Flug 416

  • Goldmann
  • Erschienen: Mai 2022
  • 15

- Übersetzung: Thomas Bauer

- Originaltitel: "Falling"

- Taschenbuch, Klappenbroschur

- 416 Seiten

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Thomas Gisbertz
72°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2022

Gute Idee, aber ein Flug mit einigen Turbulenzen

Coastal Airways Flug 416 von Los Angeles nach New York. Kapitän Bill Hoffman und sein Co-Pilot Ben Miro haben die Flughöhe erreicht und auf Auto-Pilot umgestellt. Zeit, um sich in Ruhe auf die anstehende halbjährliche Schulung vorzubereiten. Plötzlich erhält Hoffman eine Mail seiner Frau Cassie. Im Anhang ein Foto von ihr mit den beiden Kindern. Das Erschreckende: seine Frau trägt eine Sprengstoffweste. Ein Entführer hat Hoffmans Familie in seine Gewalt gebracht und stellt Bill vor eine schreckliche Wahl: Entweder bringt er das Flugzeug mit 149 Menschen an Bord zum Absturz oder seine Familie wird getötet. Zwar gelingt es Bill, die Crew heimlich über die Lage zu informieren, doch irgendwo in der Maschine befindet sich noch ein Komplize des Entführers.

Kampf gegen die Entführer

Jo Watkins ist nicht nur die leitende Flugbegleiterin im Airbus A320, sondern seit vielen Jahren auch eine gute Freundin von Bill - und nun seine einzige Hoffnung. Während der Kapitän den Anweisungen des Entführers im Cockpit folgen muss, versucht Jo mit dem Rest der Crew die anwesenden Passagiere so gut es geht auf das vorzubereiten, was noch vor ihnen liegt. Denn Bill soll nicht nur den Co-Piloten töten, sondern auch einen Behälter mit Giftgas in die Flugzeugkabine werfen. Jo weiß, dass ihre einzige Chance darin besteht, schnell den Entführer am Boden zu fassen. Und sie kennt jemanden, der ihr dabei helfen kann - ihr Neffe Theo, der beim FBI arbeitet. Der Absturz muss mit allen Mitteln verhindert werden, denn das Ziel der Entführer ist Washington D.C.

Ehemalige Flugbegleiterin

T. J. Newman, eine ehemalige Buchhändlerin und langjährige Flugbegleiterin, arbeitete von 2011 bis 2021 für Virgin America und Alaska Airlines. Ihre Erfahrungen und Kenntnisse als Flugbegleiterin lässt die Autorin immer wieder in die Handlung einfließen. Die Idee für ihren Debütroman „Flug 416“ kam der Newcomerin bei einem Nachtflug: „Alle schliefen. Und während ich die Passagiere so betrachtete, kam mir plötzlich ein Gedanke: Das Leben von uns allen hier an Bord lag in den Händen der beiden Piloten. So viel Macht und Verantwortung! Wie verwundbar machte das die Cockpit-Besatzung eigentlich? Diesen Gedanken wurde ich nicht mehr los. Ein paar Tage später habe ich deshalb auf einer anderen Flugstrecke den Piloten gefragt: „Was würden Sie tun, wenn jemand Ihre Familie entführt und man Ihnen droht, sie zu töten, wenn Sie das Flugzeug nicht zum Absturz bringen?“ Wie er mich daraufhin ansah, machte mir Angst. Er hatte keine Antwort parat – und in dem Moment wusste ich, dass ich den Plot für meinen Thriller gefunden hatte“.

Von der Idee zur Veröffentlichung war es aber für Newman ein langer Weg. Erst nach der 42. Anfrage fand sich ein Verlag, der vom Manuskript überzeugt war - und es nicht bereuen sollte, denn Autoren wie Ian Rankin, Don Winslow oder James Patterson überschlagen sich mit Lobpreisungen. Dabei ist der Roman lediglich ein ordentlicher, aber sicher kein außergewöhnlicher Thriller.

Tempo, aber wenig Tiefgang

Eins vorweg: Der Roman ist ein echter Pageturner. Einmal angefangen, legt man ihn nicht mehr aus der Hand. Die 400 Seiten lesen sich wunderbar leicht, was vor allem am gelungenen Erzählstil liegt. Wer unterhaltsame Hijacker-Storys und fluchende FBI-Agenten, die gegen sämtliche Regeln verstoßen, mag, der liegt mit diesem Roman richtig.

Man muss aber den mitunter theatralischen Schreibstil der Autorin mögen. Die Story trieft vor amerikanischem Pathos. So wendet sich Flugbegleiterin Jo mit folgenden Worten an die Passagiere: „Ladys und Gentlemen, wir haben nur eine Wahl, und die lautet, zu vertrauen und an einem Strang zu ziehen. Es ist mir eine Ehre, mit Ihnen hier zu sein, und ein Privileg, Ihnen zu Diensten zu sein.“ So verwundert es auch nicht, dass der Thriller eine Geschichte voll an Helden und Heroen ist. Einfache Menschen, die sich wie John McClane gegen die Bösewichte dieser Welt stellen und dabei keinerlei Angst zeigen. Selbst die Passagiere ertragen die Aussicht, mit dem Flugzeug abstürzen zu können, mit ihrer amerikanischen Gelassenheit und helfen unerschrocken, wo sie nur können.

Alles für die Story

Dass die Charaktere sehr einfach gehalten sind, geht für einen temporeichen Thriller, bei dem eindeutig die Handlung im Vordergrund steht, noch in Ordnung. Die Story ist aber vorhersehbar und birgt kaum Überraschungen.

Auch fehlt es bei diesem sicherlich brisanten Thema an psychologischer Tiefe. Die Frage, ob man das Leben weniger Menschen gegen das Leben vieler aufwiegen kann, wird in Ferdinand von Schirachs Bühnenstück „Terror - Ihr Urteil“ wesentlich differenzierter behandelt. Hier dient es lediglich als Katalysator für die Handlung.

Auch sind die Beweggründe der Entführer zwar nachvollziehbar, diese werden in ihrem Handeln aber überhaupt nicht konsequent genug dargestellt. Die hier durchscheinende Kritik am militärischen Verhalten der US-Regierung wird zum Schluss ins Gegenteil verkehrt. So bleibt letztendlich „nur“ ein unterhaltsamer, kurzweiliger, aber nur mäßig spannender Thriller mit einem typischen Ende à la Hollywood.

Fazit

Wer US-amerikanische Thriller mit viel Tempo mag, für den ist „Flug 416“ sicherlich eine gute Wahl. Der Roman unterhält und ist packend geschrieben. Man muss dafür aber eine doch recht stereotype Figurendarstellung und einen etwas überbordenden Pathos in Kauf nehmen.

 

Flug 416

T. J. Newman, Goldmann

Flug 416

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