Die Maske der Gewalt

  • Edition M
  • Erschienen: Juni 2019
  • 3
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Thomas Gisbertz
60°1001

Krimi-Couch Rezension vonSep 2019

Solider, aber allzu überfrachteter Thriller aus Wien

LKA-Ermittler Richard Schwarz weiß genau wie es ist, einem skrupellosen Mörder ausgeliefert zu sein. Seit dem Tag, an dem er als Kind miterleben musste, wie seine Mutter durch die Hand eines Freiers starb und er selbst schwer verletzt wurde, versucht er, seine eigene Verwundbarkeit zu verbergen. Als in Wien kurz nacheinander die Leichen zweier Frauen gefunden werden, setzt Richard alles daran, den Täter zu finden: Seine einzige Spur ist das merkwürdige Muster der Stichverletzungen auf ihren Körpern. Bis die Gerichtspsychiaterin Theres Lend sich an ihn wendet: Sie glaubt, den Mörder zu kennen.

Als Richards Schwester Sarah in München aus ihrem eigenen Zirkus entführt wird, spitzt sich die Lage zu. Für den Ermittler zählt jede Sekunde. Er muss Sarah retten, einen Mörder überführen – und seine eigenen Dämonen besiegen.

Rätselhaftes Muster

Eigentlich tritt er gerade als der geheimnisvolle Magier „Mister Domino“, der Mann mit der Maske, im Zirkus seiner Schwester Sarah auf, als Richard Schwarz einen Anruf von Chefinspektor Paul Marek erhält: Im WIG, einer Parkanlage im 10. Wiener Gemeindebezirk Favoriten, hat man die Leiche einer brutal ermordeten Frau gefunden: Das Opfer wurde stranguliert und mit einem Gegenstand aus Holz sexuell penetriert. Gestorben ist die Frau aber an den zahlreichen Stichverletzungen, die an ein Muster erinnern. Während die Ermittler noch rätseln, was dieses bedeuten könnte, hat der Täter bereits sein zweites Opfer getötet.

Inmitten der Suche nach dem Serientäter erhält Schwarz ein anonymes Video: Seine Schwester Sarah wurde entführt. Die Täter verlangen anschließend telefonisch 150.000 Euro oder die Auslieferung seines zukünftigen Schwagers Oliver, der mit Richards Schwester bereits zwei Kinder hat. Doch dieser ist bereits vor Tagen spurlos verschwunden. Hat er etwas zu verbergen?

Start einer neuen Reihe

Jennifer B. Wind wurde 1973 in Leoben geboren und wohnt mit ihrer Familie bei Wien. Die ehemalige Flugbegleiterin schreibt Romane für Jugendliche und Erwachsene, Drehbücher und Kurztexte. Zahlreiche Kurzgeschichten, Ratekrimis, Rezensionen und Gedichte hat Jennifer B. Wind in Literaturzeitschriften, Zeitungen, Anthologien und Magazinen veröffentlicht. Ihre Texte wurden bereits mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Sie ist auch als Rezensentin und Jurorin tätig und führt eine erfolgreiche Bücherkolumne im Blog-Stil auf dem Online-Portal der Frauenzeitschrift WOMAN.

Mit „Die Maske der Gewalt“ veröffentlicht sie den ersten Fall um den LKA-Ermittler Richard Schwarz. Band 2 liegt bereits im Lektorat und dürfte in den nächsten Monaten erscheinen.

Zu viele Themen und Sozialkritik

Eines muss vorweg gesagt werden: Die Autorin nimmt ihre Figuren und besonders das, was mit ihnen geschehen ist bzw. immer noch geschieht, sehr ernst. Besonders die inhaltlichen Themen des Thrillers wie häusliche Gewalt gegen Frauen, Computerspielsucht und insbesondere der Umgang mit Ängsten und Vorbehalten anderen Menschen gegenüber machen dies mehr als deutlich. Im Anhang hat Jennifer B. Wind zahlreiche Anlaufstellen für diese Themen angeführt. Die Autorin überzeugt in ihrem Thriller mit einer sehr detaillierten und genauen Recherchearbeit.

Aber es sind einfach zu viele Themen, die aufgegriffen werden, und anhand derer ständig Sozial- bzw. Gesellschaftskritik geübt wird. Angefangen beim großen Zirkussterben in Österreich seit dem Wildtierverbot, den fehlenden Kultursubventionen für die Darsteller, die Situation der Drogenszene in München, den dort fehlenden Drogen-Konsumräumen und der dadurch bedingten Nutzung der unterirdischen Gängesysteme unter dem Bahnhofsplatz, der Computerspielsucht und der häuslichen Gewalt an Frauen. Allesamt wichtige Themen, die den Thriller aber überladen und denen im einzelnen letztendlich zu wenig Raum eingeräumt wird. Hier wäre es ratsam gewesen, dem Roman nur ein zentrales Thema zu geben.

