One of the Girls

Bella hatte den Junggesellinnenabschied für ihre - wie sie immer betonte - allerbeste Freundin Lexi gründlich vorbereitet. Er sollte etwas ganz besonderers werden: Die besten Freundinnen der angehenden Braut treffen sich in einer rustikalen, einsamen Villa auf einer griechischen Insel und verbringen ein gemeinsames Wochenende - mit Strand, Pool und Party. Bella hätte eines wissen müssen: Eine solche Konstellation kann funktionieren - aber es gibt keine Garantie dafür, dass sie es auch tut. Einfacher wäre es gewesen, sie hätten sich irgendwo in einer 0815-Partymeile  zum Feiern verabredet und nicht in einem abgelegenen, schwer zugänglichen Haus, wo so manches Wort alsbald schwerer wiegen kann als man es ursprünglich gemeint hat. Hier zeigt sich auch alsbald, wem das Wohlergehen der angehenden Braut wirklich am Herzen liegt oder wer mit einem Sack Lügen im Gepäck angereist ist.

Ist das ein Thriller?

Lucy Clarkes neuer Roman wird als der neue Kriminalroman und Thriller beworben, in dem sechs Frauen in die griechische Inseleinsamkeit reisen und denen wegen des Umstandes, dass "eine lügt, eine betrügt" ein finsteres Schicksal droht. Auf dem Buchtitel wird dann auch  - vermutlich rhetorisch - gefragt, ob auch eine bereit sei, zu töten. Bei so viel Vorschuss-Dramatik geht aber unter, dass die Bezeichnung "Thriller" oder selbst das Genre "Kriminalroman" fehlen. Gesprochen wird vielmehr ganz allgemein und unverfänglich von einem "Roman".

in dem Roman treffen also sechs Frauen bei einem Junggesellinnenabschied für ein Wochenende in einer recht einsam gelegenen Villa aufeinander. Alle stammen aus England und hier ist die Tradition der "Hens Night" (wörtlich übersetzt also der "Hennen-Nacht") schon eine etwas andere als hier. Was man von diesen Nächten auf der Insel hört, das klingt schon nach einem überaus heftigen Abend mit einer gigantischen Menge Alkohol! Allein deswegen würde sich schon die Frage stellen, wer auf die Schnapsidee kommt, diesen Abschied in eine einsames Haus - weitab von Party, Remmidemmi und Action - zu verlegen. Dennoch - damit die Geschichte funktioniert spielen viele Teile des Romans in diese Abgeschiedenheit und die Stimme eine unsichtbaren Erzählerin warnt - gleicht der mythologischen Pythia - als Vorwort vieler Kapitel vor dem bösen Schicksal, dass hier wegen Unehrlichkeiten und Arglist drohen mag. Aber eines schon mal vorweg - dieses böse Schicksal lässt recht lange auf sich warten.

Sticks and Stones may break my bones....

Tatsächlich fächern sich unter sechs Frauen, die sich vieles zu erzählen haben,  viele interesante Themen auf, die ich - auch abseits von einem Kriminalroman - durchaus spannend fand. Jede erzählt in eigenen Kapiteln aus ihrem Leben und da alle schon die Dreißig überschritten haben, gibt es tatsächlich so einiges zu berichten. Mit kurzen Kapitel und diesen unterschiedlichen Standpunkten sorgt das für erfrischende Abwechslung und Bewegung. Aber mit einem wie auch immer gearteten Verbrechen hat das lange, lange Zeit überhaupt nichts zu tun. Erst gegen Ende des Romans werden tatsächlich böse Taten und deren Folgen offenbart. Aber hier entwickelt sich die Handlung in eine ganz andere Richtung, als der Leser - oder bestimmt hier hauptsächlich die Leserin - anfangs erwartet hätte.  Hier lässt sich dann immerhin - mit etwas guten Willen - das Genre des Kriminalromans erkennen, nicht aber das eines Thrillers. Diesen dürften aber viele Leser allein schon aufgrund der reißerischen Anmoderation auf dem Buchtitel erwartet haben.

Fazit

Lucy Clarke lässt in einer abgelegenen Villa sechs Frauen aufeinandertreffen und natürlich brechen in einer Gruppe von Frauen, die sich nicht mehr so viel zu sagen haben, wie anfangs gedacht, Konflikte auf. Das ist gut und interessant erzählt - aber wer hier schon Mordgedanken mutmaßt, dürfte vielleicht auch jedes Kaffeeekränzchen mit Misstrauen beobachten.