13 Kriminal-Stories

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 1963
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Originalausgabe erschienen unter dem Titel „Ellery Queen’s Anthology #4“

- New York : Davis 1963. 320 S.

- München : Heyne Verlag 1963. Übersetzt von Hans P. Thomas. [keine ISBN]. 297 S.

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Michael Drewniok
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2019

Die alte Schule: 13 kriminell spannende Geschichten

- Rex Stout: Der Doppelgänger (Help Wanted, Male; 1945), S. 7-55 - Als ein anonymer Strolch ankündigt, Detektiv Nero Wolfe töten zu wollen, heuert dieser einen Doppelgänger an, während er und Assistent Archie Goodwin nach dem Gegner fahnden.

- Rufus King: Die y-förmige Narbe (The Y-Shaped Scar; 1939), S. 56-76 - Ein verräterisches Körpermal könnte dafür sorgen, dass ein Justizirrtum endlich aufgeklärt wird; dumm, dass dies auch dem Täter bekannt ist.

- Thomas Walsh: Cop Calhouns dienstfreie Nacht (The Night Calhoun Was Off Duty; 1938), S. 77-92 - Während er eigentlich der Geburt seines Sohnes entgegenfiebert, muss Polizist Calhoun eine lebensbedrohliche Situation klären.

- Anthony Boucher: Ein Fall für kluge Leute (A Matter of Scholarship; 1955), S. 93-95 - Ein Fachmann für das Kriminelle geht von der Theorie zur Praxis bzw. zum Wahnsinn über.

- Hugh Pentecost: Mord beim Golfturnier (Murder Plays Through; 1952), S. 96-146 - Der Champion wird mit einem Golfschläger erschlagen, und es gibt viele Kandidaten, die diesen geschwungen haben könnten.

- Jack London: Der weise Schamane (The Master of Mystery; 1902), S. 147-160 - Der Dorfschamane überführt nicht nur einen Dieb, sondern schaltet auch einen gefährlichen Konkurrenten aus.

- Mackinlay Kantor: Der Anfänger (Sparrow Cop; 1933), S. 161-178 - Streifenpolizist Glennan und sein Bruder, Detective in Zivil, treffen sich ahnungslos am Schauplatz eines Verbrechens, wo Mörder beide erwarten.

- Ellery Queen: Die drei Witwen (Murder without Clues/The Three Widows; 1950), S. 179-185 - Niemand hatte Gelegenheit, die alte Mrs. Hood umzubringen, aber tot ist sie trotzdem; selbst Meisterdetektiv Ellery Queen muss lange nachdenken, bis er weiß, wie dieser Mord gedreht wurde.

- Charlotte Armstrong: Die Hecke (Meredith’s Murder/The Hedge Between; 1953), S. 186-219 - Die 15-jährige Meredith ist von einer alten Bluttat fasziniert und findet zufällig den Schlüssel zur Klärung, was vom Täter mit steigender Unruhe registriert wird.

- Leslie Charteris: Der Mann mit den grünen Scheinchen (The Very Green Goods Man/The Green Goods Man; 1932), S. 220-243 - Betrüger Lucek hat Pech, denn er gerät an den „Heiligen“, der ihn an Gaunerschliche weit übertrifft.

- George Harmon Coxe: Die Sterbeurkunde (Death Certificate; 1947), S. 244-265 - Der todgeweihte Arzt hinterließ auf der ihm abgezwungenen Urkunde einen Hinweis, den nur ein medizinfachkundiger Kollege, nicht aber die Polizei erkennt.

- John D. MacDonald: Immer diese ganz Schlauen (I Always Get the Cuties; 1954), S. 266-277 - Ein Mörder glaubt an die absolute Perfektion seiner Tat, übertreibt es aber mit der Verschleierung.

- John Dickson Carr: Das verschlossene Zimmer (The Locked Room; 1940), S. 278-297 - Bücherwurm Seton liegt mit eingeschlagenem Schädel in seinem fest von innen verriegelten Arbeitszimmer. Nur Dr. Gideon Fell kann dieses Rätsel lösen.

