Wilsberg - Sein erster und sein letzter Fall

  • Grafit
  • Erschienen: Oktober 2022
  • 1
Wilsberg - Sein erster und sein letzter Fall
Wilsberg - Sein erster und sein letzter Fall
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Thomas Gisbertz
74°1001

Krimi-Couch Rezension vonNov 2022

Eine große Ära geht zu Ende

Geiselnahme in einem Münsteraner Kaufhaus. Sämtliche Kunden und Angestellte wurden zusammengetrieben und warten angespannt darauf, was die schwerbewaffneten Verbrecher mit ihnen planen. Und mittendrin: Georg Wilsberg, der alternde Privatdetektiv. Die Forderungen der Kriminellen sind klar: Frank Knieriem, der in der JVA Münster einsitzt, kommt frei und darf ein Interview live im WDR geben. Für Wilsberg ist Knieriem kein Unbekannter. Vor über 30 Jahren bekam er als junger Rechtsanwalt die Chance, in einem spektakulären Mordprozess dessen Verteidigung zu übernehmen: Der Angeklagte feuerte kurz vor Prozessbeginn seinen bisherigen Verteidiger und Wilsberg sprang ein. Die Beweise waren erdrückend, aber mit Unterstützung seiner Freundin Shirin gelang es Wilsberg wider Erwarten, eine Entlastungszeugin zu finden. Kurz darauf stand in seinem Leben allerdings kein Stein mehr auf dem anderen. Und sein einstiger Mandant lässt keinen Zweifel daran, dass er mit Wilsberg noch eine Rechnung offen hat.

Ende einer erfolgreichen Krimireihe

Wer hätte 1990 gedacht, als mit „Und die Toten lässt man ruhen“ der erste Band der Wilsberg-Reihe erschien, dass damit eine Erfolgsstory beginnen sollte. Seit nunmehr 32 Jahren ermittelt der kauzige Privatermittler Georg Wilsberg in und um Münster.

Auch wenn die TV-Serie mit Leonard Lansink in der Hauptrolle teilweise stärker von den Romanen abweicht, ist eines gleichgeblieben: der schnoddrige, stets finanziell klamme Privatdetektiv, der sich mit feiner Spürnase und großem Einsatz auf Tätersuche begibt. Seine oft unkonventionelle Ermittlungsarbeit und seine ihm eigene, tiefsinnige, oftmals lakonische Art über Gott und die Welt nachzudenken, machen ihn so beliebt bei Lesern und Zuschauern - und seinen geistigen Vater Jürgen Kehrer zu einem der bekanntesten deutschsprachigen Krimiautoren.

Doch nun - nach 21 Fällen - heißt es tatsächlich Abschiednehmen von Münsteraner Kult-Detektiv. Aber man darf sich zumindest damit trösten, dass endlich das ein oder andere Geheimnis gelüftet wird. So erfährt der Leser zum Beispiel, warum Wilsberg eigentlich seine Zulassung als Anwalt verloren hat und ob sich zwischen ihm und der Kommissarin - wie im letzten Band angedeutet - tatsächlich eine Beziehung anbahnt. Ohne Zweifel ist aber etwas Wehmut dabei, wenn sich der eigenwillige Privatdetektiv nun in den Ruhestand verabschiedet. Was bleibt, ist die beliebte gleichnamige TV-Serie, die zum Glück weiterhin im ZDF zu sehen sein wird.

Der etwas andere Krimi

Es mag Krimis geben, die mit mehr Spannung aufwarten und die action- und temporeicher sind. Aber es gibt kaum eine Reihe, die derart unterhält wie die um den gescheiterten Anwalt und Privatermittler Georg Wilsberg. Das liegt zum einen an der Hauptfigur selber, zum anderen aber auch an der besonderen Schreibweise Kehrers. Er nimmt sich Zeit für seine Figuren, begeistert immer wieder mit pointierten Dialogen und hintergründigem Witz.

Der Autor verwebt diesmal sehr geschickt Vergangenheit und Gegenwart miteinander und lässt uns ein letztes Mal eintauchen in die Welt des eigenwilligen Detektivs. In gewohnt unterhaltsamer, humorvoller und Augen zwinkernder Art lässt Kehrer seine Figur noch einmal zur Höchstform auflaufen. So stolpert Wilsberg erneut unfreiwillig in eine gefährliche Situation, kann es dann aber auch nicht lassen, alles auf die Spitze zu treiben. Aber Wilsberg wäre nicht Wilsberg, wenn er sich nicht irgendwie wieder aus der misslichen Lage herausmanövrieren würde.

Der Münsteraner Detektiv ist eben ein besonderer Typ: Er lässt alles etwas langsamer, gemächlicher angehen, vermittelt aber gleichzeitig stets das Gefühl der Unbesiegbarkeit, wenn er sich wieder in Gefahr begibt. Das muss nicht immer realistisch sein, und sorgt vielleicht bei einigen Lesern wiederholt für Kopfschütteln, aber genau das macht den besonderen Charme der Figur aus: Wilsberg glaubt immer, alles unter Kontrolle zu haben, und ist nie um eine Ausrede verlegen, wenn er sich aus einer heiklen Situation herauswinden muss. Und dazu bekommt er in seinem letzten Fall gleich mehrfach die Gelegenheit.

Fazit

Wir werden ihn vermissen - den schnoddrigen, kauzigen Detektiv aus Münster. Kaum eine Figur hat die deutsche Krimilandschaft in den letzten Jahrzehnten so geprägt. Bleibt nur zu hoffen, dass sich Autor Jürgen Kehrer noch lange nicht in den Ruhestand verabschiedet. Wir würden einen der spannendsten Krimiautoren Deutschlands verlieren.

Wilsberg - Sein erster und sein letzter Fall

Jürgen Kehrer, Grafit

Wilsberg - Sein erster und sein letzter Fall

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