischen Sprache und führte ein leises, unauffälliges Leben. Bis zu dem Tag, an dem sie zu Tode gesteinigt wurde. Schnell brechen erste Gräben auf: Eine solche archaische Strafe kann doch nur aus einem Land mit islamistischem Hintergrund stammen - so mutmaßen viele. Natürlich denkt dann auch der erste bald laut darüber nach, das Recht in die eigenen Hände zu nehmen, da die Polizei ja offensichtlich nichts tut.

Detective Sergeant Giorgios "George" Manolos wird daher aus dem geordneten Sydney entsandt. Er soll nicht nur den Mord an Molly Abbott aufklären, sondern auch dafür sorgen, dass sich die Wut der alten Einwohner nicht an den Flüchtlingen austobt. Für einen einzelnen Mann zwischen den Fronten ist das keine einfache Aufgabe, zumal Manolos auch selbst noch mit den alten Geistern der Vergangenheit zu kämpfen hat, wuchs er doch in Cobb auf und kann einige Dinge bis zum heutigen Tag nicht verstehen.

"Der obere Pub ist für die Whitefellas, der untere für die Blackfellas. Ganz einfach."

Peter Papathanasiou räumt mit den Illusionen, dass es in Australien keine Fremdenfeindlichkeit und keine Diskriminierung gibt, schnell und kompromisslos auf. Es ist so wie in allen anderen Ländern: Einwanderer oder - noch schlimmer - Geflüchtete werden misstrauisch beäugt und in ein Ghetto verfrachtet. Hier im ehemals beschaulichen Cobb ist die Lage vielleicht sogar noch ein bisschen übler, denn hier schiebt man den Zugewanderten die Schuld an vielen Problemen in die Schuhe. Dabei hat man auch noch an alten Schulden zu tragen, denn auch Australien ist mit seinen indigenen Völkern weder besonders freundlich noch fair umgegangen.

In diesem Klima, das von wirtschaftlicher und sozialer Hoffnungslosigkeit spricht, nimmt George Manolos seine Ermittlungen auf und auch wenn er einmal ein Kind der Stadt Cobb war, will davon niemand mehr etwas wissen. Er ist der Musterpolizist, der frisch aus Sidney geschickt wurde, um der ahnungslosen Provinz ein bisschen auf die Sprünge zu helfen - so wird er zumindest gesehen und behandelt. Unglücklicherweise könnte Manolos seinen Kollegen tatsächlich in einigen Sachen erklären, wie gute Polizeiarbeit auszusehen hätte - aber auch diese Punkte gehen in der generellen Hoffnungslosigkeit unter. Ehrlich gesagt, störte mich das abschnittsweise, denn manchmal fragte ich mich doch, was denn das eine mit dem anderen zu tun hat. Sicher, die Lage ist frustrierend - aber ist tatsächlich schon bei aller Rezession und bei allen schwarzen Gedanken schon der Punkt erreicht, wo ein möglicher Mord tatsächlich egal ist?

Nicht nachvollziehen konnte ich auch das australische System, nach dem Flüchtlingsheime offensichtlich nicht der staatlichen und gesetzlichen Kontrolle unterliegen und fast so etwas wie einen Staat im Staat bilden. Unverblümt erklärt man Manolos daher, dass seine Kompetenzen an der Eingangstür enden und damit ist man auch fernab von jeder Rechtsstaatlichkeit in der Lage, die geflüchteten und hier "aufbewahrten" Menschen so zu behandeln, wie es einem gerade passt. Hier konnte ich nur inständig hoffen, dass der Autor zugunsten seines Romans etwas konstruiert hat, was so nicht zutrifft oder zumindest maßlos übertrieben ist. Aber auch im Hinblick auf seine Geschichte trägt Australien - wie andere Länder - Schuld daran, wie mit seinen Ureinwohnern umgegangen wurde und auch aus dieser Vergangenheit spielt so einiges neben dem Hauptkrimi eine wichtige Rolle.

Das Nachwort ist fast interessanter als der Roman

Was mir an Papathanasoius Roman nicht gefiel, war das sehr gemächliche Tempo. Irgendwann in der Mitte - als sich bis dahin noch überhaupt kein einziger weiterer Schritt in Richtung Auflösung ergeben hatte - da dachte ich schon, dass diese vielleicht auch gar nicht mehr kommt.  Dennoch, wer bis zum Schluss durchhält, der stellt fest, dass der Roman dann doch noch auf einmal gewaltig Fahrt aufnimmt und für einige Längen entschädigt.  Viele interessante Ergänzungen zu dessen Handlung werden sogar im Nachwort der Redakteurin Lore Kleinert angesprochen. Da fragte ich mich doch - Warum erst da? Warum zieht sich ein großer Teil der Handlung zunächst wie Kaugummi, ehe zum Schluss alles auf einmal passiert? Hier hätte ich mir doch gewünscht, dass mehr Spannung auch in die vorherigen Kapitel getragen wird. Oft empfand ich die Stimmung bei aller Realität doch als sehr langatmig und fast schon einschläfernd.

Fazit

Peter Papathanasiou schildert ein abweisendes Australien mit verdorrten staubigen und grausamen Landschaften und mit Menschen, auf die diese Beschreibung ebenso passt. Es braucht lange bis zur Auflösung und manchmal dachte ich mir, dass das verrostete Autowrack auf dem Titel schon ein ganz gutes Sinnbild für das Tempo des Krimis ist.

Steinigung

Peter Papathanasiou, Polar

Steinigung

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