Blasse Figurendarstellung

Leider kommt bei den zahlreichen Inhalten, die Jennifer B. Wind in ihrem Thriller umsetzen will, eines zu kurz: die Figurendarstellung. Den zentralen Charakteren, wie dem seit seiner Kindheit entstellten Richard Schwarz oder die an einer Augenerkrankungen leidende Gerichtspsychiaterin Theres Lend, fehlt es an Tiefe und Schärfe. Es wäre interessant gewesen zu erfahren, wie beide mit ihren Problemen umgehen bzw.welche inneren Konflikte sie täglich auszufechten haben. Während das bei Lend noch in Ansätzen gelingt, werden bei Schwarz lediglich Andeutungen gemacht. Dabei bietet besonders der manische Umgang von Lend mit ihrer Augenerkrankung und des in ihrer eingebildeten Vorstellung schnellen Fortschreitens der Krankheit gerade bei einer Psychiaterin ein enormes Potential.

Schreckliches Kindheitserlebnis

Richard Schwarz‘ entstellter Körper hängt mit einem traumatischen Ereignis aus seiner Kindheit zusammen. Während seine Mutter gerade einen Freier befriedigt, kippt sich Richard als kleiner Junge das heiße Nudelwasser über seinen Körper. Dabei verbrüht er sich nicht nur das Gesicht, sondern zahlreiche weitere Körperteile. Weil seine Mutter ihm sofort helfen möchte, reagiert ihr Kunde wütend und tötet sie beim Sex.

Dieses Ereignis hat den Ermittler natürlich geprägt - körperlich wie seelisch. Schwarz hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, den Mörder seiner Mutter zu finden. Leider fehlt es an einer genaueren Innenperspektive bei der traumatisierten Person des Ermittlers. Dies ist zumindest bei Theres Lend, der die Diagnose ihrer zukünftigen Erblindung den Boden unter den Füßen wegzieht, zum Teil gegeben. Während sie ihren Patienten zu vermitteln versucht, wie diese mit Ängsten und Depressionen umzugehen haben, scheitert sie selber daran. Leider wird dieser durchaus interessante Ansatz, wie eine Psychiaterin versucht, ihre eigenen Ängste zu therapieren, von der Autorin nicht aufgegriffen und beleuchtet.

Oftmals zu klischeehaft

Bei allem Bemühen bleibt auch die eigentliche Handlung überwiegend schematisch und einfach. Es finden sich allzu oft zu schnelle und einfache Lösungen, besonders wenn Richard sich auf die Suche nach seiner Schwester und dem verschwundenen Oliver macht. Höhepunkte sind hier die Szenen, die sich in dem Piratenlokal „Chest & Clams“ abspielen. Nicht nur, dass der ansonsten so hilfsbereite Besitzer und Barkeeper Jörg seit zwölf Jahren zwei Mal wöchentlich gewaltbereite Drogendealer in seiner Kneipe duldet, auch deren Auftreten und Verhalten ist kaum an Schablonenhaftigkeit zu überbieten. Dass diese sogar Richard Informationen geben und ihm, einem völlig Unbekannten, vertrauen, und dass er ihnen später dafür hilft (!), amüsiert unfreiwillig.

Zumindest beim ehemaligen General Leopold Böckinger, der im Thriller als penetranter Hüter von Gesetz und Ordnung in Form des Anführers einer Bürgerwehr auftritt und Stammgast auf der Polizeistation ist, gelingt Jennifer B. Wind eine unterhaltsame Nebenfigur, die dem Leser in ihrer eindimensionalen und gleichzeitig selbstherrlichen Art nur allzu bekannt ist. Lustig wird es am Ende, wenn man erfährt, wie der Rechte Böckinger seinen Ansprüchen selber nicht genügt.

Fazit:

Veit Etzold hat über den Thriller geschrieben: „Die Maske der Gewalt hat mich von der ersten Seite an gefesselt. Die rasante Handlung, der packende Fall und vor allem die persönliche Geschichte des undurchsichtigen, aber charismatischen Ermittlers haben mich mehr als nur eine Nacht wachgehalten.“ Man muss sich nach der Lektüre fragen, wie der Berliner Autor zu diesem Schluss kommt. Jennifer B. Wind gelingt insgesamt aber ein solider, wenn auch durchschnittlicher Thriller, der aufgrund seiner Figuren sicherlich noch deutlich mehr Potential besitzt. Mit der Themenüberfrachtung tut sich die Autorin leider keinen Gefallen. Es bleibt zu wünschen, dass sie ihren Figuren in den nächsten Bänden mehr Tiefe und Schärfe gibt.

Die Maske der Gewalt

Jennifer B. Wind, Edition M

Die Maske der Gewalt

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