Zeckenbiss

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 2018
  • 9
  • München: Heyne, 2018, Seiten: 520, Originalsprache
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Annette Wolter
50°1001

Krimi-Couch Rezension vonJan 2018

Bella Italia und Moloch Berlin

Ein scheinbar sinnloser Mord in der Toskana. Die Anwältin für Jugendstrafrecht Lara Sennen, die viel Empathie für ihre jugendlichen Probanden empfindet und milde Strafen für Intensivtäter durchboxt, möchte im kleinen Ort Ambra ein Ferienhaus erwerben. Dort plant sie einen Roman zu schreiben. Ein Tipp von der Angestellten des Poloclubs ihres Mannes bringt sie ihrem Ziel näher, aber sie kommt nicht zurück...

Inspektor Neri, bekannt aus den meisten anderen Thrillern von Sabine Thiessler, ermittelt und hat den untreuen Ehemann in Verdacht. Aber die Ehe war, trotz der Seitensprünge ihres Mannes Bastian, glücklich und es gibt kein Motiv.

Die Braut des Richters trägt schwarz

Bernd Gernersheim möchte es nach dem tragischen Tod seiner Frau nochmal wissen. Er möchte seine jugendliche Nachbarin Veronika heiraten. Der Ex-Richter ist nicht wirklich überzeugt, denn er weiß nicht, ob er mit der hyperaktiv erscheinenden jungen Frau noch mithalten kann.

Veronika ist jünger als sein Sohn und die geplante Hochzeit stößt auf wenig Gegenliebe. Sex mit Veronika ist ein Desaster, denn Bernd muss auf Kommando mit Viagra funktionieren. Er hadert, lässt sich aber trotzdem in einen hellblauen Hochzeitsdress pressen - und wird dann prompt auf der Feier ermordet. Auch er ist für sein Engagement und die milden Urteile bekannt, denn er möchte den Teenie-Tätern zweite und auch dritte Chancen im Leben ermöglichen.

Knastalltag in Berlin

Faruk lernt von Kindesbeinen an, wie man Frauen als Menschen zweiter Klasse behandelt, und sitzt wegen Mordes im Knast. Aber seine Zeit im Gefängnis ist absehbar. Er hat eine milde Strafe bekommen, die er "auf einer Arschbacke absitzen kann". Faruk hofft sehr auf die Hilfe der unattraktiven Psychologin Diana Klee. Sie glaubt an ihn und ist schon einmal auf sein Schauspieltalent reingefallen.

Diana Klee - die Knastpsychologin

Diana, die etwas dümmliche Knastpsychologin, hat einige Kilos zu viel und ist einsam. Da sie schon 45 Jahre alt ist, ist ihre biologische Uhr eigentlich abgelaufen. All die Typen, die als potentieller Kindsvater in Betracht kommen, wollen nichts von ihr wissen. Dann lernt sie einen neuen interessanten Mann kennen.

Schließlich gibt es noch Wolfgang, einen einsamen Taxifahrer in Berlin, der seiner Ex-Frau Karin nachtrauert und wohl einige Geheimnisse hat.

Viele Protagonisten, ein Motiv?

Sabine Thiessler, geboren und aufgewachsen in Berlin, studierte Germanistik und Theaterwissenschaften. Sie arbeitete einige Jahre als Schauspielerin im Fernsehen und auf der Bühne und schrieb außerdem erfolgreich Theaterstücke und zahlreiche Drehbücher fürs Fernsehen (u.a. Das Haus am Watt, Der Mörder und sein Kind, Stich ins Herz und mehrere Folgen für die Reihen Tatort und Polizeiruf 110). Ihr Debutroman "Der Kindersammler" war ein sensationeller Erfolg, und auch all ihre weiteren Thriller standen monatelang auf der Bestsellerliste. Zuletzt bei Heyne erschienen: Nachts in meinem Haus.

Nach einem etwas zähen Einstieg nimmt die Handlung dann Fahrt auf, und die losen Enden werden mehr oder weniger verknüpft. Die Figuren kommen komplett unsympathisch rüber. Zum Beispiel wird von Faruk nur erzählt, dass er in Deutschland geboren wurde. Über die Familie wird nichts weiter kommuniziert, außer, dass der Vater ein Schläger ist, die Mutter ein devotes Etwas, und die Schwester quasi die Angestellte ihres Bruders. Warum Viktoria den ollen Richter heiratet? "No los so","wie Inspektor Neri sagen würde.

Irgendwie brutal, konstruiert und kein guter Thriller

Ich habe tatsächlich alle Bücher von Sabine Thiessler gelesen. Auch aus dem Grunde, weil ich generell der Meinung bin, dass deutsche Autoren auf dem internationalen Parkett oft zu kurz kommen, und einige unterbewertet werden. Bei Thiessler findet der Leser triviale Unterhaltung, aber diese war bislang immer stimmig gemacht.

Das neue Buch ist langweilig, brutal und schlecht recherchiert. Jeder Protagonist bedient sein Klischee. Der Richter mit der jungen Frau, die dämliche Psychologin, usw. Dass dieses Mal die Toskana-Fans von Sabine Thiessler etwas zu kurz kommen ist marginal, denn Inspektor Neri mit seiner temperamentvollen Frau Gabriella kommt nur in einer Nebenhandlung vor.

Vor allem die Klischees über die typische Sprache von türkischen Mitbürgern (Faruk benutzt zum Beispiel immer "isch", statt "ich"), finde ich in diesen Zeiten echt gefährlich. Dann "Die Rumänen in Neukölln schmeißen ihren Müll einfach zum Fenster raus, dass die im Erdgeschoß nichts mehr sehen können, ob der Müllberge."

Ich bezweifele nicht, dass es solche Häuser in Berlin-Neukölln gibt, aber Sozialkritik sieht in meinen Augen anders aus. Enttäuschend trivial und wirklich nur für treue Thiessler-Fans.

Zeckenbiss

Sabine Thiesler, Heyne

Zeckenbiss

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