Der Outsider

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 2018
  • 5
  • München: Heyne, 2018, Seiten: 752, Übersetzt: Bernhard Kleinschmidt
Der Outsider
Der Outsider
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Annette Wolter
90°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2018

Das Böse ist wieder da

Ein Baseballspiel in einer kleinen, typisch amerikanischen Stadt namens Flint City. Die Welt ist noch in Ordnung, es gibt Bacon zum Frühstück und Trainer Terry Mailand ist auf dem Baseball-Platz in seinem Element.

Aber die Ordnung wird nachhaltig gestört: Ein Mord ist passiert. An einem Jungen, der zufällig einen "Platten" am Fahrrad hatte. Barbarisch. Unmenschlich. Kannibalistisch. Die Polizei möchte Maitland ohne große Untersuchung direkt vor allen Leuten auf dem Baseball-Platz verhaften, so hat es der ehrgeizige junge Staatsanwalt angeordnet. Das spricht gegen das Rechtsstaatsprinzip. Das ist Amerika.

Der Grund ist allerdings hier nachvollziehbar. Alle Indizien sprechen gegen Terry, denn er wurde mehrfach im Zusammenhang mit dem Tatort von Zeugen gesehen. Sofort wird er in Haft genommen. Nur seine Frau hält zu ihm und sein Anwalt Gold scheint ein Lichtblick am Horizont zu sein.

Es bleiben Zweifel

Irgendetwas kann hier nicht stimmen, denn Terry wurde gleichzeitig in Ohio gesehen. Das ist seltsam und surreal. Trotz der Verhaftung bleibt allen ein schlechtes Gefühl. Was stimmt hier nicht? Die Kleinstadt dreht durch. Es ist gut beschrieben, wie sich alle vom früheren Gutmenschen Maitland abwenden, obwohl keine Schuld bewiesen ist. Maitlands Situation wirkt klaustrophobisch und kafkaesk.

Der Autor

"Carrie", "The Shining", "Misery" und vor allem "ES", das wieder verfilmt wurde - es gibt wohl nur wenige Leser oder Kinogänger, die nicht zumindest eine dieser drei Horrorgeschichten von Stephen King kennen. Einen internationalen Bestseller nach dem anderen legt der 1947 in Maine geborene Autor vor. Und nicht wenige davon wurden auch erfolgreich verfilmt.

So spektakulär die Geschichten sind, so bürgerlich klingt Kings Werdegang. Nach Schule, Universität und früher Heirat arbeitete er zunächst als Englischlehrer. Seiner Passion fürs Schreiben ging er abends und am Wochenende nach, bis ihm der Erfolg seiner ersten großen Geschichte, "Carrie", erlaubte, ausschließlich als Schriftsteller zu leben. Der Rest ist Legende. King hat drei Kinder und bereits mehrere Enkelkinder und lebt mit seiner Frau Tabitha in Maine und Florida. King hat auch ein empfehlenswertes Buch für alle potentiellen Schreiber veröffentlicht. "Das Leben und das Schreiben".

Ist Terry der Mörder oder gibt es einen Doppelgänger?

Dieser Thriller entwickelt sich vielschichtig. Viele Protagonisten werden nach und nach eingeführt, und dazwischen taucht immer wieder "das wabernde Böse" nicht greifbar auf. Der Detective ist wie besessen von diesem Fall, denn Terry hat auch Andersens eigenen Sohn "Derek" trainiert. Das macht ihn natürlich befangen.

Der Staatsanwalt ist ein gnadenloser Ehrgeizling und Lobbyist, der sein Fähnchen mit dem Winde dreht.

Viele unsympathische Protagonisten kommen vor, die das neue/alte Amerika verkörpern. Generell: Trump-Land wird immer wieder eingewebt. Hier ein verblasstes Plakat mit "Make America great again", da eine rote Base-Cap.

Also eine große Portion Sozialkritik, die ja auch in anderen Stephen-King-Büchern auftaucht. Auch ist King ziemlich negativ, liefert einige sehr blutige Details, und der Leser wird oft in seiner Erwartungshaltung enttäuscht.

Dann läuft alles wieder mal übernatürlich aus dem Ruder

Die Handlung geht weiter und die Untersuchung in Sachen Terry Maitland wird von allen Seiten manisch vorangetrieben. Auch andere Mordfälle in anderen Bundestaaten passieren und eine seltsame Gestalt lässt sich blicken.

Das Böse ist immer und überall. Dieser Satz aus einem albernen 1980er Song passt absolut zu diesem Thriller. Der Kreis schließt sich mit einer weiblichen Detektivin, die eine ziemliche Zwangsneurose mitbringt, gleichzeitig aber ein geniales Köpfchen hat. Sie hat eine düstere Vergangenheit, bringt noch andere Elemente in den Fall ein und verknüpft lose Enden, die es mit normalem Menschenverstand betrachtet, einfach so nicht geben kann.

Sind die Figuren aus "ES" erwachsen geworden?

In diesem neuen King habe ich das Gefühl bekommen, dass die ursprünglichen Figuren aus dem Buch "ES" weiterentwickelt wurden. Die Protagonisten sind zwar andere, aber es gibt einen roten Faden, der sich durchzieht. King betont auch im Outsider wieder, dass es im Leben auf einen gewissen Zusammenhalt ankommt, wenn man etwas erreichen will. Was immer auch das Ziel ist.

Fazit:

"Horror King" ist endlich wieder da, und das ist keinesfalls abwertend gemeint. Es passt ein leicht abgewandeltes Zitat von dem Germanisten Carl Fröhlich: "Ein Leben ohne Stephen-King-Bücher ist wie eine Kindheit ohne Märchen, ist wie eine Jugend ohne Liebe, ist wie ein Alter ohne Frieden", denn King ist ein großer (Horror-)Märchenerzähler.

Der einzige Wermutstropfen ist das Ende. Es wirkt ein wenig "zusammengeschustert", als ob King es nicht erwarten könnte, das Buch zu beenden. Nachdem er aber - wie meistens - dicke Wälzer liefert, ist es kaum vorstellbar. Bei dieser Auflösung kann man also geteilter Meinung sein, aber in Sachen Spannungskurve, Dramaturgie und Figurenentwicklung ist dieses Buch ein Lehrstück. Ich habe im Jahr 2018 einige Thriller und Krimis gelesen. "Der Outsider" ist für mich einer der besten Thriller, die ich seit Jahren in den Fingern hatte. Selten waren 750 Seiten so kurzweilig. Ich bin gespannt, ob das schon das Ende ist, oder ob es weitergeht - bei Horror King ist alles vorstellbar.

Der Outsider

Stephen King, Heyne

Der Outsider

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