James Bond. Moonraker

  • Scherz
  • Erschienen: Januar 1967
  • 1
  • London: Jonathan Cape, 1955, Titel: 'Moonraker', Seiten: 255, Originalsprache
  • Bern; München: Scherz, 1967, Titel: 'Mondblitz', Seiten: 208, Übersetzt: M. F. Arnemann
  • Bern; München: Scherz, 1979, Titel: 'Mondblitz', Seiten: 171
  • Bern; München; Wien: Scherz, 1989, Titel: 'Mondblitz', Seiten: 171
  • Bern; München; Wien: Scherz, 1999, Seiten: 171
  • München: Heyne, 2003, Seiten: 240
  • Ludwigsburg: Cross Cult, 2012, Seiten: 340, Übersetzt: Stephanie Pannen & Anika Klüver
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Michael Drewniok
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonNov 2003

Nostalgie vergoldet nicht jedes Blech!

Er ist ein Kriegsheld, einer der erfolgreichsten Geschäftsmänner seiner Zeit, märchenhaft reich, ein Philantrop, der mit Spendengeld um sich wirft. Jetzt finanziert und konstruiert Hugo Drax seinem britischen Heimatland sogar die modernste Rakete aller Zeiten, die Atombomben an jeden Ort der Erde tragen kann, wo Kommunistenpack oder anderer Abschaum sich gegen die freie Welt des Westens verschwören mag.

"Moonraker" ist für die auch in diesem Jahr 1955 notorisch klamme Regierung Ihrer Majestät ein Geschenk des Himmels. An der englischen Küste nahe Dover wird die Wunderrakete gebaut und in Stellung gebracht. Zwischenfälle sind da unerwünscht. Um so peinlicher, dass ausgerechnet M, der die 00-Abteilung des Secret Service - zuständig für ganz besonders diffizile Geheimdienstaufgaben - leitet, den in seinem Lieblingsclub zockenden Drax als Falschspieler entlarvt. Guter Rat ist teuer, um den Skandal zu vermeiden. So bittet M James Bond, Dienstnummer 007, um Hilfe.

Der mit allen Wassern gewaschene Bond versetzt Drax am Spieltisch eine Niederlage, die dieser niemals vergessen wird - dies buchstäblich, denn der gedemütigte Drax schwört Bond offen Rache. Dieser hält seinen Gegner für einen Geisteskranken am Rande des Cäsarenwahns. Wie Recht er damit hat, findet er heraus, als er nach mysteriösen Ereignissen in der "Moonraker"-Station herausfindet, dass Drax sein Land nicht beschützen, sondern verraten will: Die Wunderwaffe gehorcht nur seinem bzw. der teuflischen Sowjets Befehl! London soll im Atomfeuer untergehen, damit sich die freie Welt den Roten unterwirft. James Bond ist der einzige, der den perfiden Plan vielleicht im letzten Moment zum Scheitern bringen kann. Das Problem ist nur, dass Drax ihn keineswegs vergessen hat und sich gern die Zeit nimmt, Bond ein ganz besonders übles Ende zu bereiten...

Das dritte James Bond-Abenteuer gehört ganz sicher nicht zu den Besten. In einzelnen Passagen zeigt sich zwar Flemings Meisterschaft, einen spannenden Thriller zu erzählen. Die Sequenzen in und um den "Moonraker" gehören sicherlich dazu. Erhellend auch die Schilderung von Bonds üblichem Arbeitstag, der so gar nichts vom Alltag eines Super-Agenten hat. Das war's aber auch wohl schon.

Statt dessen irritiert "Moonraker" durch außerordentliche strukturelle und inhaltliche Schwächen. Da ist natürlich vor allem das berühmte Kartenspiel-Duell, das fast ein Drittel des Romans in Anspruch nimmt. Fleming verstand sich aufs Spiel, das ist sicher, und es war ihm so wichtig, dass er mit der für ihn typischen Detailfreude nicht davor zurückschreckt, dem Leser vor Bonds letzter Attacke den Spielstand per Diagramm vor Augen zu führen - das soll die Spannung erhöhen, dürfte aber wohl nur bei passionierten Kartenhaien funktionieren.

Dann gibt es da eine nächtliche Autoverfolgungsjagd zwischen Drax, der die gefangene Gala Brand entführt hat, und Commander Bond, der dem Schurken hinterherjagt. Selten wird die Diskrepanz zwischen 007-Büchern und -Filmen deutlicher als hier: Mit einem Durchschnittstempo von 150 Stundenkilometern auf ansonsten völlig leerer Straße hält sich die Spannung heute, wo die Fetzen buchstäblich fliegen müssen, in Grenzen. Ein zufällig des Wegs daherkommender Rennfahrer (!) muss flugs als Bauernopfer dienen, um die Gefahr dieser "Hetze" zu verdeutlichen.

