Tiefes, dunkles Blau

  • Diogenes
  • Erschienen: April 2022
  • 11
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Carola Krauße-Reim
60°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2022

Manchmal ist es auch ein bisschen Krimi

Kurz nachdem Seepolizistin Rosa Zombrano eine Kryokonservierung ihrer Eizellen vornehmen ließ, wird ihr Arzt tot im Zürichsee aufgefunden. Dr. Jansen war nicht nur Chef einer Kinderwunschpraxis, sondern auch Teilhaber an einem Biotech-Unternehmen. Hatte diese Verknüpfung etwas mit Jansens Tod zu tun oder war er Opfer eines Scheidungskrieges? Rosas Ermittlungen führen sie ins Rotlichtmilieu, in die Genforschung und zu deren Gegnern.

Rosa hat viel von Seraina

Seraina Kobler arbeitete als Journalistin bei der „Neuen Züricher Zeitung“ bevor sie sich ganz dem Scheiben widmete. Nach zahlreichen Sachbüchern und Artikeln, schrieb sie mit „Regenschatten“ ihren ersten Roman, in dem Schwangerschaft und Verantwortung für ein Kind auch schon eine Rolle spielten. Neben diesem scheinbar persönlich wichtigem Kernthema lässt Kobler aber noch sehr viel mehr an eigenen Vorlieben in ihren zweiten Roman einfließen. Schon Rosas Wohnsituation mit dem kleinen Häuschen im Schwarzen Garten inmitten der Züricher Altstadt ist eine Kopie der Schreibwerkstadt der Autorin, die auch ihre Vorlieben für Kochen und Gärtnern an ihre Protagonistin weitergab. Selbst das Thema der Genschere hat Kobler bereits in einem preisgekrönten Essay behandelt. „Tiefes, dunkles Blau“ ist ein überaus persönlicher Roman, der aber leider gerade deshalb nur sehr wenig von einem packenden Krimi hat.

Rosa dominiert das Geschehen

Ein spannender Kriminalroman sollte eine gelungene Mischung aus im Vordergrund stehenden Ermittlungen und ergänzendem persönlichem Hintergrund der Figuren sein. Kobler allerdings stellt ihre Ermittlerin in den Mittelpunkt und lässt den Kriminalfall als eine Art Mittel zum Zweck verkommen. Rosa ist eine selbständige Frau, die aus ihrer Kindheit einige Neurosen zurückbehalten hat, gerne gärtnert und noch lieber kocht. Diese Figurenzeichnung wird der Leserschaft in aller Ausführlichkeit ganz schnell wieder vorgebetet, kaum dass die Handlung etwas in Richtung der Ermittlungen dreht. Damit wird die Spannung fast komplett aus dem Krimi genommen. Selbst nach den Ermittlungen in einem Bordell müssen Chips und Oliven erwähnt werden oder aber die Behandlung der selbst geernteten Karotten steht im Vordergrund, während über den Fall nachgedacht wird. Die Suche nach dem Motiv und dem Täter wird zu einem Hintergrundrauschen, obwohl das Thema der Genmanipulation so brisant ist, dass es durchaus zu einem spannenden Krimi hätte führen können. So aber ist selbst die Auflösung des Falles nur ein kleiner Tropfen in einem großen Topf aus persönlichem Hintergrund und Vorlieben der Ermittlerin.

Zürich hat was

Zürich ist nicht nur ein Finanzzentrum in der Schweiz, sondern eine Stadt mit viel Charme. Die mittelalterliche Altstadt liegt neben der jungen Limmat und der Zürichsee hat je nach Jahreszeit viele Farben: „schieferblau“ im Frühjahr, „schiefergrau“ im Herbst oder eben „tiefes, dunkles Blau“ im Sommer. Kobler hat diese Atmosphäre von quirliger Stadt, rauschendem Fluss und wunderschönem See hervorragend eingefangen. Ihre Beschreibungen von einem Sommer in Zürich lassen die Stadt mit ihren lauten oder lauschigen Plätzen, den Kaffees, den Restaurants und den Veranstaltungen lebendig werden. Das ist ein wirklicher Pluspunkt im Krimi! Allerdings scheint auch hier die Liebe der Autorin zur Schweiz manchmal die Oberhand über die Logik zu gewinnen, warum sonst sollte eine Szene unbedingt an den Reichenbachfällen, immerhin über 100 km von Zürich entfernt, stattfinden, wenn dafür absolut keine Notwendigkeit besteht?

Fazit

„Tiefes, dunkles Blau“ ist der Auftakt zur Zürich-Krimi-Serie von Seraina Kobler. Leider konzentriert sich die Autorin zu sehr auf die Vorstellung der Protagonistin Rosa Zambrano, was viel Spannung aus dem Roman nimmt. Wer gerne Cosy-Krimis liest, könnte von den Figuren und der Atmosphäre begeistert sein, alle anderen bleibt die Hoffnung auf den schon geplanten zweiten Teil.

Tiefes, dunkles Blau

Seraina Kobler, Diogenes

Tiefes, dunkles Blau

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