Eine Schatztruhe wird geöffnet

1941 gab es auf dem US-Magazinmarkt einen Neuzugang: Der Verlag Mystery Press lancierte „Ellery Queen’s Mystery Magazine“. Geboten wurde an sich der übliche Mix aus Krimi-Storys und Genre-Infos, doch es zeigte sich rasch, dass hinter den Kulissen schärfer als bei Konkurrenzprodukten auf Unterhaltungsqualität geachtet wurde: „Ellery Queen“ gab dem Magazin nicht nur den Namen. Frederic Dannay - mit Manfred Bennington Lee steckte er hinter dem Queen-Pseudonym - nahm seine Herausgeberschaft sehr ernst. Volle vier Jahrzehnte übte er sie aus. In dieser langen Zeit reifte „EQMM“ zu einem der besten Magazine für Kriminalstorys heran. Tatsächlich erscheint es - wenn auch ‚nur‘ noch online - bis heute. Die fähigsten Autoren des Genres gaben (und geben) sich dort die Klinke in die Hand.

Der Erfolg war ebenso enorm wie der Lesehunger des Publikums. Das „Ellery-Queen“- Branding wurde deshalb u. a. genutzt, um ab 1961 Anthologie-Bände herauszugeben, die nicht auf „EQMM“, sondern auf ältere Buchveröffentlichungen und andere Magazine zurückgriffen. Für wenig Geld erhielt der Käufer ein eng bedrucktes ‚Taschenheft‘ im „Digest“-Format. Es bot normalerweise drei „Kurzromane“, drei längere Storys und etwa ein Dutzend Kurzgeschichten.

Auch in Deutschland griff man auf „EQMM“ zurück. Zwischen 1961 und 1992 veröffentlichte der Heyne-Verlag genau 100 Auswahlbände. Die Original-Vorlagen wurden nie 1 : 1 übernommen, und das galt auch für „Ellery Queen’s Anthology“, wobei diese Storys der 1963 eingeführten Reihe „Heyne-Anthologien“ vorbehalten blieben. Auf 300 zweispaltig bedruckten Seiten und im Paperback-Format wurden dem deutschen Publikum oft großartige Erzählungen vorgestellt, die in ihrer Mehrzahl später nie neu aufgelegt wurden: Wer klassische Kurz-Krimis liegt, sollte antiquarisch unbedingt nach diesen Bänden fahnden!

Alte Meister und ebensolche Hasen

Allerdings boten die deutschen Ausgaben wie gesagt nie eine vollständige Übersetzung. Schuld war die hierzulande übliche Seitennormierung: Für Taschenbücher (und Heftromane) gab es eine ‚vorgeschriebene‘ Seitenzahl. So konnte man die notwendige Papiermenge und damit die Druckkosten kalkulieren. Was die vorgesehene Länge - für die „Heyne-Anthologien“ lag sie zunächst bei 304 Seiten (Werbung inklusive) - sprengte, wurde einfach ausgelassen. Deshalb fehlen stets Storys, was sich jedoch - auch mangels (deutschsprachiger) Alternativen - dank des ausgezeichneten ‚Restbestands‘ verschmerzen lässt.

Die übernommenen „Kurzromane“ stammen von Rex Stout (1886-1975) und Hugh Pentecost (d. i. Judson Pentecost Philips, 1903-1989). Stout legt eine seiner zahlreichen Erzählungen um das Detektiv-Gespann Nero Wolfe und Archie Goodwin vor. Zwar bietet er viel Krimi- bzw. Serien-Routine, kann aber als mit allen Populärkultur-Wassern gewaschener Profi für Spannung sorgen und das Ergebnis mit einer unerwarteten Wendung toppen. Pentecost steht ihm nicht nach, setzt aber stärker auf den ‚Faktor Frau‘ und die daraus resultierenden, zeitgenössische Klischees konservierenden Konsequenzen. Außerdem mischt er dem (ebenfalls geschickt finalisierten) Garn eine ordentliche Prise Sentimentalität bei.