Der (oder die?) "Moonraker": Ein MacGuffin reinsten Wassers - ein Element, das die Handlung irgendwie legitimieren soll, sich bei näherer Betrachtung freilich als Schwachsinn entlarvt. Welche Regierung würde eine solche Superwaffe von einem Privatmann finanzieren und bauen lassen? Das Militär darf den "Moonraker" offenbar nur bewachen. Ansonsten kann Drax nach Belieben schalten und walten.

Dabei lässt er sich ausgerechnet von Nazis zur Hand gehen. "Moonraker", der Roman, entstand 1955. Da war die Erinnerung an die Schrecken des II. Weltkriegs und an jene, die ihn vom Zaun gebrochen hatten, noch frisch. Es half bei der Schurkenwahl auch das Wissen, dass deutsche Wissenschaftler, die Hitler eine Raketenwaffe versprochen hatten, ohne besondere Nachprüfung etwaiger Kriegsverbrechen nach 1945 zwischen den östlichen und westlichen Siegermächten "aufgeteilt" wurden. Der Kalte Krieg förderte diese eigenwillige Form der Reintegration. Trotzdem wirkt der Gedanke an eine Art Werwolf-Stoßtrupp, der zehn Jahre nach dem Ende des "III. Reiches" in den Dienst der Sowjetunion tritt, wenig überzeugend, zumal Drax" Mannen genau jene "Dein auf ewig, mein Führer!"-Knallchargen sind, mit denen uns die Angelsachsen in Buch und Film seit Jahrzehnten zu ärgern pflegen.

James Bond ist nach Ian Fleming keineswegs der ständig die Welt rettende Supermann, sondern primär ein Beamter, der acht Stunden täglich Schreibtischarbeit leistet und nur zwei- bis dreimal pro Jahr außergewöhnliche Missionen zu erfüllen hat. Die ersten Seiten von "Moonraker" schildern diesen ganz und gar nicht heldenhaften Alltag. Wieder bestätigt sich, dass der Bond des Kinos mit dem des Buches herzlich wenig zu tun hat.

007 bleibt dieses Mal zu Hause, d. h. in England. Dort hat er eigentlich nichts verloren; er arbeitet normalerweise im Ausland. Dort sehen wir ihn ehrlich gesagt auch lieber, denn Bond erweist sich als erschreckend konservativer Charakter. Er liebt die feudale Kulisse lederstaubiger Clubs und hält es auch sonst gern mit den Mächtigen dieser Welt.

Dazu gehört die totale Identifikation mit dem "Job", der den bedingungslosen Krieg gegen die UdSSR beinhaltet. In seiner Zeit erregte Bond damit kein Aufsehen (außer bei den erwartungsgemäß erzürnten Sowjets). Heute wirkt sein Fanatismus angestaubt.

Bond "funktioniert" am besten dort, wo er handelt. Der Kampf um und gegen die startende Atomrakete, die nächtliche Verfolgungsjagd, sogar das Gefecht am Spieltisch - hier ist 007 in seinem Element, hier kann er noch heute begeistern.

Auch seine Elan als "Womanizer" wird nicht lächerlich überstrapaziert wie in den Filmen. Gala Brand fühlt sich von ihm durchaus angezogen, aber sie erliegt ihm nicht. Im Finale steht Bond mit leeren Händen da. (Das ist im Kino nur George Lazenby geschehen, und der zählt bekanntlich nicht.)

Mit Hugo Drax betritt ein weiterer der körperlich wie geistig dekorativ deformierten Bösewichter die Flemingsche Thriller-Arena. Dieses Mal übertreibt es der Autor freilich maßlos: Drax ist hässlich, grob, kein Gentleman. Daraus ergibt sich quasi automatisch, dass er ein irrer Schurke sein muss. Seine Überlebensgröße unterstreicht Fleming, indem er ihn als verkappten Nazi und Bundesgenossen der Sowjets gleichzeitig diffamiert: Kann ein Mensch tiefer sinken?

Drax' Größenwahn und seine Folgen werden medizinisch durchaus korrekt inszeniert. Auch Bond erkennt, dass der Schöpfer des "Moonraker" ein kranker Mann ist. Fragt sich bloß, wieso dies tausend Spezialisten der Regierung Ihrer Majestät nicht erkannt haben, bevor sie einem Privatmann gestatteten, mit einer Horde deutscher Finstermänner in einer verschwiegenen Geheimstation eine Superrakete zu bauen...

James Bond. Moonraker

Ian Fleming, Scherz

James Bond. Moonraker

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