Der Deal

  • Europa
  • Erschienen: Januar 2003
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  • Hamburg; Wien: Europa, 2003, Seiten: 448, Übersetzt: Andreas C. Knigge & Nikolaus de Palézieux
Der Deal
Der Deal
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Sabine Reiß
52°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2003

mittelmäßiger Roman, den man nicht gelesen haben muss

Martin Quinn ist Ire, aufgewachsen in einem italienischen Viertel in New York und daher von klein auf mit der italienischen Mafia verbunden. Sein Freund Felix Pasko ist der Sohn des obersten Chefs der Russen-Mafia. Die beiden verbindet eine innige Männerfreundschaft, deren Geschichte man in "Der Deal" nach und nach erfährt. Am Beginn der Story steht jedoch gleich das Ende: Martin ist drauf und dran, seine Kanone auf Felix abzufeuern. Warum? Wahrscheinlich, weil er es nicht mehr ertragen kann, dass Felix mit Penny verheiratet ist, seiner Jugendliebe. Martin ist nach dem Tod ihres Vaters damals zur Armee gegangen, geflüchtet vor der Mafia, hat seine alte Heimat 7 Jahre nicht wiedergesehen und als er wiederkam, war es "passiert". Inzwischen hat er jedoch eine Affäre mit der Frau seines besten Freundes.

Er überlegt sich das Ganze noch einmal, doch da nimmt das Schicksal seinen Lauf. Terry Hughes, Laufbursche eines Mafioso und Feind seit vielen Jahren, kommt in den Garten und unterbricht das Zwiegespräch von Felix und Martin, indem er seine Pistole auf Martin richtet. Da dieser ebenfalls eine Waffe zieht, die allerdings gesichert ist, feuert Terry zunächst auf Martin, erschießt Felix mit Martins Pistole und drückt ihm diese wieder in die Hand. Und Martin erschießt damit dann wiederum Terry. Da das FBI "zufällig" hereinschneit, sieht es die für die Beamten so aus, als hätte Martin beide erschossen und die Sache mit der Notwehr will niemand glauben. Das FBI ist nämlich brennend daran interessiert, die Ermittlungen so zu gestalten, dass die Mordanklage bestehen bleibt. Allerdings sind sie nicht an Martin selbst interessiert, sondern an Lexi Pasko, dem großen Boss der Russen-Mafia und Vater von Felix, den Martin seit Jugendtagen kennt. Nun überlegt er sich, ob er auf den "Deal" mit dem FBI eingehen soll: Aussage gegen Lexi und Zeugenschutzprogramm. Was ist jedoch mit seinem Bruder, seiner Mutter und Penny? Und da ist ja auch noch der andere Deal - der Heroin-Import, den er mit Felix aufziehen wollte und wo das Geld mehr oder weniger sicher in einem Schließfach liegt...

Den Einstieg in die Geschichte kann man als extrem schwierig bezeichnen. Sicher ist es ganz interessant für den Leser, das Ende zuerst zu erfahren, doch diese Vorgehensweise des Autors erfordert eine erhöhe Aufmerksamkeit. Man kennt die ganzen Personen noch nicht und soll trotzdem begreifen, um was es geht. Dann wird nach und nach in Rückblicken die Geschichte aufgerollt, bis am Ende die beiden Erzählstränge verknüpft werden. All die alten Seilschaften, wer mit wem was gemacht hat, wer wen erschossen hat, das führt meines Erachtens zu Verwirrung. Anthony Lee geht wenigstens innerhalb der beiden Teile halbwegs chronologisch vor, beginnt in den Kindertagen von Martin, wie er Felix und Penny kennenlernt und wie die beiden Freunde ihr Geschäft aufziehen, doch er springt auch immer wieder in die Gegenwart, wo sich Martin Quinn mit dem FBI konfrontiert sieht.

Dieser Aufbau des Plots wäre für sich alleine gesehen wahrscheinlich sogar noch einfallsreich und ein Spannungsträger, aber in Kombination mit dem Stil des Autors wird der Leser noch mehr gefordert. Erzählt wird die Geschichte aus Sicht eines Dritten mit sehr viel direkter Rede, aber auch vielen Einschüben von Gedanken und Kommentaren, die Martin als Hauptperson betreffen. Daraus resultiert, dass oft nicht klar herauskommt, wer gerade spricht. Da hilft nur eines: zurück an den Anfang des Gesprächs, um regelrecht abzuzählen, zu welcher Figur welche Aussage gehört. Die beschreibenden Passagen sind sehr häufig durch kurze Sätze geprägt, über die Augen fast zu schnell hinweg eilen wollen, was aber aufgrund der komplexen Erzählweise nicht anzuraten ist. Alles in allem ist der Lesefluss daher als recht schwergängig zu charakterisieren, keinesfalls handelt es sich jedoch um anspruchsvolle Lektüre.

"Er war ohnmächtig gewesen. Es war dasselbe Zimmer, dasselbe Licht, die gleichen Schatten an der Wand, und trotzdem war alles anders. Er lag auf dem Rücken. Zeit war verstrichen. Nicht viel, aber sie war verstrichen. Jemand hob seinen Kopf an, eine Hand unter seinem Nacken, klein und stark. Er sah auf. Sah die Schwester. Eine andere, älter. Ein wenig dicker. Sie sah ihn nicht an. Der Arzt verband ihm den Kopf. Corso war ebenfalls da. Die Wut lag noch auf seinem Gesicht, aber sein Körper hatte sich entspannt." (S. 53)

Die Geschichte ist nicht spannend im eigentlichen Sinne und doch wird der Leser auf die Folter gespannt. Ein positiver Aspekt: Langeweile kam bis zum Ende keinesfalls auf, nein, man ist quasi gezwungen, weiterzulesen, doch das Ende war dann leider doch enttäuschend. Die erhoffte Erklärung lieferte der Autor nicht. Keine Tätersuche, keine Auflösung, das war von vorneherein klar, aber Anthony Lee konnte auch kein Verständnis für die Beweggründe der Hauptperson hervorrufen, er hinterlässt nur Fragezeichen.

"Der Deal" ist eine Mafiageschichte, die man nur schwer nebenher lesen kann, kein Krimi, aber vielleicht ein Thriller, bei dem keiner siegt, weder die Guten, noch die Bösen. Meines Erachtens handelt es sich dabei um einen mittelmäßigen Roman, den man nicht gelesen haben muss, abraten davon will ich aber auch nicht - es kommt auf das persönliche Interesse an.

Der Deal

Anthony Lee, Europa

Der Deal

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