Die Theologie des Wildschweins

  • Eisele
  • Erschienen: Mai 2021
  • 5

- OT: La teologia del cinghiale

- aus dem Italienischen von Silvia Spatz

- TB, 288 Seiten

Die Theologie des Wildschweins
Die Theologie des Wildschweins
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Sabine Bongenberg
45°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2021

Der Gott des Durcheinanders

Wer als sardischer Polizist in den 60er Jahren auf Sardinien arbeitete, der hatte zwar grundsätzlich einen recht ruhigen Job – aber einfach war er nicht. Ja, wäre ein Italiener vom Festland hier als Ordnungshüter angestellt, dann wäre das eine andere Sache; aber von einem Sarden erwarteten die Sarden nun ein gewisses „Verständnis“ für ihre kleinen und manchmal größeren Gesetzesübertretungen, und so musste es nicht überraschen, dass die Aufklärungsrate solcher Polizisten dann doch manchmal stark hinter den Erwartungen zurückblieb. Vor diesem Problem steht auch Maresciallo De Stefani, als er verschiedene mysteriöse Fälle auf der Insel aufklären muss: Da sind der stadtbekannte Alkoholiker Bachisio Trudino, der notdürftig verscharrt in den Bergen gefunden wurde, seine Witwe Elvira Bòttaru, die am Balken ihrer kleinen Hütte hing, der Verbrecher Peppinu Golòvru, der sich lange der Justiz, aber nicht dem Tod entziehen konnte, und nicht zuletzt das rätselhafte Verschwinden des Wunderkindes Matteo Trudino. Die Dorfgemeinschaft schweigt sich vor dem Maresciallo eisern aus - kommt aber nicht umhin, dem Dorfpfarrer Don Cossu die Sünden zu beichten - damit dürfte er der am besten informierte Mann der Gegend sein, wenn ihm auch sein Wissen dank des Beichtgeheimnisses nicht allzu viel nützt.

Gesuinue Némus (alias Matteo Locci) beschreibt in seinem Debutroman den langsamen Takt, der in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts noch auf der Insel Sardinien herrschte. Noch waren die Einwohner unter sich, noch wurden sie nicht regelmäßig von Touristen geflutet, und noch verdiente man sich gerne ein Zubrot durch Viehdiebstahl, Entführungen oder Wilderei und wurde nicht verpfiffen, denn es galt das Schweigegesetz, das der Omérta. Alle diese kleinen Bausteine hat Némus in seinem Roman festgehalten, und wenn auch die vielen italienischen Begriffe und abschnittsweise sogar Passagen beim Lesen ein wenig nerven, so könnte doch ein Werk entstanden sein, das viele kleine Eigenheiten Sardiniens wie in einem gut getakteten Ziegelsteinmauerwerk vereint. Leider ist diese Idee aber nur abschnittsweise gelungen. Es gibt sie tatsächlich, die kleinen Juwelen, wo Némus einen charmanten Krimi in einem eigenen Takt erschaffen hat - aber diese sind in dem ganzen Wust von unterschiedlichen Erzählern, verschiedenen Standpunkten und unterschiedlichen Zeiten, die ohne größere Erklärung oder Einführung eingerichtet wurden, schwer zu finden. Die Theologie des Wildschweins, so charmant der Titel auch klingen mag und so hübsch das Buch gestaltet ist, scheint in erster Linie dem Gott des Durcheinanders zu huldigen und vermag meiner Meinung nach allenfalls den ganz frischen Sardinien-Heimkehrer zu begeistern – sofern es davon zur Zeit welche gibt.

Fazit

Wer sich mit der Theologie des Wildschweins auseinandersetzen möchte, braucht in meinen Augen die Geduld eines Trüffelschweins, so verworren sind die einzelnen Erzählstränge und die eigenartigen Kapitel. Mit viel Geduld, Schnüffeln und Graben lässt sich sicherlich die eine oder andere lesenswerte Passage herausfinden, und auch den Sardinien-Liebhaber mag vieles an vergangene Urlaube oder an alte Zeiten erinnern. Wer sich nicht zu dieser Gruppe zählt, kann sich bestimmt auch mit einem schönen Stück Pecorino ein gewisses „sardisches Gefühl“ zaubern – aber dieses Wildschwein kann ich dazu nur bedingt empfehlen.

 

Die Theologie des Wildschweins

Gesuino Némus, Eisele

Die Theologie des Wildschweins

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