Der süße Duft des Blutes

  • Bastei Lübbe
  • Erschienen: Januar 2003
  • 2
  • Bergisch Gladbach: Bastei Lübbe, 2003, Seiten: 382, Übersetzt: Margret Fieseler
Der süße Duft des Blutes
Der süße Duft des Blutes
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Wolfgang Weninger
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2003

Dieses Buch taucht ein in die Welt der gestrandeten Künstler und der Reichen

In einer (russischen) Baugrube wird eine weibliche Leiche gefunden. Blond, zierlich und mit bekleidet. Allerdings fehlt die Unterwäsche und ihr Körper wurde von einem schrecklichen Werkzeug durchbohrt.

Nikita Kolossow, Chef der Moskowiter Mordkommission beginnt zu ermitteln und auch die Polizeireporterin, Katja Petrowskaja, welche die Tote kannte, streckt gemeinsam mit ihren "schlampigen" Verhältnissen, dem Bodyguard Wadim Krawtschenko und dem Möchtegernforscher Fürst Sergej Meschtscherski, ihre kriminalistischen Fühler aus.

Die junge Frau, deren Leiche nun in der Gerichtsmedizin untersucht wird, war Schauspielerin. Im Laufe der Ermittlungen kommen immer mehr weibliche Leichen zum Vorschein, alle zierlich, blond und mit Theaterambitionen. Und jede starb an der selben Verletzung, erstochen mit einem Werkzeug, das ein Loch so groß wie eine Kopeke hervor rief.

Kolossow und Katja dringen bei ihren Untersuchungen tief in die Moskowiter Künstlerwelt ein. Jemand lässt sich junge, unbemittelte Schauspielerinnen vermitteln, um diese ihrem traurigen Schicksal zuzuführen. Als dieser vermeintliche Vermittler gefunden wird, hat auch ihn die Hand eines Mörders ereilt. Doch der Serienmörder muss unter allen Umständen gefunden werden, bevor das nächste Opfer in einer Baugrube endet.

Tatjana Stepanowa, geboren 1966 und studierte Juristin, weiß, wovon sie in ihrem Buch "Der süße Duft des Blutes" schreibt, da sie selbst im Polizeidienst tätig war. Nachdem Glasnost und Perestrojka die sowjetischen Staaten ihrer kommunistischen Ordnung beraubt haben, zeichnet Stepanowa ein Bild der russischen Hauptstadt, das einerseits von der Dekatenz neureicher Geschäftsleute beherrscht wird, deren Businessmethoden fast klassische Mafiastrukturen aufweisen. Auf der anderen Seite ist die Bevölkerung tief in die Armut geschlittert und es erhebt den Anschein, als würde dieses Leben für die Menschen nur mehr im Wodkarausch oder Drogendelirium auszuhalten sein.

Und so zeichnet Stepanowa in ihrem bislang neunten Roman (von denen in der Bastei Lübbe Verlagsgruppe jedoch erst zwei erschienen sind) um das Kriminalistengespann Kolossow/Petrowskaja) ein Schwarz-Weiß-Bild der russischen Gesellschaft, in dem es keinen Mittelstand gibt, sondern nur Überlebenskämpfer. Und zwar solche, die es geschafft haben und jene, die daran scheitern. Ständig wird der Blick auf den Westen und seine Konsumgüter gelenkt, so als sollte Moskau zu einer einzigen McDonaldisierung umfunktioniert werden. Stepanowa legt keinerlei Wert auf russische Kultur, russische Geschichte und Ähnliches, so als würde sie sich dessen schämen.

Dieses Buch taucht ein in die Welt der gestrandeten Künstler und der Reichen, die alles haben und nicht wissen, wie sie ihr Geld beim Fenster hinaus werfen sollen. In schon fast dostojewskischer Düsternis baut Stepanowa von der ersten Seite an Spannung auf. Relativ schnell erkennt der Leser, worum es in der Geschichte geht. Doch es ist nicht die kriminalistische Arbeit um Kolossow und Petrowskaja, die den Leser bei der Stange hält, sondern die exzentrische Lebensart der Mörderclique und ihres potentiellen nächsten Opfers.

Die Charaktere in diesem Kriminalroman sind samt und sonders so extrovertiert, dass man schon fast von lauter Verrückten sprechen muss. Wobei auch die Lebensweise der Ermittler nicht gerade hiesigen Verhältnissen entspricht, sondern auf den Nicht-Russland-Kenner als ausgesprochen exotische Lebens- und Literaturlandschaft wirkt. In diesem Sinn fällt es auch schwer, sich mit irgendeiner Person zu identifizieren und die Kriminalisten bleiben dem Leser weitgehend fremd und mit wenig Sympathie behaftet.

"Der süße Duft des Blutes" liest sich zu Beginn nicht gerade leicht. Es hätte dem Buch (in unseren Breiten) besser getan, anstatt eines Inhaltsverzeichnis ein Personenverzeichnis voran zu stellen. Aber Stepanowa überzeugt im weiteren Verlauf mit einer intensiven Auseinandersetzung mit Oscar Wildes "Salomé", die zu einem Schlüsselerlebnis in diesem Roman wird. So, wie der 1900 in Paris gestorbene Wilde einerseits in der dekatenten Bürgerschaft brilliert hat und später nach seinem Gerichtsprozess um den Tod seines Lebensgefährten Lord Alfred Douglas in die Armenviertel abgerutscht ist, so perfekt setzt auch Stepanowa dieses Milieu auf russischem Terrain in diesem lesenswerten Krimi um.

Der süße Duft des Blutes

Tatjana Stepanowa, Bastei Lübbe

Der süße Duft des Blutes

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