Fabrik der Schatten

  • Heyne
  • Erschienen: Juli 2022
  • 1

- Taschenbuch, Klappenbroschur

- 350 Seiten

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Carola Krauße-Reim
73°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2022

Nur bedingt spannendes Vorkriegsdrama

Bereits zum zweiten Mal lässt das Autorenduo Wittekindt/Wittkamp einen Krimi in der Belle Epoche spielen. Doch dieses Mal planten sie mit „Fabrik der Schatten“ eine ganze Serie zu beginnen, deren Protagonisten Major Albert Craemer und Lena Vogel vom militärischen Nachrichtendienst des Großen Generalstabes sind. Matthias Wittekindt will auch nach Rainer Wittkamps Tod im Dezember 2020 die Reihe fortsetzen und schreibt bereits an einem zweiten Teil.

Steckt Frankreich dahinter?

Ein schweres Zugunglück erschüttert Bingen am Rhein. Als die Toten geborgen werden, stellt man fest, dass zwei von ihnen mit Schüssen in Kopf und Brust regelrecht hingerichtet wurden. Das ruft Major Craemer vom militärischen Geheimdienst auf den Plan, denn 1910 ist das Misstrauen gegenüber Frankreich groß. Findet im Reich eine Geheimaktion statt? Diese Frage wird umso dringender, als in Bonn ein Student der Chemie auf die gleiche Art ermordet wird und die Überführung von drei französischen Flugzeugen ins Reichsland Elsaß-Lothringen fürchterlich schief geht. Unterstützung findet Craemer in seiner jungen Mitarbeiterin Lena Vogel, die mit ihrem Schirm bewaffnet auch unkonventionelle Methoden einsetzt, um an Informationen zu kommen. Bald wird Craemer und Vogel klar, dass es hier um etwas ganz Großes gehen muss.

Deutschland im Kaiserreich

Die Belle Epoche war eine Zeit großer Veränderungen. Die industrielle Revolution ermöglichte neue Produktionsmöglichkeiten und die Luftfahrt begann sich zu entwickeln. Dadurch änderte sich auch die Gesellschaft: die Arbeiter wollten gehört werden und gründeten Gewerkschaften. Die Landschaft der politischen Parteien veränderte sich ebenfalls, die Sozialisten und Kommunisten bekamen aus der Arbeiterschaft immer größeren Zulauf. Frauen riefen nach mehr Rechten und brachen immer öfter aus dem herkömmlichen Frauenbild aus. Diese Atmosphäre des Aufbruchs haben die beiden Autoren ebenso gekonnt gezeichnet, wie auch das alltägliche Leben im Kaiserreich, das durch Hierarchien geprägt war und in dem das Militär einen hohen Stellenwert sowie großen Einfluss besaß.

Zwei ungewöhnliche Hauptpersonen

Mit Lena Vogel bringen die Autoren eine Frau ins Spiel, die sich zu behaupten weiß und so gar nicht der propagierten Rolle als Frau und Mutter entspricht. Leider sind die Autoren mit dieser Darstellung manchmal zu weit gegangen und lassen dadurch die Figur Lena teilweise eher unrealistisch als revolutionär erscheinen. Auch Major Craemer ist nicht der übliche Geheimdienstoffizier. Als Quereinsteiger aus dem Polizeidienst wird er von den Militärs nicht ernst genommen, befindet sich damit auch in der Position eines Außenseiters. Mit Vogel und Craemer unterstreicht das Autorenduo aber nicht nur den Aufbruch aus alten Strukturen, sondern auch die Ausnahmestellung des Militärs, das mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet war und diese zudem oft ungestraft überschreiten durfte.

Verschiedene Perspektiven und rasante Ortswechsel

Die Spannung wird vor allem durch unterschiedliche Perspektiven aufgebaut. Nicht nur Lena und Craemer agieren als Protagonisten; Lena bekommt zudem den Flieger Gustav an die Seite gestellt, der ihr bei den Ermittlungen behilflich sein soll. Dazu kommen zu Beginn des Buches immer wiederkehrende Rückblicke in die Vergangenheit, die sich bald allerdings in das Gesamtbild einfügen.

Die rasanten Ortswechsel tragen zudem viel zur Spannung bei. Lena und Gustav verfolgen Spuren, die sie von Bingen bis ins Saarland führen, während Craemer in Berlin ermittelt. Leider kann man sich sehr schnell denken, wer hinter den Morden steckt, doch die endgültige Auflösung ist so nicht zu erahnen. Schade ist, dass die Handlung manchmal nur durch Zufälligkeiten oder Ahnungen vorangetrieben wird, was sehr konstruiert wirkt. Außerdem sind den beiden Autoren leider einige inhaltliche Fehler unterlaufen, die streng genommen die ganze Handlung ad absurdum treiben. Das alles tut der Spannung nicht gut, die zwar immer wieder durch Wendungen angekurbelt werden soll, aber dennoch über lange Strecken nicht da ist.

Fazit

Geschickt gestricktes Debüt einer neuen Krimi-Reihe. Das Autorenduo entführt ebenso rasant, wie atmosphärisch dicht in die spannungsgeladene Zeit vor dem 1. Weltkrieg. Wer sich von den inhaltlichen Fehlern nicht beeinflussen lässt, wird mit einem Krimi belohnt, der zwei ungewöhnliche Hauptfiguren hat, die in einem Fall ermitteln, der genau in diese Zeit der Spannungen zwischen Deutschland und Frankreich passt.

Fabrik der Schatten

Rainer Wittkamp, Matthias Wittekindt, Heyne

Fabrik der Schatten

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