Nebelangst

  • Piper
  • Erschienen: Januar 2022
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Nebelangst
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Thomas Gisbertz
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonJan 2022

Mystery-Thriller mit skandinavischem Flair

Sommer 1981: Inmitten des finnischen Schärenmeers verbringt der zwölfjährige Daniel Nygård mit seinem älteren Bruder Mikael und dem Cousin Pejo die Ferien auf einer kleinen Insel. Vom Mökki aus, dem Sommerhaus des Onkels, erkunden sie die Gegend, streifen durch die Wälder oder sind mit dem Boot unterwegs. Die ausgelassene Stimmung wird aber von einem unheimlichen Verdacht getrübt: Ein Mörder scheint auf dem Eiland seit längerem sein Unheil zu treiben. Kinder verschwinden spurlos und die Einheimischen leben in Angst. Als die Jungenclique dem Täter durch Zufall auf die Spur zu kommen scheint, wird sie in einen Sog des Bösen gezogen, der ihr Leben fortan bestimmen wird.

Dunkle Schatten der Vergangenheit

Sechsunddreißig Jahre später: In einem kleinen Theater am Rande Helsinkis soll das Drama „Der Reisende“ aufgeführt werden. Der Autor: Daniel Nygård, der sich vor knapp 20 Jahren das Leben nahm. Dessen Tochter Edith ist Teil der Darstellergruppe. Sie bittet ihre Schwester Lilja, die sie länger nicht mehr gesehen hat, zu ihr zu kommen, weil sie sich Sorgen macht. Jemand scheint die Aufführung des Stückes verhindern zu wollen. Lilja fällt es schwer, wieder an dem Ort zu sein, dem sie einst entflohen ist. Aber die Geschehnisse im Theater tragen dazu bei, dass sie mehr über das Leben des Vaters und dessen Selbstmord wissen will. Zunehmend erkennt Lilja Parallelen zwischen der Vergangenheit ihres Vaters, ihrer eigenen Kindheit und dem Theaterstück. Dabei entdeckt sie ein Geheimnis, das die Schrecken der Vergangenheit wieder erweckt und sie erbarmungslos ins Dunkle zieht.

Autorin und Designerin

Olga Kosmale wurde in der Nähe von Moskau geboren und lebt heute nahe München. Ihre Liebe für Kunst und Literatur machte sie zum Beruf. Nach ihrer Ausbildung zur staatlich geprüften Kommunikationsdesignerin an der Designschule München und einem Studium in London arbeitet Kosmale - neben dem Schreiben - als freiberufliche Kommunikationsdesignerin mit Schwerpunkt Editorial Design und Buchgestaltung.

Mit „Nebelangst“ veröffentlicht der Piper Verlag nun Kosmales Debütroman, der nicht nur in Finnland - der Heimat ihres Mannes - spielt, sondern in wunderbarer Weise die Stimmung eines Sommers einfängt, der das Leben einer Jungenclique für immer verändern sollte.

Coming-of-age

Finnland wurde in den letzten Jahren durch Autoren wie Leena Lehtolainen, Max Seeck oder zuletzt Arttu Tuominen immer häufiger als Handlungsort hervorragender Kriminalromane und Thriller gewählt. Dass Olga Kosmale nun ihre Geschichte im Land der Seen und Sümpfe spielen lässt, ist kein Zufall. Mittlerweile ist Finnland dank ihres Mannes für sie eine zweite Heimat geworden.

Die Geschichte in „Nebelangst“ spielt auf zwei Erzählebenen. Neben den aktuellen Ereignissen stehen die Geschehnisse des Sommers 1981 im Mittelpunkt. Kosmale überzeugt besonders mit der Erzählung rund um die Jungenclique Daniel, Mikael und Pejo. Ihr gelingt es nicht nur, die besondere Atmosphäre auf der Insel einzufangen, die an klassische skandinavische Kriminalerzählungen erinnert, sondern das Bild einer Gruppe von Jungen zu skizzieren, deren Jugend durch die schicksalhaften Ereignisse jenes Sommers abrupt beendet wird. Das Verschwinden der Kinder auf der Insel sowie die Geschichte rund um die Jugendlichen erinnert motivisch an die Netflix-Serie „Dark“ oder Stephen Kings bekannte Kurzgeschichte „Die Leiche“ (OT: The body), die unter dem Titel „Stand by me“ verfilmt wurde.

„Nebelangst“ ist kein Mystery-Roman im klassischen Sinne und doch lassen sich „mystische“ Elemente finden, vor allem was die Ambivalenz hinsichtlich der Darstellung bzw. Wahrnehmung der Geschehnisse betrifft. Wunderbar wird dies auch durch das gelungene Cover des Buches verdeutlicht.

Beeindruckender Schreibstil

Je mehr Kosmale die beiden Handlungsstränge zusammenführt und ihre Protagonistin Lilja den Ort der damaligen Ereignisse aufsuchen lässt, desto spannender und packender wird der Roman. Dabei muss sich die junge Frau - in teilweise in schmerzvoller Weise - mit ihrer eigenen Vergangenheit auseinandersetzen. Was sie antreibt, ist die stete Frage, warum ihr Vater sie durch seinen Selbstmord im Stich ließ. Am Ende wird Lilja eine Antwort erhalten - auch wenn sie sehr schmerzvoll sein wird.

Olga Kosmale gelingt es besonders durch ihren ausdrucksstarken Schreib- und Sprachstil eine düstere, unheimliche Atmosphäre zu schaffen. Zwar muss die Geschichte etwas Anlauf nehmen, aber mit zunehmendem Maß steigt die Spannung und auch das Tempo der Erzählung. Dabei löst sich der Nebel der Erinnerung bei Lilja immer mehr auf und gibt den Blick frei auf das Dunkle, wozu der Mensch fähig ist.

Fazit:

Olga Kosmale gelingt mit „Nebelangst“ ein eindrucksvoller, atmosphärisch dichter Debütroman, der mit mystischen Elementen und einem durchdachten Plot zu überzeugen weiß. Ein wirklich beeindruckender Thriller.

Nebelangst

Olga Kosmale, Piper

Nebelangst

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