Weitere Alt- und Großmeister sind Ellery Queen (= David Nathan/Frederic Dannay, 1905-1982, u. Emanuel Benjamin Lepofsky/Manfred Bennington Lee, 1905–1971),  Charlotte Armstrong (1905-1969) und John Dickson Carr (1906-1977). Sie bieten, was ihre Leser wünschen: klassische Rätselkrimis, die trotz der gebotenen Kürze eine überraschende Auflösung bieten - eine Herausforderung, die auch Leslie Charteris (1907-1993) erfolgreich annimmt. Man hat ihn hierzulande vergessen, obwohl seine Romane und Erzählungen um den „Heiligen“ - einen Gauner, der einfallsreich und heiter nur Schurken und Schufte schädigt - einst auch in Deutschland gern gelesen wurden. Beiderseits des Atlantiks im literarischen Niemandsland gelandet ist Rufus King (1893-1966), dessen altmodische Story mit einschlägigen „Noir“-Elementen angereichert ist.

Unterhaltungsprofis und ein Ausreißer

Auch der ‚modernen‘ Kriminalität wird Raum gewidmet. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg traten nicht raffinierte, sondern ‚professionell‘ brutale Räuber und Mörder (trivial-) literarisch auf, während die „Verbrechen aus Leidenschaft“ mit eindeutigeren Details in Szene gesetzt wurden. Nach 1945 kam der psychologische Aspekt und damit die unangenehme Erkenntnis, dass manche Bluttat nicht durch Gier oder Geilheit allein erklärt oder verhindert werden kann; Anthony Boucher (1911-1968) benötigt nur zwei Seiten, um eine solche Schreckensgestalt darzustellen.

Mainstream-tauglicher, d. h. mit Blut und Tragik nicht sparend, aber den Sieg der Gerechtigkeit verkündend, stellen uns Thomas Walsh (1908-1984), Mackinlay Kantor (1904-1977), George Harmon Coxe (1901-1984) und (der durch seinen Serienhelden Travis McGee zu Weltruhm gelangten) John D. MacDonald (1916-1986) hart für die Polizei arbeitende Anti-Helden vor, die alles gesehen und erlebt haben, notorisch überlastet und unterbezahlt ihren Dienst leisten, sich notfalls (und ohne Dank) eine Kugel einfangen, aber sich nie lange von Strolchen auf den Nasen herumtanzen lassen. Der Unterton ist durchaus moralisierend; „Crime Doesn’t Pay“ steht als Motto unsichtbar über jeder dieser betont ‚sachlich‘ geschriebenen Storys, die sich an einen Polizeibericht zumindest anlehnen wollen.

Dass auch vor dem Ersten Weltkrieg „Krimi“ keineswegs mit „Sherlock Holmes“ gleichzusetzen war, belegt der ‚Ausreißer‘ unter den hier gesammelten Geschichten. Jack London (d. i. John Griffith Chaney, 1876-1916) kennt man heute als Verfasser (vielfach verfilmter) abenteuerlicher Werke wie „Der Seewolf“ oder „Wolfsblut“, doch er hinterließ u. a. auch 200 Storys, darunter diese archaisch-düster startende Mär vom später ‚komisch‘ aufgeklärten Diebstahl in der nordamerikanischen ‚Wildnis‘. Aus heutiger Sicht geht dieser Spaß auf Kosten der (imaginären) Ureinwohner, die als kindlich einfältige Zeitgenossen dargestellt werden, was aus zeitgenössischer Sicht keineswegs niederträchtig, sondern üblich war. Andererseits erweist sich London trotz des ungewöhnlichen Ambientes einmal mehr als Sozialkritiker eines Kapitalismus‘, in dem er scharf zwischen „Ausbeutern“ und einer künstlich dumm gehaltene Unterschicht differenziert.

Fazit:

13 Erzählungen bieten gut gemischte Krimikost überwiegend aus den 1930er bis 1950er Jahren: klassische Whodunits, ‚harte‘ Cop- und Gangster-Storys sowie einige Psycho-Thriller. Da diese Sammlung auch und gerade hierzulande lange vergriffen ist, bietet der antiquarische Fund die Möglichkeit, mindestens mittelmäßige und manchmal ausgezeichnete Kurz-Krimis kennenzulernen.

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